Die NATO. Falk Ostermann

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Die NATO - Falk Ostermann


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214f.; Schöllgen 2013b, 26ff.).

      Die zweite Berlinkrise begann 1958, als ChruschtschowChruschtschow, Nikita erneut die Entmilitarisierung Berlins forderte, um sich der westlichen Truppen inmitten der DDR zu entledigen und die Westalliierten zu einem FriedenFriedensvertrag zu zwingen, der die DDR anerkennen, die Besatzung beenden und so die westalliierten Truppen nach Hause schicken würde. Die BRD hielt von diesem Angebot nichts, weil sie sich damit der alliierten Sicherheitsgarantien der NATO hätte entledigen müssen. Gespräche zwischen den vier Mächten führten zu keinem Ergebnis. Der neue US-Präsident John F. KennedyKennedy, John F. machte nach seinem Amtsantritt im Januar 1961 klar, dass es eine US-amerikanische militärische Präsenz in Berlin geben würde, dass Berlin einen Zugang zur BRD haben müsse und dass die Stadt selbstbestimmt leben können müsse, dass also Berliner*innen nicht erneut als Geiseln gebraucht werden dürften wie zuletzt 1948/49 (KennedyKennedy, John F.s three essentials). 1963 bekräftigte er dieses Bekenntnis mit seinem berühmten Satz „Ich bin ein Berliner!“. In der Zwischenzeit erfolgte allerdings mit dem Mauerbau vom 13. August 1961 die Abriegelung Westberlins, die auch von Seiten der UdSSR einer Absage an die IdeeIdeen (Konzept) einer baldigen deutschen Einheit unter neutralem Status gleichkam. Die Situation blieb nach dem Mauerbau angespannt und im Oktober 1961 kam es zur ebenfalls berühmten Konfrontation sowjetischer und US-amerikanischer Panzer am Checkpoint Charlie, als dort US-Soldat*innen und Diplomat*innen trotz des vereinbarten freien Grenzverkehrs kontrolliert werden sollten. ChruschtschowChruschtschow, Nikita und KennedyKennedy, John F. mussten sich persönlich einschalten, um die Situation zu entspannen. Die Situation endete schließlich, weil ChruschtschowChruschtschow, Nikita aufgrund der US-amerikanischen nuklearen Überlegenheit kein ultimatives Druckmittel in der Hand hatte. Im Herbst 1962 wurde aber als Folge der Niederlage in Berlin erneut Druck auf die Westmächte aufgebaut, als die KubaKuba(krise)krise ausbrach und so diese Unterlegenheit wettgemacht werden sollte (s. Abschnitt 3.4; Münger 2003, Kap. 2; Schöllgen 2013b, 70ff.; Wettig 2005).

      3.4 Nuklearstrategien: Abschreckung, massive Vergeltung, Kuba, und flexible response

      3.4.1 Die Entwicklung der nuklearen Abschreckung: Grundsätze und massive Vergeltung

      Es wurdeAbschreckung (nuklear) bereits abmassive Vergeltung Mitte derflexible response 1950er Jahre deutlich, dass das alliierte Ziel der 90 einsatzbereiten Divisionen nicht gehalten werden konnte. Daher spielten NuklearwaffenAtomwaffen1 früh eine Rolle in den VerteidigungsplanungVerteidigungsplanungen der NATO (Bockenförde 2013, 37ff.; Pedlow 1997, XVII). Dabei ging es zunächst weniger um atomare LangstreckenraketeLangstreckenraketeICBM (Nuklearwaffe)n (Inter-Continental Ballistic MissileICBM (Nuklearwaffe)s, ICBMICBM (Nuklearwaffe)s), die sich noch in der Entwicklung befanden, sondern primär um den Einsatz von Langstreckenbombern. Während die vorhergehenden strategischen Konzeptestrategische Konzepte der NATO bisher nur verklausuliert den Einsatz von AtomwaffenAtomwaffen vorsahen, formulierte das 1957er Strategische Konzept erstmals klar die Prinzipien zur Nutzung von NuklearwaffenAtomwaffen: AtomwaffenAtomwaffen sollten nicht als erstes Mittel eingesetzt werden, aber ihr Einsatz war in der Verteidigungsdoktrin auch nicht ausgeschlossen (NATO 1957; Bockenförde 2013, 40). So sollte die NATO nach Auffassung des US-amerikanischen Außenministers John Foster DullesDulles, John F. eine Politik verfolgen, „AtomwaffenAtomwaffen als konventionelle Waffen gegen die militärischen Ziele des Gegners anzusehen, wo und wann auch immer das vorteilhaft sein würde.“ (DullesDulles, John F., zitiert nach Pedlow 1997, XVII). Dies sei mit Blick auf die konventionelle Unterlegenheit der NATO in Europa nur folgerichtig (NATO 1957, 9, Art. 13.c).

