Salzburger Rippenstich. Katharina Eigner

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Salzburger Rippenstich - Katharina Eigner


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zehn Zehen Knoblauch hätte schenken können.

      »Zehn Zehen???«, ist der Laurenz entsetzt. »Auf gar keinen Fall ess ich das!« Er schneidet seinen Serviettenknödel jetzt so energisch, dass das Messer auf dem Teller quietscht und ich eine Ganslhaut bekomme. Natürlich kommt umgehend die Beschwerde, dass ihm der Knödel viel zu trocken ist. Hermi verschränkt die Arme über der Brust und schaut ihm beleidigt zu, wie er den Knödel runterwürgt.

      »Weilst keinen Gulaschsaft zum Eintunken hast, freilich! Isst halt einen Salat dazu, dann rutscht’s leichter runter!« Ein überflüssiger Vorschlag, denn sie weiß ganz genau, wie sehr ihr Sohn Salat verabscheut. Aber jetzt ist sie eben beleidigt, weil er ihr Gulasch verweigert, und drum will sie ihn ein bisserl ärgern. Zum Schlagabtausch zwischen Mutter und Sohn kann ich nichts beitragen, also bringe ich meine Portion Gulasch mit einer kräftigen Prise Chili auf Vordermann und bin in Gedanken in meinem Kleiderschrank. Was soll ich zur Eröffnungsfeier anziehen??

      Jeans, Reiterstiefel, Bluse, Gamsfrackerl und dazu ein handbedrucktes Ausseer Seidentuch: eine Möglichkeit. Stilsicher. Trachtig-elegant passt immer. Ich beende mein Mahl mit einer Tasse Espresso; die beiden streiten immer noch. Dass ich mich von Hermi verabschiede, entgeht ihr komplett, da sie gerade Laurenz’ unbenutzten Löffel zurück in die Schublade wirft.

      Ich gebe meinem Outfit mit dem passenden Make-up den letzten Schliff. Laurenz steht hungrig und übellaunig in der Tür zum Bad und mustert mich. Es ist die Sorte Blick, die ich nicht leiden kann: Kritik. Keine drei Sekunden später kommt auch schon die Frage: »Du gehst doch nicht so?«

      »Doch. Was ist falsch daran?«

      »Na ja, die Jeans …«

      »… sitzt perfekt!« Ich konzentriere mich auf den Lipliner und lasse Laurenz links liegen.

      Außerdem ist nicht meine Garderobe schuld an seiner Laune, sondern der Hunger. Und die Einweihungsfeier. Seine Laune ist am Tiefpunkt, denn Termine dieser Art sind ihm zutiefst zuwider. Er hasst die Festreden, das lange Herumstehen, das Aufmarschieren der Musikkapellen in Endlosschleife. Die Bierzelte, das Händeschütteln und den unerträglich hohen Lärmpegel. Die viel zu eng gestellten Bänke, die winzigen Pappteller und die ausgezutzelten Würstel, zu denen es immer Senf gibt, nie Kren. So richtig wohl fühlt er sich erst, wenn er Fragen zu seinen Entwürfen oder zum Bauen allgemein beantworten kann. Da geht ihm das Herz auf. Stundenlang könnte er über die Form und Funktionalität von Dächern referieren, von Isolierungen schwafeln oder dichte Kellerwannen empfehlen. Leider passiert es äußerst selten, dass er die Lobhudelei und überreichten Blumensträuße übersteht und bis zum interessanten Teil der Feier durchhält.

      Laurenz ist mittlerweile im begehbaren Kleiderschrank verschwunden. Als ich die Tür aufmache, steht er in Socken und Unterhose vor dem Regal und sucht im Stapel mit den dunkelblauen Wollpullis nach seinem liebsten dunkelblauen Wollpulli.

      Ich lehne mich lässig an den Türstock und verschränke die Arme. »Schon komisch, das mit der Leiche, oder?«

      »Mhm.« Er zieht eines seiner gut 30 weißen Hemden – alle gleich – vom Bügel und schlüpft hinein. Obwohl in Schnitt und Größe alle aus einem Guss sind und sogar vom selben Hersteller, behauptet der Laurenz, er habe ein Lieblingshemd.

      »Wenn dir das mit dem Hundebiss nicht passiert wäre, wärst du gestern sicher noch mit dem Rad zur Fundstelle gefahren, oder?« Er schaut sich suchend nach einem Gürtel um, findet aber nichts Passendes. In seiner Gürtellade krame ich nach einem Exemplar, das noch nicht allzu abgewetzt ist, und bemühe mich um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck. »Könnte schon sein.«

      »Ist mir ein Rätsel, welche Faszination Leichen auf Frauen ausüben!« Er nimmt den Gürtel, den ich ihm entgegenhalte, und zieht ihn durch die Schlaufen.

