Bildethik. Christian Schicha

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Bildethik - Christian Schicha


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Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden. […]

       RICHTLINIE 2.2 SYMBOLFOTO

      Kann eine Illustration, insbesondere eine Fotografie, beim flüchtigen Lesen als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden, obwohl es sich um ein Symbolfoto handelt, so ist eine entsprechende Klarstellung geboten. So sind Ersatz- oder Behelfsillustrationen (gleiches Motiv bei anderer Gelegenheit, anderes Motiv bei gleicher Gelegenheit etc.), symbolische Illustrationen (nachgestellte Szene, künstlich visualisierter Vorgang zum Text etc.), Fotomontagen oder sonstige Veränderung deutlich wahrnehmbar in Bildlegende bzw. Bezugstext als solche erkennbar zu machen. […]

       Ziffer 4 GRENZEN DER RECHERCHE

      Bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden.

       Ziffer 8 SCHUTZ DER PERSÖNLICHKEIT […]

       RICHTLINIE 8.2 OPFERSCHUTZ

      Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

       Ziffer 9 SCHUTZ DER EHRE

      Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.

       Ziffer 11 SENSATIONSBERICHTERSTATTUNG, JUGENDSCHUTZ

      Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.

       RICHTLINIE 11.1 UNANGEMESSENE DARSTELLUNG

      Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird. Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.

      In einer Pressemitteilung vom 11. Juni 2020 hat der Deutsche Presserat in einer Pressemitteilung drei Fälle mit einer Rüge sanktioniert, in der der Umgang mit Bildern von Gewalt und Tot eine zentrale Rolle gespielt haben (Deutscher Presserat 2020):

      Redaktion zeigt Gesicht eines in Syrien erfrorenen Mädchens

      Eine Verletzung der Ziffer 1 des Pressekodex sah der Presserat in der Veröffentlichung eines Fotos eines in Syrien erfrorenen 18 Monate alten Mädchens. Unter der Überschrift „Laila (1) erfror auf der Flucht vor dem Krieg“ hatte BILD.DE über den Krieg in Syrien berichtet und da-bei ein Porträtbild des toten Kindes mit offenen Augen gezeigt. Diese Art der Darstellung ist nach Ansicht des Presserats nicht durch ein öffentliches Interesse gedeckt und verletzt die Menschenwürde des toten Mädchens. Der Presserat hielt den Verstoß gegen den Pressekodex für so schwerwiegend, dass er hier eine Rüge aussprach.

       Opferfotos ohne Einwilligung der Angehörigen veröffentlicht

      Eine Rüge erhielt SHZ.DE wegen mehrerer Berichte aus den Jahren 2008 und 2009 u.a. mit der Schlagzeile „Es war blanker Hass“. Es ging darin um einen Prozess gegen einen 19-Jährigen, der 2008 wegen Mordes an seiner Schwester verurteilt worden war. Die Redaktion hatte seinerzeit mehrere Artikel mit Fotos und Informationen veröffentlicht, die das Mordopfer identifizierbar machten. Das Vorhalten dieser Alt-Berichterstattung verstößt insoweit gegen den redaktionellen Datenschutz, als dass nach Richtlinie 8.2 des Pressekodex die Identität von Opfern besonders geschützt werden muss ‒ auch in Online-Archiven. Dagegen waren Informationen, die Rückschlüsse auf die Identität des Täters und der Familie zuließen durch ein überwiegendes Informationsinteresse gedeckt.

       Zwei Rügen wegen Verstößen gegen den Opferschutz

      Zwei Rügen wegen Verletzungen des Opferschutzes wurden gegen BILD.DE ausgesprochen. Im ersten Fall hatte die Redaktion unter der Überschrift ‚Diese Liebe endete im Blutbad‘ über eine Beziehungstat berichtet, bei der ein junger Mann seine Freundin umgebracht und dann sich selbst das Leben genommen hatte. Im zweiten Fall wurde unter dem Titel ‚Vater erstickte Kinder mit Bauschaum‘ über den Vorwurf gegen einen Mann informiert, seine beiden Kinder getötet zu haben. In beiden Artikeln wurden die Opfer mit Fotos identifizierend dargestellt. Ein öffentliches Interesse daran sah der Presserat nicht und stellte einen schweren Verstoß gegen den Opferschutz nach Ziffer 8 Richtlinie 8.2 fest.“

      Hierbei wird die Ziffer 1 des Pressekodex mit der grundlegenden Wahrung der Menschenwürde herangezogen. Die Ziffer 8.2 bezieht sich auf den Opferschutz. Eine Identifizierung durch ein Foto in der Berichterstattung sollte nur dann stattfinden, wenn das Opfer oder die Angehörigen dem zustimmen oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

      Der Großteil der Presseverlage in Deutschland hat sich verpflichtet, öffentliche Rügen des Presserates publik zu machen. 2020 sind von 53 ausgesprochenen Rügen 19 nicht von den betreffenden Presseorganen abgedruckt worden. Somit sind etwa ein Drittel aller Rügen unveröffentlicht geblieben (vgl. Deutscher Presserat 2021).

      Auf weitere Beurteilungen des Deutschen Presserates hinsichtlich der Angemessenheit von Bildveröffentlichungen wird anhand konkreter Beispiele im Verlauf des Bandes noch eingegangen. Darüber hinaus werden nachfolgend auch Richtlinien und Beurteilungskriterien der Medienselbstkontrollinstanz des Deutschen Werberates skizziert.

II Anwendungen

      4 Dokumentar- und Kunstfotografie

      Seit fast 200 Jahren suchen Fotografen nach neuen Techniken und Ausdrucksmöglichkeiten ihres Schaffens (vgl. Heine 2012). Auf Basis ihrer Ideen und Interessen widmen sie sich unterschiedlichen Stilformen und Themenfeldern. Dazu gehören u.a. die Porträt-, Körper-, Straßen- und Landschaftsfotografie (vgl. Kroth 1977, Roberts 2001, Rocholl 2002, Vorsteher/Quermann 2005, Rankin 2012, Bailey 2014, Haydn Smith 2019).

      In Kooperation mit Kameraherstellern liegen Bücher vor, die Amateuren technische Hinweise zur Erstellung von Aufnahmen u.a. im Bereich der Astro,- Architektur-, Reportage-, Sport-, Reise-, Pflanzen- und Tierfotografie geben (vgl. Kaeppeler 1979).

      Fotografen arbeiten freiberuflich oder fest für Magazine und Tageszeitungen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, für Parteien und neue soziale Bewegungen sowie kommerzielle Wirtschaftsunternehmen. Sie können Handwerker und Künstler sein, gesellschaftliche Missstände im Bild dokumentieren oder Auftragsarbeiten aus der Werbung oder dem Journalismus bearbeiten.

      Geschmacksurteile werden in Büchern vorgenommen, die Fotos so genannter Bausünden zeigen, da sie die Existenz ästhetisch misslungener Bauvorhaben dokumentieren. Die Architekturhistorikerin Turit Fröbe (2020 und 2021) hat individuell gestaltete Eigenheime mit Steingärten und öffentliche Betonbauten fotografiert, die als besonders hässlich wahrgenommen werden.

      Positive Beispiele für ästhetisch gelungene Aufnahmen von Prominenten finden sich hingegen in Fotobänden, die von Künstlern aus dem Kulturbereich gemacht worden sind, zu denen die Abgelichteten ein Vertrauensverhältnis


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