Tatort Rosenheim. Heinz von Wilk

Читать онлайн книгу.

Tatort Rosenheim - Heinz von Wilk


Скачать книгу
Genauso wie er, der Singelurch. Voll taub. Wie findest du das?«

      »Soll das eine Anspielung auf Arnold sein?«

      Danny schüttelte den Kopf: »Nein. Der Große freut sich und baut Wut auf. Der ist nur so richtig gut drauf, wenn er grantig ist. Da vorne, das riesige Eckhaus, das ist das Outlet. Die Einfahrt zu den Parkdecks ist um die Ecke. Bieg an der Ampel links ab.«

      Schweigend fuhren sie die schmale Auffahrt zum obersten Deck hoch. Das war fast leer, und die wenigen Autos standen ziemlich nahe an der Auffahrt und den Ausgängen zu den Shops.

      »Heute haben die bis neun Uhr abends geöffnet, normalerweise nur bis sieben. Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit.« Max parkte den Benz vorsichtig rückwärts ganz nahe an der Brüstung. Arnold schaute sich um, drehte sich zu Danny, grunzte und fuchtelte mit den Händen. Danny nickte, fuchtelte zurück und sagte zu Max: »Er meint, er schaut sich mal um. Wir können hierbleiben. In zehn Minuten ist er wieder da.«

      »Wo will er sich umschauen?«

      »Auf den unteren Decks. Man weiß ja nie.«

      Arnold hievte seinen massigen Körper schnaufend aus dem Wagen und ging leicht humpelnd davon. Danny drehte sich nach allen Seiten und nestelte umständlich an seinen Ärmeln rum. Nach ungefähr fünf Minuten kam Arnold zurück. Er beugte sich vor das hintere Fenster und klopfte. Danny ließ die Scheibe runter und Arnold brummelte etwas und bewegte schnell seine Hände.

      Danny nickte. »Er sagt, sie sind schon da. Stehen auf dem Deck unter uns. Sie haben ihn nicht gesehen, sondern beobachten die Auffahrt. Im Auto sind drei Kerle. Der Heinzi und zwei von seinen Schränken. Heinzi hat seinen Tigermantel an und raucht. Die anderen zwei glotzen nur blöd. Arnold meint, die hätten sich wohl mal im Zoo beworben, aber die wollten dort lieber was Wildes, mit vier Beinen.«

      Danny und Arnold lachten, wobei das Lachen bei Arnold eher nach dem Röcheln eines Kerles klang, der gerade erwürgt wird.

      Auer öffnete das Handschuhfach und nahm einen chromglänzenden Revolver heraus. Den steckte er in seine Jackentasche.

      »Die werden dich filzen und finden den da sofort«, maulte Danny. Jetzt grinste der Auer und sagte: »Sollen sie ja. Genau deswegen ist er da, wo er ist.«

      Es wird schnell dunkel, hier, vor den Alpen. Ein paar Regentropfen fielen lustlos aus den tiefen Wolken, und die weite Betonfläche sah im Licht der Neonröhren wie eine Eislaufbahn aus.

      Von vorne an der Auffahrt, hörte man ein dumpfes Grummeln, und ein schwarzer Cadillac, vielleicht 15 oder 20 Jahre alt, kam im Schritttempo auf die Parkebene gerollt. Dunkel getönte Scheiben. Weißwandreifen, Felgen mit goldenen Speichen und zwei riesige Antennen am Heck, an denen hellbraune Fuchsschwänze baumelten, rundeten das Bild ab.

      Der Schlitten rollte bis auf zwei oder drei Meter an den Benz heran. Der Achtzylinder blubberte im Leerlauf.

      Auer und Danny stiegen aus und lehnten sich an den Kühlergrill des Mercedes’. Arnold lümmelte hinten neben dem Heck an der Betonbrüstung und kaute an einem Daumennagel. Er riss mit den Zähnen ein Stück ab und spie es aus.

      Im hinteren Teil des Cadillacs rührte sich was. Ein massiger schwarzhaariger Kerl mit Undercut stieg aus. Vom Typ her ein Libanese oder Ägypter. Schwer zu sagen. Eine blaue Madonna mit einem Strahlenkranz war auf seine Stirn tätowiert. Auf der rechten Wange hatte er zwei lange Narben, die wie aufgeklebte Strohhalme aussahen. All dies nahm Auer im Bruchteil einer Sekunde wahr.

      Der Große schaute sich um, starrte die drei beim Mercedes an und zog mit einer schnellen Bewegung den Reißverschluss seiner ballonseidenen schwarzen Bomberjacke auf.

      Auer atmete scharf durch die Nase ein. Die Luft war feucht, nach Grillspeisen und Asphalt duftend, und von der Straße hoch kam ein Zischen, verbunden mit einem brenzligen Ozongeruch, wenn die Oberleitung der Straßenbahn knisternde Funken versprühte.

