Erlebnispädagogik. Werner Michl

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Erlebnispädagogik - Werner Michl


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Held dieses Filmes sind inspiriert von Thoreau.

      Zwei seiner wichtigsten Bücher „Walden oder das Leben in den Wäldern“ (1854) und „Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat“ (1849) verbinden wie bei Rousseau eine pädagogische Praxis mit einer politischen Weltanschauung. Auf einer Seite befinden sich das Leiden am und der Widerstand gegen den ungerechten Staat auf der anderen die Natur als die große Erzieherin und Lehrmeisterin. Thoreau will ein Exempel statuieren und verlässt seine Heimatstadt Concorde am 4. Juli 1845, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag. Zweieinhalb Jahre bewohnt er seine selbst gebaute Hütte am Walden-See. Thoreau verbindet mit diesem Leben in der Wildnis mehrere Ziele. Er will erstens beweisen, dass Unabhängigkeit durch selbst gewählte Armut und einfaches Leben zu erreichen ist. Es braucht weder die kommunistische Utopie noch die kapitalistische Ideologie. Inspiriert von Ralph Waldo Emerson (1803–1882) stellt er sich zweitens auch grundlegende philosophische Fragen nach Freiheit und Fortschritt, dem Verhältnis des Menschen zur Natur, den eigentlichen Bedürfnissen des Menschen, nach Religion und Spiritualität. Drittens ist sein Walden-Aufenthalt auch ein ökonomisches Modell; zweieinhalb Jahre lebt er vom eigenen Anbau und vom Tauschhandel, in einer Welt ohne Geld. Viertens schließlich könnte man diese Zeit des Rückzugs auch als eine Wildnistherapie bezeichnen. Die Einsamkeit soll ihm helfen, den unerwarteten Tod seines Bruders zu verarbeiten. In fast mittelalterlichem Geist bereitet er sich selbst auf das Sterben vor, er will die „ars moriendi“ erlernen.

      „Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näherzutreten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hatte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen mußte, dass ich nicht gelebt hatte“ (Thoreau 1971, 184).

      So wird er zum Zeitkritiker und weltlichen Einsiedler, zum Anarchisten, der den Staat ablehnt, zum Begründer der Idee des zivilen Ungehorsams und stellt für heutige Ökologen, Friedensbewegte und Aussteiger ein Vorbild dar. Seine einsame Hütte am Walden-See schützt ihn vor den Ablenkungen und der Hektik der Stadt. Weit entfernt von der Zivilisation kommt er seiner Wahrheit näher:

      „Das meiste von dem, was man unter dem Namen Luxus zusammenfasst, und viele der sogenannten Bequemlichkeiten des Lebens sind nicht nur zu entbehren, sondern geradezu Hindernisse für den Aufstieg des Menschengeschlechts“ (26).

      Seine kritischen Fragen an den technischen Fortschritt sind heute noch aktuell: „Wir beeilen uns stark, einen magnetischen Telegraphen zwischen Maine und Texas zu konstruieren, aber Maine und Texas haben möglicherweise gar nichts Wichtiges zu besprechen“ (61).

      Thoreau zeigt, dass man sein Leben fast von heute auf morgen ändern kann und nicht auf jene besseren Zeiten warten muss, die Kommunismus und Kapitalismus versprechen. Dabei ist sein Weg in die Natur und die Wälder immer auch ein Weg ins eigene Selbst. Er ist Romantiker, der sich vom Walden-See inspirieren lässt, und zugleich Wissenschaftler, der den Dingen auf den Grund geht: „Die Ufer sind die Lippen des Sees, auf welchen kein Bart wächst. Er leckt sie von Zeit zu Zeit ab“ (184). Und:

      „Es ist merkwürdig, wie lange die Menschen an die bodenlose Tiefe eines Sees zu glauben pflegen, ohne sich die Mühe zu machen, ihn zu messen. … Ich nahm die Tiefenmessung mühelos mit Bindfaden und einem ungefähr anderthalb Pfund schweren Stein vor, dabei konnte ich genau sagen, wann der Stein den Grund verließ, weil ich dann um so fester anziehen mußte, ehe das Wasser darunterfloß, mir zu helfen“ (280).

      Das Streben nach Reichtum betrachtet Thoreau als eine Gesellschaftsneurose. Arbeit schafft Wohlstand, dann werden Bedürfnisse geweckt und der Konsum steigt – und dies in einer immer schnelleren Folge. Wer sich verschuldet, wird abhängig vom System. Dagegen postuliert Thoreau: „… die Lebensbedürfnisse der Seele kosten kein Geld“ (319).

      In seinem pädagogischen Konzept finden sich viele Ähnlichkeiten zu Rousseau: „Jedes Kind fängt im gewissen Sinn die Welt von vorne an und ist am liebsten im Freien, selbst bei Nässe und Kälte“ (119). Wie im „Émile“ und wie bei „Robinson Crusoe“ sollen Jagd und Sammeln prägen: „Man kann nur den Jungen bemitleiden, der nie eine Flinte losschießen durfte; er ist darum nicht humaner, nein, seine Erziehung wurde schwer vernachläßigt“ (212). Aber auch im Spiel erfassen die Kinder die Wirklichkeit und erkennen naturwissenschaftliche Gesetze: „… die Kinder, die das Leben spielen, erfassen seine Gesetze und Beziehungen richtiger als die Erwachsenen, die nicht fertig bringen, es würdig zu leben, sich aber durch Erfahrung, d. h.: das Fehlschlagen ihrer Pläne, für weise halten“ (103).

      Merksatz

      Thoreau war ein Aussteiger, Pädagoge, Poet und letztlich auch ein Tiefenpsychologe des 19. Jahrhunderts, der allen unnötigen zivilisatorischen Ballast auf dem Weg zum Unbewussten, zur Erkenntnis und zum geglückten Leben abwerfen will. Er wirkt v. a. durch seine Erlebnisse und Erkenntnisse, die er in seinen Tagebüchern aufgezeichnet hat. Sein Rückzug an den Walden-See wird später zum Muster für das Solo-Experience: einige Tage und Nächte allein in der Natur verbringen. Er ist tief im Bewusstsein der amerikanischen Adventure Education verankert.

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