      »Wieso?«

      »Na ja …«, sagt er, während er sein Hemd in den Hosenbund stopft, »schau dir doch einmal die Krimis im Fernsehen an! Lauter Frauen!«

      »Die Leichen?«

      »Nein. Die Hobby-Detektivinnen. Lauter gelangweilte Weiber, die herumgschafteln.«

      Schwer, jetzt noch cool zu bleiben. »Also bitte! Miss Marple ist ein Klassiker, aber doch keine gelangweilte Gschaftsnasen!«

      Der Laurenz setzt einen mitleidigen Blick auf. »Geh, Klassiker! Nur weil sie die erste Detektivin in Krimis war! Freilich ist das bei den Leuten gut angekommen. Allerdings deshalb, weil’s das vorher nicht gegeben hat! Aber wurscht, es muss ja nicht die Miss Marple sein! Weibliche Ermittler gibt’s ohnehin zum Saufüttern. Zum Beispiel die Sendung mit den Freundinnen in dem oberösterreichischen Kaff. Vier Frauen und ein …«

      »… Todesfall?« Eine meiner Lieblingssendungen.

      »Genau! Klumpert-Sendung! Aber den Leuten gefällt’s! Und warum?« Er ist mittlerweile fast fertig und knöpft die Manschetten an den Ärmeln zu. »Weil es um die Eitelkeit geht!«

      Ich versteh nur Bahnhof. »Es geht um die Aufklärung von Morden in einem Dorf, nicht um Äußerlichkeiten!«

      Laurenz schnappt sich einen Pulli und dreht das Licht ab im begehbaren Kleiderschrank.

      »Eben! Die Aufklärung von Morden! Bei all diesen Sendungen ist mindestens ein Polizist dabei, der zwar den Mörder finden sollte, aber als Detektiv nix taugt. Ein Volldepp sozusagen.« Er wischt mit einem Microfaserfetzen über seine Schuhe, bevor er sie anzieht.

      »Aber jede Sendung hat auch mindestens ein Weib als Gegenpol zu dem Volldeppen. Meistens sind die Damen schon im gesetzten Alter, leicht übergewichtig, mit Wetterfleck oder Ischler Hut. Manchmal kommt auch eine ganze Wetterfleck-Armada daher. Und diese Gschaftsnasen haben natürlich die Weisheit mit dem Löffel gefressen und den Fall im Handumdrehen gelöst. Der Polizisten-Volldepp wiederum hat keinen Plan, wie sie das hingekriegt haben, weil er als Dorftrottel in Uniform intellektuell hinterherhinkt. Und somit werden die Pseudoermittlerinnen zu Intelligenzbestien stilisiert und in ihrer Eitelkeit bestätigt!«

      Aha. Ich lasse die Theorie kurz auf mich wirken. Wenn ich sie richtig verstehe, hegt der Laurenz die Befürchtung, dass ich mich zu einer Wetterfleck-Gschaftsnasen entwickle und schlauer bin als die Polizei. Und mich, im Versagensfall, lächerlich machen könnte. Was wiederum zur Folge hätte, dass ihm, Laurenz Dorn, die Peinlichkeit nicht erspart bliebe, sich als Ehemann einer Möchtegern-Detektivin outen zu müssen. Im schlimmsten Fall als Ehemann einer erfolglosen Möchtegern-Detektivin. Genau genommen geht es also weniger um den Mord, von dem noch nicht einmal feststeht, dass es einer war, sondern um die Eitelkeit meines Mannes. Nur weil ich mich dafür interessiert habe, warum mir der Pechtl in der Nähe von dem Toten begegnet ist. Und sich nur in der Nähe eines Toten zu befinden, heißt noch lange nichts. Schließlich war ich auch in der Nähe des Toten, genau wie der Fischer Xaverl und die Hermi. So gesehen wären wir alle verdächtig. Natürlich klebt an der Theorie von meinem Mann ein kleiner Batzen Wahrheit. Muss ich zugeben. Zumindest, was die Hauptfiguren in Krimiserien betrifft. Die Fernsehkrimis haben deshalb so hohe Einschaltquoten, denke ich mir, weil Menschen wie du und ich komplizierte Mordfälle lösen. Nicht der durchtrainierte, braungebrannte Supercop bringt den Mörder zur Strecke, sondern die unscheinbare Nachbarin, das Mauerblümchen, dem man so etwas nie und nimmer zugetraut hätte. Bis zu einem gewissen Grad kann man sich mit diesen Normalos also ganz gut identifizieren. Wenn nach 45 Minuten Sendezeit der Fall gelöst ist, verspürt man – im Idealfall – sogar einen leichten Anflug von Stolz: Ich hätte das auch gewusst. Und freut sich auf die nächste Folge respektive den nächsten privaten Ermittlungserfolg. Trotzdem ist da ein Haken.

      »Es gibt aber auch erfolgreiche Krimis, in denen Männer die Fälle lösen! Sind das dann auch gelangweilte Gschaftelhuber?«

      Ein ungläubiger Blick von meinem Mann. »Nämlich welche?«

      »Hercule Poirot zum Beispiel! Wie Miss Marple ist er ebenfalls eine Ermittlerfigur von Agatha Christie, aber halt ein Mann.«

      »Das ist doch ganz was anderes!«

      Da bin ich aber neugierig. »Aha, und warum?«

      »Weil Hercule Poirot sowieso ein Detektiv ist! Der große


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