Das Mündel des Apothekers. Stefan Thomma

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Das Mündel des Apothekers - Stefan Thomma


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lass uns gleich hineinspringen.«

      »Ich setze mich nur ans Ufer und kühle meine Beine ab.«

      »Wie? Bist du wasserscheu?«

      »Ich kann nicht schwimmen! Ist deine Neugierde jetzt befriedigt?«

      »Das tut mir leid, aber warum kannst du nicht schwimmen? Jeder kann das.«

      »Ich glaube, es war ein Fehler, hierherzukommen.«

      »Na, wenn das kein Zufall ist«, spottete Wilhelm Hofmeister, der diesmal ohne seine Freunde durch das Gebüsch schlüpfte. »Und wieder in so reizender Begleitung.«

      »Himmelherrgott, was willst du ständig von uns? Wer bist du? Ein Büttel? Der Bürgermeister oder der Pastor?«, fragte Katharina wütend.

      »Hör auf zu fluchen und halt dein vorlautes Maul, Weib!«, schrie Wilhelm. Er bückte sich, riss einige kniehohe Brennnesseln aus dem Unterholz und peitschte damit auf Simons Rücken ein.

      »Und du verkaufst mich wohl für blöd! Das ist meine letzte Warnung!«

      »Bist du von Sinnen? Hör sofort auf damit!«, schrie Katharina und stürzte sich auf Wilhelm. Es entstand ein wildes Handgemenge. Gemeinsam überwältigten sie Hofmeister und warfen ihn in die Eger. Die Strömung trieb ihn rasch einige Meter flussabwärts.

      »Das werdet ihr mir noch büßen!«, schrie der Kaufmannssohn und ruderte heftig mit den Armen. Simon und Katharina mussten unweigerlich lachen. Als sie sich etwas beruhigt hatten, strich sie ihm über den Rücken.

      »Das sieht böse aus. Gib mir dein Hemd.« Sie tauchte es in den Fluss und legte Simon das tropfnasse Stück Stoff über die Schultern.

      »Das tut gut, danke!«

      »Ich muss wieder nach Hause. Wenn mein Stiefvater vor mir zurück ist, gibt es mächtigen Ärger.« Katharina drückte seine Hand und verschwand im Unterholz.

      Kaum hatte sie die Türe zur Offizin hinter sich geschlossen, kam ihr Stiefvater nach Hause.

      »Wo steckst du denn schon wieder, Katharina«, rief die Haushälterin. »Dachte ich’s mir doch. Kind, du sollst lernen, wie man einen Haushalt führt, anstatt dich für Kräuter und Salben zu interessieren!«

      Katharinas Interesse lag mehr an den Heilmitteln und den Geheimnissen der Medizin als an Putzen und Kochen. In der Offizin ihres Stiefvaters herrschte akribische Ordnung, was nicht zuletzt auch Katharinas Verdienst war. In den Regalen aus gewachstem Nussbaumholz standen irdene Töpfe und Glasbehälter sorgfältig aufgereiht und mit deren Inhalt beschriftet. An der Decke hingen Sträuße von Kräutern und Heilpflanzen zum Trocknen, bis sie weiterverarbeitet werden konnten. Der massive Verkaufstresen, auf dem eine Waage und verschiedene Mörser bereitstanden, war noch von Benedikts Eltern, die das Geschäft aufbauten. Die Riesingers hatten in den letzten Jahrzehnten durch den Handel mit Barchent und anderen Tuchwaren einen stattlichen Reichtum erwirtschaftet. Benedikt schwenkte dann auf den Verkauf von Heilmitteln um, als die Pfingstmesse in Nördlingen immer mehr an Bedeutung verlor.

      »Elfriede hat recht«, mischte sich jetzt auch ihr Stiefvater ein. »Du wirst schon bald heiraten und Kinder bekommen, da nützt dir das Apothekerwissen nichts. Dein Mann wird für euch sorgen.« Entsetzt blickte Katharina zwischen Elfriede und Benedikt hin und her.

