Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz. Christoph Heizler

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Beten bei Edith Stein als Gestalt kirchlicher Existenz - Christoph Heizler


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im religionsphilosophischem Diskurs zum Thema,61 als auch in der Predigt und der geistlichen Besinnung. Der dabei betont vom Menschen und seinen Daseinserfahrungen ausgehende Zugang zum Thema Glaube und Gebet geschieht bei Welte unter Einbezug der Phänomenologie. Diese versteht er als das „Freilegen und Bergen des sich selbst Zeigenden“.62 Bei der Frage nach einer „Phänomenologie der Liebe“ formuliert Welte in ähnlicher Weise. Dort ergänzt er aber, dass das sich Zeigende schon im Verborgenen anwesend war, bevor der interessierte Blick des Menschen ihm begegnet: „Wir wollen durch die Bemühung des Denkens das zum offenen Sichselberzeigen bringen, was schon im Verborgenen gegenwärtig ist.“63

      Die phänomenologische Methode verwendet Welte, um beschreibend die „anthropologischen Grundstrukturen aufzudecken, die dem Menschen einen Zugang zum Heiligen, zum Glauben ermöglichen.“64 Dabei legt Welte einen „Hauptakzent“ auf die „im Spielfeld von Endlichkeit und Unendlichkeit“65 erfahrene „Faktizität des Daseins und seiner Endlichkeit, der Erfahrung des Nichts, der Grenze, der Angst.“66 Angesichts der sich radikal zu Wort meldenden Frage nach dem „Sinn“67 seiner Existenz, besonders angesichts des unbedingten Nichts des Scheiterns und des Todes, der alle gleichermaßen angeht, rührt der Mensch an die Möglichkeit eines unbedingten Sinnes.

      Der Mensch erfährt sich dabei auf zweierlei Weise mit der Frage nach dem Sinn konfrontiert. Zum einen stellt sich ihm diese in einer „tranzendierenden Seinsverwunderung“68 und in einem Staunen darüber, dass „überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts“. Zum anderen erfährt er sich in Tod und Schuld mit dem radikalen, unbedingten „Nichts“ konfrontiert, das ihm jedoch die Möglichkeit eines ebenso unbedingten Sinns ins Denken hebt und die Idee eines alles Sein bergenden Grundes. Die Alternative des „nichtenden Nichts“, das radikal alles verschlingt und Sein fundamental negiert, bleibt dabei unhintergehbar bestehen, so dass die Begegnung mit dem Nichts zweideutig bleibt. Die solcherart ambivalente Erfahrung des Nichts wird aber im menschlichen Postulat69 nach einem absoluten und den Menschen begründend-bewahrenden und tragenden Sinn transzendiert.

      Der alles begründende Grund, auf den der Mensch sich in seinem Postulat nach Sinn hinwendet und transzendiert, erscheint als abgründiges „Geheimnis“. Das damit Gemeinte beschreibt Welte als „das verborgene Warum, die verschwiegene Herkunft, der unbedingte Grund.“70 Dieses Geheimnis ist unsagbar. Es übersteigt die sprachlichen Zugangsmöglichkeiten. Daher ist der Begegnung mit diesem Geheimnis das Schweigen angemessen, in dem der Mensch seine Grundanlage des Hörens aktualisiert und zugleich damit offen ist für das Gesamte des Seins. Schweigend geschieht dem Menschen so eine „Sammlung“71 seiner Zerstreuung in das Umgetriebensein von vielen Einzeldingen. Zugleich mit der Sammlung widerfährt ihm eine vertiefte Begegnung mit allem, was ist und darin mit dem, was alles „gewährt“ und alles dem Menschen „gönnt“.72 Das schweigende Beten ist Welte zufolge somit: „Nichts umzutreiben und von nichts umgetrieben werden. Nichts bereden und sich nicht mehr in die Bewegung des Redens treiben lassen. […] Schweigend wird der Mensch also alles ‚etwas‘, d. h. Dinge und alle Anliegen loslassen aus dem Begriff des Begreifens oder des Begreifenwollens. […] Dieses Schweigen […] ist wie reines Hören, das zwar kein ‚Etwas‘ hört, aber offen und bereit ist, alles zu hören. Oder es ist wie die reine Helle des Schauens, das zwar an keinem ‚Etwas‘ mehr hängt, aber Offenheit ist für alles.“73

      Dabei wird dem Freiburger Priester das Gebet des Schweigens74 ausgehend von der Sammlung und der darin anhebenden Andacht zur grundlegenden Weise der Begegnung mit dem verborgenen Geheimnis im Raum der Sprache. „Sammlung“ ist für Welte Ausdruck einer Transzendenzbewegung über das Ganze des Seins hinaus, wie er im Beitrag „Zeit und Gebet“ ausführt: „Die Sammlung des Schweigens ist aber mehr als Sammlung bloß der inneren und äußeren Welt. Sie ist die reine Freiheit und Offenheit, die zwar alle Welt umfängt, aber zugleich und vor allem auch alle Welt übersteigt. Das, worin die Welt versammelt wird, ist größer als alle Welt. Es ist die abgründige Weite der Unendlichkeit des Geheimnisses, das alles trägt und alles gewährt und auf alles wartet.“75 Bei dieser Transzendenzbewegung bezeichnet „Andacht“76 die Richtung, in der sich der menschliche Grundimpuls entfaltet. Im selben Beitrag „Zeit und Gebet“ kennzeichnet Welte Andacht als Ausrichtung des menschlichen Denkens: „Andacht bezeichnet eine Richtung des Denkens. Die Silbe ‚an‘ gibt die Richtung an, die Silbe ‚dacht‘ das Denken. Denken darf aber in unserem Zusammenhang genommen werden für das ganze lebendige und nun ins Schweigen versammelte Dasein des Menschen. Das Wort Andacht soll also im Ganzen die Richtung oder Transitivität des ins Schweigen versammelten Daseins bezeichnen. […] In der Transitivität des lebendigen Weggehens von sich und des Übergehens zum Ewigen liegt für die Andacht das Ganze und das Höchste.“77 Das in Worten artikulierte Gebet78 gründet in dieser schweigenden Begegnung und wächst aus ihr hervor.

