Erstellung von Fragebogen. K. Wolfgang Kallus

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Erstellung von Fragebogen - K. Wolfgang Kallus


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niederschlagen. Ausgehend von einer hinreichend klaren Vorstellung über das zu messende Merkmal und die hierfür relevanten psychologischen Konzepte lassen sich die möglichen Manifestationen als Basis für die Formulierung von Items ableiten. Die möglichst klare und valide Operationalisierung der Merkmale muss immer die Frage beantworten, wie sich unterschiedliche Merkmalsausprägungen aus Sicht der Befragten darstellen und wie sie sich aus Sicht der Befragten kennzeichnen lassen. Die Übernahme der Perspektive von Befragten, von KundInnen, MitarbeiterInnen, PatientInnen und StudienteilnehmerInnen ist zentral für die angemessene und zielorientierte Formulierung von Items.

      Fragen sollten sich möglichst konkret auf Aspekte beziehen, die für die Befragten sichtbar, spürbar, erlebbar und erfahrbar sind. Wenn sich Fragen auf abstrakte, vorgestellte und generalisierte Gegenstände beziehen, lassen die Ergebnisse der Befragung nur selten konkrete Vorhersagen zu und die Antworten können durch Faktoren wie eine positive Selbstdarstellungstendenz, soziale Erwünschtheit oder Antworttendenzen stark verzerrt werden. Fragen wie „Sind Sie ein zuverlässiger Mensch?“ oder „Sind Sie ein guter Autofahrer?“ erbringen deutlich mehr Ja-Antworten als aufgrund der Anzahl zuverlässiger Menschen oder guter AutofahrerInnen in der Population zu erwarten sind.

      Auf der anderen Seite treffen sehr spezifische Fragen nur auf einen Teil der Personen oder nur sehr selten zu. Fragen zu seltenen Ereignissen sind für die Mehrzahl der Befragten nicht relevant und differenzieren daher oft nicht. Beispiele sind: „Ich bin in den letzten Tagen mit Unverschämtheiten am Arbeitsplatz konfrontiert worden“ oder „Ich habe im letzten halben Jahr ein große Geldsumme gewonnen“.

      Fragebogen sind sowohl zur Selbst- als auch zur Fremdbeschreibung oder auch zur Selbst- und Fremdbeurteilung einsetzbar. Fragebogen können sich auf unterschiedliche Merkmalsbereiche beziehen und sind nicht auf die Messung von psychischen Merkmalen wie Emotion oder Persönlichkeitsmerkmalen beschränkt. Beispielsweise kann eine Symptomliste auch physiologische Zustände abbilden (Mehrdimensionale körperliche Symptomliste; Erdmann & Janke, 1978), ein Beschreibungsinstrument wie das „Semantische Differential“ Umweltaspekte aus Sicht der NutzerInnen widerspiegeln (Mehrabian & Russell, 1974) und ein Fragebogen wie das („Instrument zur Stressbezogenen Arbeitsanalyse“ (ISTA; Semmer, Zapf & Dunckel, 1999) Arbeitssituationen aus Sicht der Arbeitstätigen oder auch aus Sicht von ExpertInnen charakterisieren.

      Wichtig ist, dass ein Item für die Bezugspopulation eindeutig beantwortbar ist. Dies bedeutet nicht, dass Items für jede Bezugsgruppe anders zu formulieren sind, vielmehr sind zu spezifische Formulierungen zu vermeiden, um Vergleichbarkeit zu erhalten. Dieses scheinbare Dilemma wird in Kapitel 5.2.5 unter dem Stichwort „modulare Fragebogen“ diskutiert und gelöst.

      Als Leitfaden gilt, für den Merkmalsbereich spezifische Fragen zu finden, die in Häufigkeit und/oder Intensität für alle Befragten relevant sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Entwicklung von Items für einen Fragebogen nicht allein die Fragen, sondern auch die zugehörigen Antwortkategorien eine entscheidende Rolle spielen.

      1.4 Grundbausteine von Fragebogen: Items als Frage-Antwort-Einheiten

      Ein Fragebogen besteht aus systematisch zusammengestellten Frage-Antwort-Einheiten. Diese Frage/Feststellung-Antwort-Kombinationen werden mit dem Begriff Fragebogenitem oder kurz Item bezeichnet. Dabei werden mehrere Fragen mit einem identischen Antwortmodus vorgegeben, d. h., der Fragebogen besteht aus mehreren Items mit identischem Antwortformat. Im Abschnitt über die Formulierung von Items wird ausführlich diskutiert, dass das Antwortformat zur Frage/Feststellung passen sollte und unterschiedliche Antwortformate zur selben Frage unterschiedliche Aussagen ergeben können.