      »Herrgott, ich will aber nicht heiraten, vor allem wüste ich ja nicht mal, wen.«

      »Hör auf zu fluchen! Und das lass mal meine Sorge sein. Ich finde schon den Richtigen für dich.«

      »Ihr wollt mich verschachern wie ein Stück Vieh?«

      »Katharina, es ist doch nur zu deinem Besten«, erklärte ihr Stiefvater. »Merkst du denn nicht, wie die Kerle, allen voran dieser Zimmermannssohn Mühlbichler, dir hinterherstellen wie brunftige Hirsche? Ich kann dich nicht ewig vor Übergriffen schützen.«

      Ohne ein weiteres Wort rannte Katharina aus dem Apothekerhaus. Schnellen Schrittes marschierte sie in nordwestlicher Richtung durch die Stadt. Dicke Wolken schoben sich vor die Sonne. Der auffrischende Wind blies Katharina den Straßenstaub in die Augen. Beim Brot- und Tanzhaus kam ihr Mühlbichlers jüngerer Bruder entgegen.

      »Michel, lauf schnell zu Simon und sag ihm, ich muss ihn dringend sprechen. Ich warte am schiefen Baum auf ihn«, bat Katharina den Dreikäsehoch und verließ die Stadt am Baldiger Tor.

      »Ist der Teufel hinter dir her, Mädchen?«, lachte ein Wachmann und seine Kameraden pfiffen ihr hinterher. Vor der Brücke, unter der die Eger floss, bog sie links zum bewaldeten Flussufer ab. Einen Steinwurf entfernt, verdeckt durch Büsche und Sträucher, stand der schiefe Baum. Die Baumkrone der Weide ragte fast bis zur Mitte des Flusslaufs. Zusammengekauert saß sie in einer Ecke des Baumhauses und wickelte sich in eine löchrige Decke. Regen setzte ein. Dicke Tropfen klatschten auf das Laub der Bäume und in den Fluss.

      »Was ist denn passiert?«, fragte Mühlbichler außer Atem. Katharina erzählte, was ihr Stiefvater vorhatte.

      »Der Tag musste ja irgendwann mal kommen. Weißt du denn schon, wer der Glückliche sein wird?«

      »Nein, aber allein die Tatsache, dass ich heiraten soll, ist schon schlimm genug. Somit platzt auch mein großer Traum, die erste studierte Ärztin von Nördlingen zu werden.«

      »Du willst Medizinerin werden? Keine Universität dieser Welt lässt ein Weib studieren!«

      »Da irrst du, mein Lieber. An der Medizinschule von Salerno sind auch Frauen zugelassen.«

      »Ach, daher warst du erst beim Stadtmedicus. Zuerst dachte ich, du wärst krank.«

      »Du spionierst mir nach?«

      Simon wurde rot und senkte seinen Blick.

      »Nun ja. Du bist kein Mädchen, das man als Junge einfach so anspricht. Ich wusste nicht, wie ich es anstellen sollte, und bin dir gefolgt.«

      »Hm. Ja, ich war dort. Aber auch das erste und letzte Mal.«

      »Warum? Was ist denn passiert?«

      »Ach, dieser aufgeblasene Neunmalklug. … ›Das Gehirn eines Weibes ist nicht in der Lage, die komplexen Abläufe im menschlichen Körper zu erfassen. Denn das weibliche Gehirn ist erwiesenermaßen kleiner als das des Mannes …‹ Eine Unverschämtheit war das.«

      »Schließt die Tore! Wir werden angegriffen!«, rief ein Wachmann.

      »Warum verriegeln die das Tor nicht? Mein Gott, das sind ja Hunderte«, stellte Katharina fest. Die Wachen schafften es nicht mehr rechtzeitig, das Tor zu schließen. Die ersten Soldaten waren schon auf der anderen Seite der Stadtmauer.

      Als die beiden ans Baldiger Tor schlichen, wunderten sie sich, dass es immer noch offen stand. Auch von kriegerischen Handlungen war nichts zu hören. Stattdessen waren Männer damit beschäftigt, einen Erdhügel aufzuschütten, um die Brücken vor den Toren zu blockieren.

      »Was waren das für Soldaten?«, fragte Katharina den Wachmann am Tor.

      »Schwedische Kämpfer, die uns helfen, die kaiserlichen Truppen zu vertreiben. Es wird nicht mehr lange dauern und die Katholischen werden uns belagern. Seht ihr die Häuser vor den Stadttoren? Die werden heute alle noch abgerissen, damit die kaiserlichen Truppen keine Deckung haben. Selbst die St. Emmeranskirche auf dem Totenhügel wird heute noch niedergebrannt. Macht lieber, dass ihr heimkommt.«

      Entsetzt blickten Simon und Katharina sich an.

      »Ich bringe dich nach Hause«, flüsterte Mühlbichler und legte seinen Arm um sie.

      Bürger rannten besorgt durch die Straßen und verschwanden in ihren Häusern. Ein Bub zerrte ein quiekendes Schwein in den Stall.


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