Uhlenbrock. Claudia Rimkus

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Uhlenbrock - Claudia Rimkus


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könnten es meine gewesen sein. Im Gegensatz zu ihm habe ich nach dem Gerichtsurteil meistens nichts mehr über die weitere Entwicklung des Betreffenden erfahren.«

      »Demnach kann man nicht ausschließen, dass sich jemand an ihm rächen wollte«, überlegte sie. »Eltern, denen das Kind weggenommen wurde, oder jemand, der von ihm falsch begutachtet worden war und deshalb im Heim aufwachsen musste. Oder ein …«

      »Was wird das, Sternchen?«, fragte er mit ruhiger Stimme. »Haben sie dich gestern beim Stammtisch mit Infos geködert?«

      Sie wusste, dass er sie liebte und sich um sie sorgte.

      »Wir haben eben nur über den Fall gesprochen, weil Anneliese den Mann kannte.«

      »Es steht erst heute in der Zeitung, wer der Tote aus dem Georgengarten ist«, fügte die Freundin hinzu. »Ich kannte ihn zwar nicht besonders gut, aber es ist was anderes, wenn ein Mordopfer kein Fremder war. Wahrscheinlich dauert das eine Weile, aber ich denke, ich sollte zu seiner Beerdigung gehen. – Kommt ihr mit?«

      »Ich bin dabei.« Charlotte bemerkte selbst, dass ihr die Zusage zu schnell entschlüpft war und dadurch ihr Inte­resse verriet. »Niemand geht gern allein auf den Friedhof.«

      Philipps Blick verriet, dass er sie durchschaute, aber er sagte nichts dazu.

      »Hier steht noch ein interessanter Artikel«, teilte Anneliese den Freunden mit. »Ein 84-Jähriger hat eine 77 Jahre alte Frau mit einer Schusswaffe zum Sex gezwungen – und das anscheinend nicht zum ersten Mal.«

      »Was sagt man dazu?« Charlotte konnte ein amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken. »Das war bestimmt schlimm für die Frau, aber wenn man sich das bildlich vorstellt … Warum muss ich dabei eigentlich an unseren Freund Pippich und sein Viagra-Experiment im Eichengrund denken?«

      Auch Philipp musste schmunzeln.

      »Weil man so eine Nummer nicht so schnell vergisst. Wir können ihn ja mal besuchen.«

      »Das muss nicht sein.« Damit erhob sich Charlotte. »Ich werde erst mal eine Runde laufen. Conrad hat gesagt, dass es gegen Mittag regnen soll.«

      Im Polizeipräsidium wartete Hannes Bremer auf die Rückkehr seiner beiden Kollegen, die unterwegs waren, um Nachbarn des Ermordeten zu befragen. Der Tote hatte in Hannover-Kirchrode in einem Mehrfamilienhaus gewohnt.

      Unterdessen las der Hauptkommissar abermals den Obduktionsbericht. Die Vielzahl der Verletzungen, die der Rechtsmediziner festgestellt hatte, dokumentierte ein Crescendo der Wut. Möglicherweise handelte es sich um einen Sadisten, der anderen aus reiner Lust Schmerz zufügte. Bislang gab es keinen Anhaltspunkt in irgendeine Richtung. Sie wussten nicht viel mehr, als dass der Fundort des Toten nicht mit dem Tatort übereinstimmte. An der Leiche war keine Fremd-DNA gefunden worden. Und auf den Aufzeichnungen der Verkehrskameras war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Sie brauchten dringend ein möglichst vollständiges Bewegungsprofil des Ermordeten: Wer hatte den Psychologen wann zuletzt gesehen, wo hatte er sich vermehrt aufgehalten? Das würde sie hoffentlich weiterbringen.

      Als Hannes Geräusche von nebenan hörte, schaute er erwartungsvoll durch die große Glasscheibe, die sein Büro von dem der Kollegen trennte. Die beiden zogen ihre warmen Jacken aus, bevor Pia zu ihrem Chef hinüberging.

      »Und?«, fragte Hannes gespannt. »Was habt ihr über Flachsbarth rausgekriegt?«

      »Nicht viel.« Die erfahrene Kommissarin lehnte sich gegen die Schreibtischkante. »Er lebte seit seiner Scheidung vor beinah 20 Jahren zurückgezogen, hatte anscheinend nicht viele Freunde. Die Nachbarn beschreiben ihn als ruhigen, unauffälligen Mann.«

      Martin kam mit zwei Bechern Kaffee dazu und reichte einen davon an die etwas ältere Kollegin weiter. Ernst schaute er anschließend seinen Chef an.

