Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement. Группа авторов

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Gruppen bereits wie ein roter Faden durch die Agenda 21. Darüber hinaus werden explizit neun verschiedene Gruppen hervorgehoben, die einer besonderen Stärkung bedürfen. Hierzu gehört u.a. die Privatwirtschaft, die in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung eines jeden Landes eine zentrale Rolle spielt (Agenda 21, Kap. 30, in: BMU o.J.).

      Diese explizite Ausrichtung der Agenda 21 auf den gesellschaftlichen Diskurs trägt sowohl dem offenen Nachhaltigkeitsleitbild wie auch der begrenzten Fähigkeit zur Analyse komplexer systemischer Zusammenhänge Rechnung und macht deutlich, dass jede Gesellschaft für sich selbst beantworten muss, was eine nachhaltige Entwicklung konkret für sie bedeutet und wie sie erreicht werden kann. Die Umsetzung muss daher auf den verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen (Nation, Land, Region, Gemeinde etc.) durch kontinuierliche zukunftsbezogene, gesellschaftliche Such-, Lern- und Verständigungsprozesse gekennzeichnet sein (s. EK 1998).

      Wenngleich eine nachhaltige Entwicklung globale Lösungsansätze erfordert, wird der lokalen und regionalen Ebene eine Schrittmacherfunktion zugesprochen (s. SRU 1996), denn ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen müssen in einem wechselseitigen Prozess kontinuierlich aufeinander abgestimmt werden.

      Für die notwendige Konsensbildung werden kleinräumige Einheiten als besonders geeignet angesehen, was sich durch die räumliche Nähe erklären lässt. Zum einen sind hier die Folgen des individuellen Handelns am ehesten erfahrbar, wodurch das Problembewusstsein und die Handlungsmotivation bei den politischen Akteuren erhöht werden. Zum anderen haben auch die Akteure untereinander im Allgemeinen eine größere Nähe zueinander und sind teilweise sogar über persönliche Netzwerke miteinander verbunden, so dass sich partizipative Lösungsprozesse leichter organisieren lassen (s. Jung et al. 1997).

      In der Agenda 21 werden deshalb auch die Kommunen explizit aufgefordert, die notwendigen Konsultationsprozesse zu beginnen und „in einen Dialog mit den Bürgern, den örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft einzutreten“ (Agenda 21, Kapitel 28, in: BMU o.J.). Zahlreiche Kommunen sind diesem Aufruf früh gefolgt und die Lokalen Agenda 21-Prozesse sind zu einer weltweiten Bewegung geworden. In Deutschland haben über 2600 Städte und Gemeinden den Beschluss zur Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21 gefasst. Allerdings ist eine bundesweite Koordinierung durch die Auflösung der erst 2002 eingerichteten bundesweiten Servicestelle Lokale Agenda 21 ins Stocken geraten.

      Die kollektive Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse stellt an alle gesellschaftlichen Akteure in ihren jeweiligen Handlungsfeldern große Herausforderungen. Stark vereinfacht lassen sich diese aus den grundlegenden konzeptionellen Beiträgen herausarbeiten, die verschiedene Expertengruppen in den 1990er Jahren erarbeitet haben und die auch heute noch als richtungweisend gelten (s. insbesondere EK 1994, 1997, 1998; SRU 1994, 1996, 1998; UBA 1997; BUND und Misereor 1996, s. auch OECD, UNDP 2002; OECD 2006).

      Diese werden im Folgenden für die in der Governance-Diskussion herausgearbeiteten drei bedeutsamen Akteursgruppen Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft/Unternehmen (z. B. Fürst 2001) skizziert, ergänzt um die Gruppe der Wissenschaft.

      In erster Linie ist die Politik als gestaltende und gleichzeitig aktivierende Kraft gefragt, von der Funktionsfähigkeit bzw. Tragfähigkeit der Ökosysteme ausgehend, den Rahmen bzw. die „Leitplanken“ vorzugeben, innerhalb derer sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse nachhaltig entwickeln können.

      Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es daher, entsprechende Ziele zu definieren. So wird auch in der Agenda 21 bereits die Integration von Umwelt- und Entwicklungszielen in politische Entscheidungsfindungen als eine wesentliche Voraussetzung herausgestellt (Kap. 8 in: BMU o.J.).