      Items sind für die Beantwortenden eindeutig und klar zu formulieren. Subjektiv zu interpretierende Elemente, einseitige, suggestive oder für Personengruppen benachteiligende Formulierungen sind ebenso zu vermeiden wie Mehrdeutigkeiten. Im Idealfall entsprechen die Items dem Merkmal in repräsentativer Weise. Mit dem Perspektivenwechsel, dass es viele Antworten gibt und die dazu richtigen Fragen zu finden das eigentliche Problem darstellt, macht Michael Ende in der „Unendlichen Geschichte“ (Ende, 1979) auf das Problem der Passung zwischen Fragen und Antworten aufmerksam. Bei der Fragebogenentwicklung wird der Schwerpunkt in der Regel auf die angemessenen Fragen gelegt, ohne dabei die Antwortoptionen angemessen zu betrachten. Die Antwortoptionen sind aber oft entscheidend für treffsichere Fragen.

      Mögliche Unterschiede lassen sich an der Frage „Haben Sie Kopfweh?“ verdeutlichen (Box 1).

      Die unterschiedlichen Antwortmodi beleuchten unterschiedliche Facetten des Kopfschmerzproblems. Die erste Antwort lässt eine eher undifferenzierte Aussage zu und trifft wahrscheinlich eher aktuelle Kopfschmerzen, z. B. bei einer Befragung zu kritischem Raumklima oder beim „Sick-Building-Syndrom“. Der zweite Antwortmodus beantwortet die Intensitätsfrage, während die dritte Möglichkeit eher bei chronischen Kopfschmerzproblemen zu hohen Werten führt.

      Bei den Antwortmöglichkeiten kann es sich im Falle von gebundenen Antwortformaten auch um qualitative Kategorien handeln (z. B. ja/nein), um geordnete Kategorien („gar nicht“, „wenig“, „etwas“, „viel“, „sehr viel“; vgl. Kallus & Krauth, 1995; Krauth, 1995), um eine metrische Skalierung oder auch um eine kontinuierliche Skala. Das Problem der Skala/Skalierung wird in Kapitel 3.4 ausführlich diskutiert.

      Anmerkung: Interessanterweise ist die Mehrzahl der Items in „Fragebogen“ eher als Aussage mit Selbst-/Fremdbeschreibung und mit entsprechenden Antwortoptionen, aber nicht als explizite Frage formuliert.

      1.5 Messinformation von Fragebogen: Items, Subtest und Bereichssubtest

      Ziel eines psychometrischen Fragebogens ist es, unterschiedliche Merkmalsausprägungen von Eigenschaften, Einstellungen und Meinungen, Bewertungen, Verhaltenstendenzen, Zuständen oder längerfristigen Reaktions- oder Stimmungslagen bei Personen oder Personengruppen repräsentativ zu erfassen und zahlenmäßig wiederzugeben. Dabei kann es sich um Unterschiede im Zeitverlauf (Veränderungen) handeln oder um Unterschiede zwischen Personen oder Personengruppen.

      Zu diesem Zweck werden bei einem Fragebogen die Werte für zusammengehörige Items zu einem Messwert, dem Subtestwert, verrechnet. Diese Zusammenfassung von Items zu einem sog. Subtest bildet die Grundlage, um die Güte der Fragen mit den Verfahren der Klassischen Testtheorie (Lord & Novick, 1968) zu analysieren. In der Regel umfasst ein Fragebogen mehrere Subtests, um einen Merkmalsbereich in seinen unterschiedlichen Facetten abzubilden. Jeder Subtest entspricht einer Facette des Merkmals. Das Konzept der Subtests stellt den Unterschied des „Bogens mit Fragen“ zum psychometrischen Fragebogen her.

      Den Antworten werden bei jedem Item für die Auswertung Zahlen zugeordnet. Rein technisch werden bei zahlenmäßig vorgegebenen Antworten die Zahlenvorgaben der Antworten gewählt. Diese Konvention ist jedoch messtheoretisch nicht zwingend, da bei einer Intervallskala und natürlich auch bei einer Rangskala die Zahlenzuordnung weit beliebiger ist (vgl. Kap. 3.4). Bei der Auswertung und der Bestimmung der Güte eines Fragebogens geht der Untersuchende explizit oder implizit von den Grundannahmen („Axiomen“) der Klassischen Testtheorie aus. Die Axiome der Klassischen Testtheorie sind in Abbildung 1 dargestellt. Diese sind/lauten:

      – Messwert x: Dieser wird additiv in den wahren Wert t und den Messfehler e zerlegt (x = t+e).

      – Messfehler und wahrer Wert sind unabhängig.

      – Messfehler zweier Items sind unabhängig.

      Abbildung 1: Axiome


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