      NebenAbschreckung (nuklear) diesen ÜberlegungenNuklearstrategie zum Einsatz von NuklearwaffenAtomwaffen auf dem Gefechtsfeld oder zumindest der AbschreckungAbschreckung (nuklear) durch sie2 stellt das Strategische Konzept von 1957 eine Doktrin der massiven Vergeltungmassive Vergeltung (massive retaliationmassive retaliationmassive Vergeltung) auf. Den Schlüssel zur Vermeidung eines totalen nuklearen Kriegs sahen die Planer*innen in der Sicherstellung einer ZweitschlZweitschlagsfähigkeitagsfähigkeit (Brodie 1959, Kap. 6). Der Einsatz von NuklearwaffenAtomwaffen durch die Sowjetunion wurde so lange als unwahrscheinlich angesehen, wie der Westen sicherstellen konnte, dass ein russischer Erstschlag zur massiven Zerstörung der UdSSR durch westliche ZweitschlZweitschlagsfähigkeitäge führen würde (NATO 1957, 11, Art. 18). Gleichzeitig wurde aufgrund dieser beiderseitigen Gefahr davon ausgegangen, dass sowjetische Aktionen häufig kleinerer und konventioneller Natur sein würden, um bewusst einen totalen Nuklearkrieg zu vermeiden. Folglich mussten dadurch erhebliche konventionelle Verteidigungskräfte aufrechterhalten werden, was sozusagen die europäische Gegenleistung zur US-amerikanischen Nuklearkapazität war. Die NATO-Strategie war somit nicht eine reine massive Vergeltungmassive Vergeltungsstrategie, aber die Möglichkeit zur Begrenzung von Kriegen, also solchen ohne Einsatz von strategischen NuklearwaffenAtomwaffen mit ihren enormen Folgen für Zerstörung und Menschenleben, wurde gleichzeitig als schwierig angesehen, weil man sich so strategisch seines effektivsten, nuklearen Vorteils beraubte (Brodie 1959, 309ff.; Pedlow 1997, XX).3 Die konventionellen Kräfte sollten deutlich machen, dass ein Angriff der Sowjetunion den gefährlichen Weg in einen totalen, nuklearen Krieg bedeuten würde (Snyder 1961, 6, 126ff.). Sie hatten also eine Stolperdrahtfunktion (engl. tripwire, s. Brodie 1959, 252f.), die der Nuklearstratege Herman Kahn (1960, 34ff.) auch als eine Form der AbschreckungAbschreckung (nuklear) (deterrenceAbschreckung (nuklear)) ansah, weil sie auf den Zusammenhalt und Entschlossenheit der/des Bedrohten gegenüber zu aggressivem Verhalten eines Gegners beruht. Ein gutes Stück der nuklearen AbschreckungAbschreckung (nuklear)sdoktrin basiert somit auf den Prinzipien der Unsicherheit, was bei ihrem Einsatz ausgelöst werden würde (Deudney 2018, 338f.; Snyder 1961, 27ff.), und der Glaubwürdigkeit sowie Überlegungen zu Zielen und möglichen Handlungen des Gegners (Snyder 1961, 12ff.). Bockenförde (2013, 29) beobachtet, dass durch diese Form der AbschreckungAbschreckung (nuklear) seit den 1960er Jahren eine gewisse Stabilität der Auseinandersetzung entstand (s. auch Deudney 2018, 340). Hew Strachan erläutert, dass dies daran liegt, dass Strategie im Nuklearzeitalter kriegsverhindernd und somit zu gewissen Teilen passiv sein musste:

      „The meaning of strategy had now changed. Conventional strategy was a strategy of action; it prepared for war and then implemented those preparations. Nuclear strategy was a strategy of dissuasion; it prevented war.“ (Strachan 2005, 43)

      Snyder nutzt auch die Gegenüberstellung von AbschreckungAbschreckung (nuklear) und Verteidigung, um auf die neue Sicherheitssituation im nuklearen Zeitalter hinzuweisen:

      „Essentially, deterrenceAbschreckung (nuklear) means discouraging the enemy from taking military action by posing for him a prospect of cost and risk outweighing his prospective gain. Defense means reducing our own prospective costs and risks in the event that deterrenceAbschreckung (nuklear) fails.“ (Snyder 1961, 3)

      Somit ergibt sich auch die Konsequenz, dass AbschreckungAbschreckung (nuklear) bereits zu FriedenFriedenszeiten stattfindet, Verteidigung aber erst im Krieg (Snyder 1961, 4). Wenngleich es also insgesamt eher um Kriegsverhinderung ginge, sei die wichtigste Form der AbschreckungAbschreckung (nuklear) immer noch sehr aktives militärstrategisches Planen und Rüsten, sowohl im nuklearen als auch im konventionellen Bereich (Kahn 1960, 18ff.).

      Die Verschiebung zu einer auf nukleare AbschreckungAbschreckung (nuklear) fokussierten Strategie der NATO fand parallel zur Entwicklung der akademisch-strategischen Diskussion darüber graduell ab Mitte der 1950er Jahre statt und setzte darauf, Krieg gar nicht erst stattfinden zu lassen, weil er am Ende des Tages im Nuklearzeitalter zu gefährlich war (Brodie 1959, Kap. 8; Niedhart 2014, 12). Die meisten NATO-Partner sahen in konventionellen Kräften die Garantie einer glaubwürdigen TerritorialverteidigungTerritorialverteidigungLandesverteidigung, während andere aus Kostengründen stärker auf nukleare AbschreckungAbschreckung (nuklear) setzten, vor allem bis zur russischen Entwicklung der AtombombeAtomwaffen (Pedlow 1997, XIX; s. auch Brodie 1959, 201f.; Snyder 1961, 44, 46f., 121; Heuser 1995, 53f.).4 Die AbschreckungAbschreckung (nuklear)sdoktrin sollte ultimativ die Intentionen des Gegners im eigenen Sinne beeinflussen. Gefechtstaktiken mit nuklearen Elementen wurden von den Alliierten aber dennoch durchdacht, um im Angriffsfall der konventionellen Überlegenheit der Sowjetunion etwas entgegensetzen zu können. Die Strategie der NATO wird daher häufig als ein Zwitter aus einem amerikanisch-britischen nuklearen Schwert und


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