      Mit Blick auf die Zeiterfahrung des Menschen im Geschehen des Gebets erweist sich betendes Schweigen als Ort, wo der sonst häufig im Alltag bestimmende Grundzug des betriebsamen „Ausmessens“79 der Zeit unterbrochen wird. Statt der funktionalisierenden Vernutzung von Zeiteinheiten begegnet eine „ursprüngliche Zeit“. Sie zeigt sich von sich selbst her dem, der inne hält: „Wird es wohl gelingen, uns einmal aus dem Betrieb zu lösen, diesen hinter uns zu lassen und auch das Messen der Zeit mit der Uhr für eine Weile aufzugeben: um auf den stillen Gang der Zeit selber zu achten, der ursprünglichen Zeit sozusagen, wie sie sich anfänglich von sich selber her zeigt? […] In der Tat, sofern uns dieser Schritt zurück in die Ursprünge einigermaßen gelingt, dann können die Stunden sich verwandeln. Sie können die gewährte Weile werden, etwas Freies und Freigebendes, das sich uns öffnet und uns einen Raum des Atmens und des Lebens einräumt.“80 Unverzweckte Zeit erscheint in ursprünglicher Form als „gewährte Weile“. Dazu schreibt Welte: „Wir wollen diese Weise der Zeitlichkeit Weile nennen, weil sie nicht etwa ein bloßer geometrischer Punkt des Umschlags ist, sondern etwas Weilendes, ein freier Spielraum, sich darin umzusehen und handelnd sich darin zu bewegen. Und wir nennen diese Weile eine gewährte, weil sie sich von sich her öffnet, ohne daß wir sie selber machen könnten. Sie gewährt sie je und je aus ihrem eigenen Ursprung. Wer ist der Gewährende? Keines Menschen Hand kann es machen. Es bleibt Geheimnis. Das sich so Gewährende ist auch ein Gönnendes. Es ist etwas wie eine stille Einladung: Atme und lebe in mir! Und dann haben wir auf einmal Zeit. Nicht freilich durch unsere Kraft und unseren Willen, sondern weil sie sich selber uns gewährte aus ihrem eigenen, geheimnisvollen Ursprung“81 und durch ihre „Einmaligkeit und Vergänglichkeit“, in der zugleich ihre „gönnende Kostbarkeit“82 gegründet ist. Bernhard Welte charakterisiert diese verdichtete Erfahrung von Zeit: „Die gewährte Weile trägt das Zeichen der Einmaligkeit an sich und damit das der Vergänglichkeit. Beides gehört zusammen. Die Weile ist das Kostbare, weil sie einmal sich öffnet und schenkt und dann niemals wiederkehrt. Diese Vergänglichkeit, dieses Niemals-Wiederkehren ist gerade das Siegel ihrer gönnenden Kostbarkeit. […] Wer gönnt und gewährt sie? Wohin geht sie, in welches Niemals? Wer wüsste es zu sagen? Ihre Herkunft und ihr Hingang sind voller Geheimnis.“83 Die biographische Zeitspanne als Prozess ist dem Mensch von „Morgen der Geburt bis zum Abend des Sterbens“ geschenkt. Welte schreibt: „Die gewährte Weile eines Augenblicks gehört in die größere gewährte Weile unseres ganzen Lebens vom Morgen der Geburt bis zum Abend des Sterbens. […] Die gewährte Weile ist wirklich voll von Geheimnis, in ihrem gewährenden Sich-Öffnen, in ihrem verweilenden Verlauf, in ihrer gestimmten Gliederung, in ihrer einmaligen Kostbarkeit, in ihrem Weggang und Heimgang. Voll von einem Geheimnis, das uns herausfordert und einlädt, nicht nur es geschäftig zu vernutzen, was wir freilich bisweilen müssen, sondern mehr noch werden wir eingeladen, bisweilen des Geheimnisses selbst zu gedenken, ja ihm Antwort zu geben, dem Geheimnis, das sich uns öffnet in der Zeit als gewährten Weile.“84 Diesem Geheimnis und „Zuspruch“ antwortet der Mensch im Gebet der Sprache, wo er dazu gelangt, dem Geheimnis, das ihn anspricht, responsorisch zu entsprechen. Welte führt dazu aus: „Darum ist es der Sache angemessen, dem Gewährenden der gewährten Weile und dem Geheimnis, das in ihm spricht, Antwort zu geben: durch das Gebet. Das gewährende Geheimnis also zu nennen und anzurufen: Mein Herr und mein Gott!“.85

      Das


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