Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen. Roland Muller

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Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen - Roland Muller


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      ■ Private, welche die Erfüllungsverantwortung übernehmen, werden in eine öffentliche Verantwortung und Kontrolle eingebunden (vgl. dazu Art. 35 Abs. 2 der schweizerischen Bundesverfassung: «Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen»).

      ■ In diese Vorgehensweise bringt der Staat bewusst Mechanismen ein, die eine effiziente Aufgabenerfüllung erwirken, ohne auf hoheitliche Durchsetzung zu greifen (Schedler und Proeller 2009).

      Die Auslagerung von Aufgaben wird in der Schweiz seit vielen Jahren betrieben und ausführlich durch den Bundesrat im «Corporate Governance Bericht» vom 13. September 2006 behandelt (Schweiz. Bundesrat 2006). Der Fokus des Berichts liegt auf den Fragestellungen, welche Aufgaben auslagerbar sind bzw. nach welchen Kriterien eine Auslagerung zu beurteilen ist.

      Lagert der Staat gewisse Tätigkeiten an Organisationen ausserhalb der Verwaltung aus, so übernimmt er gegenüber den Bürgern die Verantwortung dafür, dass die Leistungserbringung legal, legitim, wirtschaftlich und wirkungsvoll erfolgt. Er leistet damit Gewähr für eine ordnungsgemässe Leistungserbringung, die das öffentliche Interesse berücksichtigt. Gleichzeitig kann er aber je nach Situation die jeweils beste Form der Aufgabenerfüllung auswählen. Er lässt den politischen Kräften den Entscheid offen und liefert die Optionen, aus denen gewählt werden kann. Dies bedingt allerdings, dass sich der Staat für jede konkrete Situation entscheiden muss, welchen Weg er wählt.

      Im Gewährleistungsstaat «wird der Entscheid über die Aufgabenbreite und die ideologische Ausgestaltung des Staates (neoliberaler vs. Sozial- und Wohlfahrtsstaat) entkoppelt von Fragen der Umsetzung des Service Public und der Aufgabenwahrnehmung. Die Aufgabenbreite wird durch politische Instanzen in demokratischen Verfahren festgelegt. Bei der Aufgabenerfüllung trägt der Staat in allen öffentlichen Aufgabenbereichen die Gewährleistungsverantwortung, erbringt aber lediglich sog. Kernaufgaben des Staates selbst» (Schedler und Proeller 2009, 35). Gleichzeitig entsteht eine Gewährleistungsverwaltung, welche zielgerichtet, aber autonomer und mit mehr Verhandlungsspielraum handelt. Die Konzeption des Gewährleistungsstaates erlaubt somit ein politisch-administratives System, welches sowohl sozialstaatliche als auch neo-liberale Züge zulässt. Die öffentliche Verwaltung übernimmt im Gewährleistungsstaat die Verantwortung für die Sicherstellung der Leistungserbringung der demokratisch festgelegten Aufgaben.

      Eine Möglichkeit, ausgelagerte Aufgaben zu erfüllen, ist der Einsatz von staatseigenen (öffentlichen) Unternehmen. Sie entstehen durch Neugründung (meist wenn neue Aufgaben organisiert werden) oder durch Ausgliederung bestehender Organisationseinheiten. Öffentliche Unternehmen können unterschiedliche Rechtsformen annehmen (vgl. Kapitel 5, Rechtsformen für die Auslagerung und Unternehmensgründung, 77 ff.). Sie werden im Gewährleistungsstaat als Leistungserbringer angesehen, die sich im Prinzip nur wenig von anderen Leistungserbringern unterscheiden.

      Für die Public Corporate Governance bedeutet diese Staatsidee, dass:

      1 der Staat die Erfüllung von Aufgaben in unterschiedlichen Formen und Strukturen sicherstellen kann, insbesondere auch mit ausgegliederten Eigenbetrieben und Beteiligungen.

      2 diese organisatorischen Lösungen jedoch stets den Anforderungen der Legalität, Legitimität, Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit zu genügen haben.

      3 in jedem konkreten Fall eine neue Abwägung vorgenommen werden muss, wie diese Kriterien zu gewichten sind.

      4 der Staat Aufgaben an öffentliche Unternehmen auslagern kann und die Leistungserbringung nach denselben Kriterien beurteilen muss.