      »Die alte Dame, die über ihm wohnt, hat in der letzten Zeit öfter einen weißen Lieferwagen bemerkt, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand. Der Fahrer ist nach ihren Worten immer im Wagen geblieben. Seit dem Leichenfund ist er nicht wieder aufgetaucht.«

      »Ihr glaubt, dass Flachsbarth observiert wurde?«

      »Ist jedenfalls nicht auszuschließen. Leider konnte sich die Frau nicht an das Kennzeichen erinnern. Das Modell konnte sie auch nicht genau beschreiben. Allerdings ist sie sicher, dass an dem Transporter kein Firmenlogo angebracht war.«

      »Solche Fahrzeuge gibt es vermutlich massenhaft: Firmenwagen, Paketdienste, zum Camper umgebaute Lieferwagen«, resümierte ihr Vorgesetzter wenig begeistert. »Hoffentlich bringt uns die Befragung von Flachsbarths ehemaligen Kollegen weiter.« Er warf einen Blick auf die große Wanduhr. »Aber nicht mehr heute. Erfahrungsgemäß arbeiten die Behörden freitags nur bis mittags.«

      »Verbrecher machen aber keinen Feierabend«, sagte Pia. »Wenn das wirklich eine Serie werden sollte, schlägt der Killer wahrscheinlich bald wieder zu.«

      »Mal den Teufel nicht an die Wand.«

      Kapitel 3,5

      Nichts! Diese Dummköpfe hatten genug Zeit, die Unfähigkeit dieses Psychologen ans Licht zu zerren. Ich wollte, dass die ganze Stadt nach seinem Tod davon erfährt. Aber nichts passiert. Zwei mickrige Artikel in der Zeitung. Kein Wort über die Gegenstände, die ich so sorgfältig ausgesucht habe. Nur vage Angaben über die Verletzungen. Warum erkennen sie meine Kreativität nicht an? Die Polizei hält sich absichtlich bedeckt. Diese Idioten verheimlichen der Öffentlichkeit wichtige Fakten, weil sie wissen, dass es noch nicht vorbei ist. Sie wollen keine Angst schüren, aber die Menschen sollen Angst vor mir haben. Beim nächsten oder übernächsten Toten werden einige Leute ahnen, dass sie ebenfalls auf meiner Liste stehen. Sie werden sich irgendwo verkriechen, aber ich finde sie. Alle. Mir entkommt niemand. Sie werden bitter bereuen, was sie mir angetan haben. Sie haben mein Leben zerstört. Ich muss sie dafür bestrafen, hart bestrafen. Am eigenen Leib sollen sie spüren, was es bedeutet, wenn es keinen Ausweg gibt. Wenn niemand da ist, der ihnen hilft. Sie haben sich das selbst eingebrockt. Auch wenn inzwischen Jahre vergangen sind. Wahrscheinlich haben sie es längst vergessen. Aber ich werde sie daran erinnern, ihnen vor Augen führen, dass ihr Handeln für mich so etwas wie ein Todesurteil bedeutete. Ich will, dass sie ihre Fehler einsehen. Sie sollen zugeben, dass sie versagt haben. Sollten sie sich herausreden, ist es nur gerecht, dass sie sterben müssen – und vorher genauso leiden, wie ich gelitten habe. Endlich kann ich tun, was ich mir seit Jahren ausgemalt habe. Ihre Uhr ist abgelaufen …

      Kapitel 4

      An diesem Samstag läutete Hauptkommissar Bremers Handy eine Stunde später als in der Vorwoche. Schlaftrunken tastete er nach dem Telefon.

      »Wer wagt es?«

      »Moin, Hannes«, vernahm er die Stimme seiner Kollegin, die bereits morgens um sieben frisch und munter klang. »Wir haben eine Leiche.«

      Sofort war er hellwach.

      »Wo?«

      »In der Aegidienkirche.«

      »Weiß Horst Bescheid – und die Spusi?«

      »Sind alle unterwegs. Die Staatsanwältin habe ich eben informiert.«

      Mit einer Hand schlug Bremer die Decke zurück und schwang die Beine aus dem Bett.

      »Okay, ich komme.«

      Barfuß lief er ins Bad. Nach kurzer Morgentoilette zog er sich an und verließ ohne Frühstück das Haus. In seinem Beruf kam das häufiger vor – genau wie die Tatsache, dass er selten pünktlich Feierabend machen konnte. An seinen unregelmäßigen Dienstzeiten scheiterten regelmäßig seine Beziehungen.

      Auf dem Weg von Döhren in die City kramte er in seinem Gedächtnis nach Informationen über den Fundort der Leiche. Er war kein waschechter Hannoveraner, kam ursprünglich aus Celle. Erst nach der


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