      Grundlegende konzeptionelle Arbeiten zur Ausgestaltung der Zieldiskurse haben die Enquête-Kommissionen des 12. und 13. Bundestages geleistet (EK 1994, 1997, 1998). Diese konzentrieren sich vornehmlich auf den bis dahin am weitesten entwickelten Umweltbereich und sehen u.a. eine systematische Unterscheidung zwischen politischen Umweltzielen, wissenschaftlich begründeten wirkungs- bzw. schutzgutbezogenen Umweltqualitätszielen und akteurs- bzw. belastungsbezogenen Umwelthandlungszielen vor. Theoretisch wurde hiermit eine konzeptionelle Brücke zu standardisierten Umweltmanagementsystemen geschaffen (s. weiterführend dazu z. B. Kanning 2008), die aber bis heute im Umweltrecht nicht verankert ist und auch in der Praxis kaum ausgefüllt wird.

      Neben den Zielen sollten Politik und Verwaltung geeignete Indikatoren entwickeln sowie die hierfür erforderlichen Daten bereithalten, um den Weg zur Nachhaltigkeit messbar zu machen. In Kapitel 40 der Agenda 21 wird hierzu ein abgestimmtes Vorgehen von der globalen über die nationalen bis zu den regionalen bzw. lokalen Ebenen empfohlen. Auf der internationalen Ebene hat die Kommission der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung (Commission on Sustainable Development – CSD) als maßgeblicher Akteur eine Indikatorliste erarbeitet. Daneben findet sich auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene eine Vielzahl spezifischer Indikatorkataloge. Bis heute stehen diese aber weitgehend unverbunden nebeneinander. Eine Übersicht über die verschiedenen Diskussionslinien und Beiträge bietet das Lexikon der Nachhaltigkeit (www.nachhaltigkeit.info).

      Als weitere Prozesselemente sollten kontinuierliche Monitorings und Evaluierungen dienen, mit denen ebenfalls ein Abgleich mit den gesteckten Zielen erfolgen sollte.

      Entsprechend liefern für Deutschland die Daten des Statistischen Bundesamtes, des Umweltbundesamtes und schlaglichtartig auch das Umweltbarometer, mit dem kontinuierlich über die Entwicklung ausgewählter Schlüsselindikatoren in Relation zu umweltpolitischen Zielvorstellungen berichtet wird, wichtige Informationen für die Prozessgestaltung.

      Die vorstehend aus den Expertenempfehlungen skizzierten Elemente zur Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse sind zwar für die nationale Ebene konzipiert, lassen sich aber prinzipiell auf die regionale und lokale Ebene übertragen (s. z. B. SRU 1998).

      Eine inhaltliche Konkretisierung sollte – dem Subsidiaritätsprinzip gemäß – vom Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ausgehend mit zunehmender Differenzierung bzw. relevantem Problemfeld auf den jeweils dafür geeigneten Ebenen erfolgen. Gleichfalls sollten die verschiedenen Ebenen natürlich aufeinander abgestimmt bzw. im Gegenstromprozess entwickelt werden, wie es Abbildung 1.4 zusammengefasst darstellt.

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      Abb. 1.4 Elemente zur Gestaltung partizipativer Nachhaltigkeitsdiskurse (Quelle: Kanning 2005, S. 169).

      In der Praxis findet eine entsprechende systematische Entwicklung heute teilweise auf einzelnen Ebenen statt. Allen voran haben sich zunächst hauptsächlich die Kommunen in Lokalen Agenda 21-Prozessen auf entsprechende Wege begeben und mit unterschiedlichem Engagement auch die Bundesländer, relativ früh z. B. Baden-Württemberg (MUV o.J.). Für die nationale Ebene wurde die Nachhaltigkeitsstrategie mit nationalen Zielen und Indikatoren erst relativ spät entwickelt (BR 2002a, vgl. Kap. 1.1). Was bis heute fehlt, ist eine ebenenübergreifende, koordinierte Entwicklung.

      Das Nachhaltigkeitskonzept stellt auch die Wissenschaft vor große Herausforderungen. Denn gefragt ist ein neues Wissenschaftsverständnis, das sich nicht mehr auf Werturteilsfreiheit beruft, sondern sich auf die konkreten Probleme der Gesellschaft ausrichtet. Dieses erfordert zum einen das Überschreiten disziplinärer Grenzen und zum anderen einen Paradigmenwechsel in Richtung einer „Post-normal Science“ (Funtowicz und Ravetz 1993). So bilden sich in der Nachhaltigkeitsforschung neue „transdisziplinäre“ (s. z. B. Brand 2000) Ansätze und Förderpolitiken heraus – wie z. B. die sozial-ökologische Forschung (www.sozial-oekologische-forschung.org) –, die sich unabhängig von einzelnen disziplinären


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