Uhlenbrock. Claudia Rimkus

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Uhlenbrock - Claudia Rimkus


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zu treffen. Dadurch haben sie großes Unheil angerichtet und Leben zerstört. Sie haben die Verantwortung dafür nicht übernommen. Deshalb mussten sie sterben – deshalb wird es weitere Leichen geben. Auch diese Versager werden nicht einfach getötet. Sie sollen das lange Leiden ihrer Opfer nachempfinden, erleben, was es bedeutet, zu wissen, dass niemand ihnen helfen wird.

      Schreiben Sie, wie genial ich sie verurteilt und ausgelöscht habe. Die Fotos beweisen, dass ich kein Spinner oder Trittbrettfahrer bin. Sie werden erkennen, dass es eine große Kunst ist, jemanden langsam sterben zu lassen. Ich bin ein brillanter Künstler. Jahrelang habe ich mir meine Vorgehensweise bis ins kleinste Detail ausgemalt, daran gefeilt und eine große Inszenierung geplant, die ich nun verwirkliche, bis jeder seine verdiente Strafe erhalten hat. Sie werden der erste Zeitungsmann sein, der die ganze Wahrheit aufdeckt. Lassen Sie dabei die unfähige Polizei aus dem Spiel. Von mir bekommen Sie die Chance auf die Story Ihres Lebens.« Mit ernster Miene blickte Pia auf. »Unterschrift: Der ›Regisseur‹.«

      Sekundenlang war es still.

      Hannes zwang sich, das Gehörte nicht sofort zu kommentieren. Was er zu sagen hatte, war nicht für die Ohren der Presse bestimmt.

      »Es war eine gute Entscheidung, damit zu uns zu kommen, BP. Ich muss nicht erst betonen, dass davon kein Wort an die Öffentlichkeit gelangen darf. Ich spreche nachher mit der Staatsanwältin.«

      »Sag der Pauli, dass ich aus freien Stücken hier war. Dann sind wir hoffentlich quitt.«

      »Nur wenn du die Klappe hältst.«

      »Mach ich. – Dafür will ich die Story exklusiv, wenn alles vorbei ist.«

      »Ich rede mit der Staatsanwältin«, versprach Hannes. »Geh bitte mit Martin zur Kriminaltechnik. Du kennst das ja. Wir müssen deine Fingerabdrücke ausschließen – obwohl ich nicht glaube, dass der ›Regisseur‹ so unvorsichtig war, welche zu hinterlassen.«

      Kurz darauf war der Hauptkommissar mit seiner Kollegin allein.

      »An der Echtheit des Briefes besteht schon wegen der Fotos kein Zweifel«, sagte er und rieb sich das Kinn. »Sogar Hinweise auf das Motiv hat uns der Mörder geliefert.« Rasch nahm er die Nachricht vom Tisch und richtete die Augen darauf. »Er beschreibt die Opfer als unfähig und inkompetent, als nicht in der Lage, richtige Entscheidungen zu fällen. – Ihn betreffend? Haben sie dadurch Unheil über ihn gebracht, sein Leben zerstört?«

      »Das kann man daraus schließen«, stimmte sie ihm zu. »Anscheinend will er sich an allen rächen, die er für sein zerstörtes Leben verantwortlich macht. Da werden zu unseren beiden Opfern wohl einige dazukommen. Wenn wir ihn nicht bald stoppen, reichen Horsts Kühlfächer nicht aus.«

      Damit hatte sie zweifellos recht.

      »Zuerst werde ich die Staatsanwältin informieren. Ich fahre gleich zu ihr. Danach muss ich Professor Thaler über den neuen Sachverhalt unterrichten. Das könnte wichtig fürs Profil sein.«

      »Wenn du ihn zu Hause besuchst, wirst du Charly über den Weg laufen.«

      »Mir fällt sicher eine plausible Erklärung ein.« Er deutete auf die Kisten mit Jugendamt-Unterlagen, die sich vor einem der Aktenschränke stapelten. »Macht ihr inzwischen damit weiter, alle Fälle rauszusuchen, an denen sowohl Flachsbarth als auch Rugard beteiligt waren.«

      »Hoffentlich finden wir überhaupt was, das uns weiterbringt. Nach so langer Zeit …«

      »Ich weiß, wie mühsam das ist, aber wir haben keine Wahl. Irgendwo da drin muss es einen Hinweis auf den Täter geben.«

      Mit ernster Miene betrachtete Frau Dr. Pauli die Scans der Fotos, bevor sie die Kopie des Briefes las, den Hannes ihr vorgelegt hatte.