      So viele Eindrücke in einer Sekunde oder so, wirst du dir jetzt bestimmt denken. Aber es ist so, glaub mir das. Dein Hirn rast, und um dich rum geht alles wie in Zeitlupe. Das Adrenalin schießt dir durch den Körper, und du weißt, dass du vielleicht gleich loslegen musst.

      Der Regen wurde dichter und zog mit dem aufkommenden Wind in Schwaden heran.

      Der Große ging zur Fahrertür, das Fenster glitt etwas runter, und der Kerl sagte was in einer unbekannten Sprache. Der Motor des Caddy verstummte und der Fahrer stieg aus. Fast genauso groß wie der Undercutkerl, vielleicht etwas schlanker. Er hatte eine Stupsnase und einen viel zu kleinen Mund, der etwas offen stand: »Ah, Dick und Doof. Euch habe ich ja schon eine Zeit lang nicht gesehen. Und du bist der Auer?« Damit nickte er zu Max hin, der zurücknickte. »Lasst euch mal ein bisschen kitzeln«, sagte er und kam auf die beiden zu. »Der Chef kommt gleich raus. Er ist ein bissel nervös, das habt ihr vielleicht schon gehört, oder?«

      Der Massige holte mit einer schnellen Bewegung einen schwarzen Revolver aus seiner Bomberjacke und hielt ihn dicht am Oberschenkel, Mündung nach unten.

      »Wenn ich was finde, dann legen wir es in euren Kofferraum. Nach der Besprechung fahren wir zuerst vom Deck, und ihr lasst den Kofferraum zu, bis wir weg sind. Der Ali hier«, damit zeigte er mit dem Kinn auf den Schrank in Schwarz, »hat euch im Blick. Dick und Doof wissen ja, wie schnell er sein kann. Und du, Auer, willst es gar nicht erst wissen. So, wer hat was einstecken?«

      Max hob die Hand.

      »Hol es mit zwei Fingern raus. Langsam. Leg es auf die Motorhaube.«

      Auer fischte mit Daumen und Zeigefinger seinen Revolver aus der Jackentasche und tat, wie ihm geheißen. Danny zeigte auf seinen linken Fußknöchel. Dann ging er langsam auf ein Knie nieder und holte vorsichtig eine kleine braune Automatic aus dem Knöchelholster und legte sie neben Auers Waffe.

      Der Stupsnasige schaute Arnold an. Der zuckte mit den Schultern, fasste unter seine linke Achsel und seine Hand kam mit einem finnischen Wurfmesser wieder zum Vorschein.

      »Sehr gut. Großer, mach den Kofferraum auf. Fass nicht hinein, nur aufmachen.«

      Arnold drückte auf den verchromten Knopf und zog den Deckel hoch. Der Schlanke kam um sie rumgetänzelt, nahm die zwei Schusswaffen und das Messer, legte es in den Kofferraum und schloss ihn mit einem dumpfen Knall.

      »Gut. Ich werde euch noch schnell abklopfen. Kann ja sein, dass einer von euch in der Eile was vergessen hat.«

      Er tastete Arnold ab, der knurrte, dann Max. Mit gekonnten, schnellen Bewegungen strich er über den Körper. Dann stellte er sich vor Danny: »Nimm die Arme hoch, Zwerg.«

      Danny hob beide Arme über den Kopf und sagte: »Bitte nicht die Achselhöhlen, ich bin kitzlig wie der Teufel.«

      Der Schlanke verzog das Gesicht, durchsuchte Danny von den Schultern bis zu den Füßen und griff ihm abschließend prüfend zwischen die Beine.

      Danny grinste. »Fühlt sich an wie fünf Kilo Kartoffeln, findest du nicht?«

      »Sauber?« Das kam von dem Schrank mit der Waffe in der Hand.

      »Ja. Der Chef kann rauskommen.«

      Undercut ging mit zwei schnellen Schritten zur Beifahrertür, ohne die Szene aus den Augen zu lassen. Er zog die Tür auf: »Alles klar, Chef.«

      Max sah einen Krokodillederstiefel, darüber ein schwarzes Hosenbein, dann kam der zweite Stiefel in Sicht, das zweite Bein, dann schwang sich der Schirmer Heinzi singend aus dem Auto: »Va’, pensiero, sull’ale dorate; va’, ti posa sui clivi, sui colli, jaja. Na, wen haben wir denn da?« Heinzi strich seinen Leopardenpelzmantel glatt, fuhr sich mit der Hand über das lichte Haupthaar und fummelte mit zwei Fingern in seinem Gesicht herum.

      »Gefangenenchor aus Nabucco. Ein wunderschönes Stück. Soll ich weitersingen?« Er hob den rechten Arm über den Kopf, und zwischen Daumen und Zeigfinger hielt er nun ein blassblaues Glasauge, das er mit der Hand hin und her drehte wie das Periskop eines U-Bootes: »So, ich schau mich nur ein bissel um, dann können wir zur Sache kommen.«

      Mit einer flüssigen Bewegung


Скачать книгу