Bildethik. Christian Schicha

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Bildethik - Christian Schicha


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die Kulturwissenschaft, die Soziologie, die Philosophie, die Psychologie, die Semiotik, die Ästhetik, die Theologie, die Pädagogik sowie die Medien- und Kommunikationswissenschaft (vgl. Pichler/Ubl 2014). Die Bildwissenschaft beschäftigt sich weniger mit ethischen, sondern vorwiegend mit theoretischen und historischen Aspekten. Dabei geht es um Bildpraktiken in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, wobei ein grundlegendes Verständnis für alle Bildmedien entwickelt wird (vgl. Lobinger 2012).

      Die Visual Culture Studies hingegen verfolgen einen anderen Zugang. Sie

      „[…] unternehmen eher eine Kritik der Bilder, die gesellschaftliche Bildpraktiken und ihre Verflechtungen in postkoloniale, gender- und machttheoretische Aspekte. Daher resultiert auch eine unterschiedliche historische Orientierung: während die Bildwissenschaft entweder systematisch, sprich überzeitlich, oder historisch ausgerichtet ist, verstehen sich die Visual Culture Studies zuallererst als Kritik gegen die zeitgenössischen Bildkulturen. Ihre Aufmerksamkeit gilt daher vor allem der Gegenwart. Ein letzter, aber entscheidender Unterschied liegt in dem jeweiligen Gegenstandsbereich: während die Bildwissenschaften sich auf Bilder konzentrieren, gilt es den Visual Culture Studies um das deutlich weitere Feld des Visuellen, um visuelle Kulturen.“ (Rimmele/Sachs-Hombach/Stiegler 2014, S. 10)

      Insofern werden hierbei bereits Kritik- und Machtaspekte aus einer normativen Perspektive erörtert. Dabei wird das Forschungsfeld der Populär- und Alltagskultur berücksichtigt, das die Konzeption der Cultural Studies (Machart 2008) aufgreift. Danach kann Kultur als ein Feld von politischen Machtbeziehungen interpretiert werden, das soziale Identitäten wie Klasse, Geschlecht oder sexuelle Orientierung in die Analyse einschließt.

      Die Visual Culture Studies lassen sich in das „Verhältnis zur kulturellen Ebene von Gesellschaften setzen“ (Astheimer 2016, S. 58), da sie die entsprechenden Sinngehalte u.a. über Privatbilder, Werbeanzeigen und Illustrationen transportieren. Darüber hinaus sind kulturübergreifende Vergleiche in visueller Form über die Kanäle der Neuen Medien möglich. Seitz, Graneß und Stenger (2018, S. 1) zufolge

      „[…] können Bilder dank neuer Informations- und Distributionstechniken mit rasanter Geschwindigkeit über alle kulturellen Grenzen hinweg zirkulieren und dabei in verschiedenen kulturellen Kontexten unterschiedliche Effekte zeitigen“.

      Insofern werden Aufnahmen hier in einen weitergehenden kulturellen Zusammenhang gerückt. Wirkungen und Bedeutungen von Bildern und Praktiken des Bildes „sind eingebettet in gesellschaftliche Symbolsysteme, Normen, Praktiken und Machtkonstellationen etc.“ (Rimmele/Stiegler 2012, S. 9). Es wird untersucht, auf welche Weise Bilder Bedeutungen produzieren, etablieren und in Frage stellen. Zudem wird analysiert, in welchen unterschiedlichen Bereichen Bilder entstehen, wie sie rezipiert werden und welche Funktionen sie erfüllen (vgl. Helbig/Russegger/Winter 2014 a und b).

      2.3 Bild und Text

      ‚Bild schlägt Wort‘ ist die prägnante Bezeichnung einer These, die behauptet, dass die visuellen Eindrücke das gesprochene Wort dominieren und die Erinnerungsleistung von Medieninhalten stärker durch das Bild als durch den Text geprägt wird. Die Metapher der sogenannten Text-Bild-Schere besagt, dass die Aufnahmen z. B. beim Fernsehkonsum einen stärkeren Eindruck hinterlassen als der gesprochene Text. Ursprünglich sollten die Bilder nur unterstützend dazu beitragen, dass der Text besser verstanden wird. In empirischen Experimenten, bei denen TV-Magazinbeiträge rezipiert wurden, hat sich herausgestellt, dass sich die Aufmerksamkeit der Rezipienten stärker auf die gezeigten Bewegtbilder gerichtet haben als auf die Worte im Film. Die bildlichen Eindrücke konnten besser behalten werden als die Wortbeiträge. Dies galt besonders dann, wenn es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Wort und Bild gab. Dann erinnerten sich die Zuschauer häufig kaum an den Text, während der Inhalt der Bilder gut behalten wurde. Dennoch fühlte sich das Publikum subjektiv gut informiert. Insofern war hier auch eine Schere in Bezug auf die Wahrnehmung zu konstatieren (vgl. Wember 1991).