      Der Staat und seine Institutionen sind der Garant dafür, dass politisch beschlossene Aufgaben im vorgegebenen Mass erfüllt werden. Dabei steht er jedoch nicht alleine da, sondern er kann Elemente der sogenannten Daseinsfürsorge an Dritte delegieren. Dies war schon immer so, allerdings hat das Ausmass der Delegation an Dritte in den letzten Jahren dramatisch zugenommen, so dass von einem Übergang vom Leistungsstaat zum «Gewährleistungsstaat» gesprochen wird. Wählt er für die Leistungserbringung die Form des Staatsbetriebs, so ist im Rahmen der Diskussion zwischen den folgenden drei wesentlichen Funktionen bezüglich Verantwortung zu differenzieren

      Gewährleistung: Als Gewährleister hat das Gemeinwesen die nicht delegierbare Verantwortung, dass eine bestimmte Aufgabe in einer definierten Qualität erfüllt wird. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass bei der Festlegung wichtiger Rahmenbedingungen oder des Auftrags die demokratischen Verfahren eingehalten und die Rechte der Betroffenen geschützt werden. Die Ziele der Aufgabenerfüllung müssen sich an den von der Politik verfassungsmässig vorgesehenen öffentlichen Interessen ausrichten. Dazu gehört auch die Sicherstellung einer demokratisch legitimierten Aufsicht. Im Vordergrund steht hier in aller Regel die politische Perspektive – die Gewährleistungsverantwortung ist in erster Linie eine politische Verantwortung.

      Leistung: Der Erbringer der Leistung (hier das öffentliche Unternehmen) trägt die Erfüllungsverantwortung, die ebenfalls im Rahmen der Erfolgskriterien beurteilt werden kann: Die Aufgabe ist legal, legitim, effizient und effektiv zu erfüllen. Im Vordergrund steht hier die Management-Perspektive – die Erfüllungsverantwortung ist in erster Linie eine Verantwortung des Managements (der leistungserbringenden Organisation) gegenüber dem Auftraggeber.

      Eigentum: Als Eigner oder Beteiligter eines öffentlichen Unternehmens trägt das Gemeinwesen die Verantwortung, dass zum einen die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Unternehmung langfristig erhalten bleibt und dass zum Zweiten die Führung des Betriebs nach anerkannten Grundsätzen erfolgt. Politisch sollte zudem festgelegt werden, inwiefern eingesetztes Kapital und Risiko zu entschädigen sind oder wie viel Defizit ein Gemeinwesen zu decken gewillt ist (in der folgenden Grafik als «Rendite» umschrieben). Im Vordergrund steht hier sowohl eine politische als auch eine Corporate-Governance-Perspektive – die Eignerverantwortung ist in erster Linie eine Verantwortung des Gemeinwesens gegenüber den Stakeholdern der Unternehmung, aber auch gegenüber dem Steuerzahler. Zu beachten ist, dass Eigentum jedoch nur eine der Möglichkeiten darstellt, die Gewährleistung sicherzustellen. In Ergänzung zu den Ausführungen zum Stichwort «Gewährleistung» wird an dieser Stelle auf folgende weitere Formen hingewiesen: Erfüllung durch die Verwaltung selbst, Erfüllung durch externe Anbieter (mittels Vertrag), Erfüllung durch interne Anbieter (mittels Leistungsvereinbarung). Diese Themen werden jedoch im Rahmen dieses Werks nicht vertieft.

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      Abbildung 2: Aufgabendifferenzierung im Gewährleistungsstaat (Schedler, Gulde et al. 2007)

      Die Gewährleistungsverantwortung verbleibt bei der Public Corporate Governance stets bei der auslagernden Staatsebene als Gewährleister (z.B. Bund), während die Erfüllungsverantwortung delegierbar ist (z.B. Mastronardi 2007). Hingegen behält die auslagernde Ebene die sogenannte Auffangverantwortung, d.h., bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Aufgabe durch den Beauftragten muss sie in der Lage sein, die Aufgabe selbst zu erbringen oder durch andere Dritte erbringen zu lassen.

      Diese Auffangverantwortung ist nach der dargestellten Konzeption ein Teilbereich der Gewährleistungsverantwortung, wie die Verantwortung für die Auswahl der geeigneten Governance-Form (also beispielsweise: regulierte Marktlösung; Netzwerklösung; Kontrakt mit privaten und/ oder öffentlichen Anbietern):

      ■ Die Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines geeigneten Marktumfeldes für die gewählte Governance-Form (z.B. die Regulierung des Telekommunikationsmarktes durch die ComCom).

      ■ Die Verantwortung für die Auswahl geeigneter Leistungserbringer, sofern eine solche Wahlmöglichkeit in der gewählten Governance-Form vorgesehen ist (z.B. durch Ausschreibungen im öffentlichen Regionalverkehr).

      ■ Die Verantwortung für die Überwachung der Leistungserbringung und -abgabe an die Öffentlichkeit.

      ■ Die Verantwortung für die Gewährung der Rechte aller Betroffenen (z.B. durch Schaffung einer Rekursinstanz). Mit der Auslagerung von Aufgaben an private und/oder öffentliche Unternehmen allein ist es also nicht getan.

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