      »Das gefällt mir gar nicht«, sagte sie, als sie aufsah. »Er nennt sich ›Regisseur‹. Offenbar glaubt er, dass er die Fäden in der Hand hält. Wir brauchen dringend Ergebnisse, sonst mordet er munter weiter.«

      »Wir arbeiten mit Hochdruck daran.« Der Hauptkommissar hockte auf der Stuhlkante vor dem Schreibtisch der Staatsanwältin, als wolle er gleich aufspringen. »Meine Leute durchforsten Aktenberge bis zurück in die Zeit vor über 30 Jahren. Wir wissen nicht, ob sie überhaupt vollständig sind. Ein paar Kollegen sind seit Tagen unterwegs und befragen Nachbarn, Freunde oder ehemalige Mitarbeiter der Opfer. Einige sind inzwischen im Ruhestand oder verzogen oder sonst wie unauffindbar. Zusätzlich habe ich Kollegen von der Operativen Fallanalyse angefordert, aber die haben wie immer viel zu wenig Leute zur Verfügung.«

      Das leuchtete ihr ein. Nach kurzem Überlegen hob sie die feingeschwungenen Brauen.

      »Wieso hat er sich ausgerechnet an Plaschke gewandt?«

      »Weil der dafür bekannt ist, dass er sich selten an die Regeln hält? Ein Sensationsreporter, der keine Skrupel hat, im Dreck zu wühlen.« Er zuckte die Schultern. »Die Artikel von BP sind immer reißerisch und hart an der Grenze des guten Geschmacks. Wahrscheinlich dachte der ›Regisseur‹, BP würde sofort zu Geld machen, dass er ihn kontaktiert hat. Das hätte er vermutlich sogar getan, wenn Sie ihn nicht im Visier hätten. Der Mann hat einen Riesenres­pekt vor Ihnen.«

      »Das will ich ihm auch raten«, erwiderte sie mit einem kleinen Lächeln. »Er wird es nicht wagen, darüber zu schreiben. Wie ich ihn kenne, will er dafür die Story als Gegenleistung exklusiv von uns.«

      »So ist es.«

      »Meinetwegen.« Sie stand auf, blieb aber hinter ihrem Schreibtisch stehen. »Gibt es sonst etwas Wichtiges?«

      »Ich bringe Kopien zu Professor Thaler. Vielleicht kann er uns eine erste Einschätzung geben.«

      »Das halte ich für keine gute Idee. Sie wissen, unter welcher Bedingung er uns hilft.«

      »Keine Sorge, Frau Stern wird nichts davon erfahren.«

      »Unterschätzen Sie diese Frau nicht. Wir haben öfter erlebt, dass sie ein besonderes Gespür hat.«

      »Diesmal wird sich Charly nicht einmischen«, sagte er zuversichtlich. »Ich melde mich, wenn es Neuigkeiten gibt.«

      Von der Staatsanwaltschaft im Volgersweg nahm der Hauptkommissar die schnellste Route nach Wülfel. Über die Hildesheimer erreichte er nach knapp 20 Minuten sein Ziel. Er stellte seinen Dienstwagen an der Straße ab und passierte das offen stehende Tor. Mit langen Schritten ging er über das weitläufige Grundstück und stieg die drei Granitstufen hinauf. Die sechs Namensschilder an der Hauswand über dem Klingelknopf entlockten ihm ein Lächeln. Er war immer noch verwundert darüber, wie rasch sich Charlotte entschlossen hatte, hier einzuziehen. Fraglos bot dieses Haus eine Menge Komfort, war geräumig und verfügte über einen großen Garten. Die Bewohner waren durchweg sympathisch. Vor etwa drei Jahren war die Freundin gezwungen, sich nach dem Tod ihres Mannes ihr Leben neu einzurichten und hatte mit der Zeit ihre Unabhängigkeit schätzen gelernt. Obwohl sie nie darüber gesprochen hatte, schien ihr etwas Wichtiges gefehlt zu haben. Was verständlich war. Hannes freute sich für sie, dass sie in Philipp Thaler wieder einen geliebten Menschen gefunden hatte.

      Er verdrängte, dass er sich genau so etwas wünschte, und läutete.

      Charlotte kam leichtfüßig die Treppe herunter.

      »Ich bin unterwegs!«, rief sie in Richtung des Wohnzimmers, als der sanfte Doppelklang des Gongs ertönte, strebte auf die Haustür zu und öffnete.

      »Hannes.« Überrascht lächelte sie. »Mit dir hätte ich nicht gerechnet.« Sie beschrieb eine einladende Geste. »Du möchtest bestimmt zu Philipp.«

      An ihr vorbei betrat er das Haus.

      »Woher weißt du das?«

      »Eingebung?«, schlug sie vor und schloss die Tür. »Ich bringe dich zu ihm.«

      Durch die Wohnhalle führte sie den Gast zum Arbeitszimmer des Professors. Nach kurzem Anklopfen ging sie hinein. Philipp saß an seinem von Unterlagen übersäten Schreibtisch am Computer.

      »Du hast Besuch.«

      Beim Anblick


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