      In der Entwicklung des Menschen ist vor der Sprache zunächst die visuelle Wahrnehmung ausgeprägt. Berger (1996, S. 7) formuliert diese Tatsache wie folgt: „Sehen kommt vor Sprechen. Kinder sehen und erkennen, bevor sie sprechen können.“ Dabei folgt die Informationsaufnahme unmittelbar: „Bilder sind schnelle Medien, viel schneller als Worte. Denn sie können uns einen komplexen Sachverhalt sehr direkt vermitteln, ohne wirklich viel erklären zu müssen.“ (Doswald 2002, S. 7)

      Visuelle Kommunikation ist für die effektive Verarbeitung von Informationen zentral. Bilder lassen sich schneller wahrnehmen als verbale Botschaften. Sie erfordern eine geringere kognitive Anstrengung und können gut erinnert werden. In diesem Kontext wird von einem „Bildüberlegenheitseffekt (Picture Superiority Effect)“ (Bernhardt/Liebhardt 2020, S. 20) ausgegangen.

      Die Präsentation mit Bildern ist deshalb eingängiger als sprachliche Kommunikation, weil die in ihr enthaltene Interpretation des Geschehens nicht ohne weiteres widerspruchsfähig ist. Bilder erwecken hingegen den Eindruck einer unmittelbaren Wirklichkeitswiedergabe.

      Die Logik der Texte unterscheidet sich von der Logik der Bilder, da die Textlogik argumentativ und die Bildlogik assoziativ verläuft. Bild und Text sind deshalb aber nicht zwingend konkurrierende menschliche Ausdrucksformen, da sie sich wechselseitig aufeinander beziehen können und demzufolge für die Erfassung des Gesamtzusammenhangs voneinander abhängig sind (vgl. Müller/Geise 2003, Schicha/Vaih-Bauer 2015). Im Bild werden sämtliche visuellen Elemente gleichzeitig erfasst, während die sprachliche Schilderung „Handlungsakte und Ereignisse einer Geschichte nacheinander erzählt“ (vgl. Pandel 2008, S. 15).

      Bilder besitzen den weiteren Vorteil, dass sie unmittelbar verständlich sind, nicht in Fremdsprachen übersetzt werden müssen und somit einen konstruktiven Beitrag zur globalen Verständigung leisten können (vgl. Tappe 2016). Dennoch sind für die Entschlüsselung und Bewertung von Bildern weitere visuelle und ethische Kompetenzen erforderlich.

      2.4 Bildverwendung

      Mit Hilfe von Bildern lassen sich Sachverhalte auf vielfältige Weise präsentieren. Es können Dinge dargestellt werden, die den Blickwinkel des menschlichen Auges in Form von Luftaufnahmen, Fotomontagen und Rundsichten überschreiten. Der Einsatz von Bildtechniken ermöglicht neue Perspektiven durch Transformationen, Verzerrungen, Vergrößerungen und Verkleinerungen. Bilder über das „Werden des menschlichen Lebens im Mutterleib“ (Koetzle 2017, S. 434) durch Ultraschallaufnahmen schaffen Möglichkeiten für die Diagnostik zu medizinischen Zwecken (vgl. Geise/Brückmann 2015). Neben Röntgenaufnahmen können bildgebende Verfahren der Magnetresonanztomographie Aufnahmen aus Körpern des Menschen zeigen, die die Basis bei der Entscheidung ärztlicher Behandlungen schaffen.

      „Fotografien werden während des gesamten Lebenslaufs und von allen Lebenslagen gemacht, von der pränatalen Ultraschallaufnahme des Fötus bis zum Foto eines Verstorbenen auf dem Totenbett, von der Mikroaufnahme einer Körperzelle bis zum Blick in fremde Galaxien des Weltraumteleskops Hubble, von der Fotografie der Freizeitaktivitäten bis hin zum Foto politisch-diplomatischer Geheimverhandlungen. Fotografie ist fester Bestandteil sowohl der Kunst als auch der populären Kultur und des Alltags geworden.“ (Pilarczyk/Mietzner 2005, S. 14)

      Bilder können als Belege für einen Sachverhalt oder als Kunstwerke und historische Quellen in Erscheinung treten. Sie können als bemalte, gezeichnete, gestochene und belichtete Fläche auftreten und als grafische Sonderform wie der Karikatur, dem Plakat und dem Comic zur Darstellung gelangen.

      Bilder dokumentieren Sachverhalte in Form von Ereignissen, Personen, Gegenständen und Landschaften aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie zeigen ideal typischerweise, was der Fall ist. Gleichwohl verzerren sie die Proportionalität und reduzieren durch ihre Größe in der Regel den Ausschnitt, der aufgenommen worden ist. So ist üblicherweise das aufgenommene Foto kleiner als das eigentliche Motiv. Der umgekehrte Fall tritt bei Aufnahmen einer Zelle oder von Bakterien und Teilchen auf. Dann eröffnet das Foto eine Fülle von Details und zeigt


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