Das gefallene Imperium 10: Um jeden Preis. Stefan Burban
Читать онлайн книгу.Hauptplaneten vor, der von einer Kampfgruppe aus etwa dreißig noch funktionstüchtigen Jagdkreuzern mit offenbar nicht infizierten Hinradybesatzungen verteidigt wurde.
Garner schüttelte leicht den Kopf. Es gab eine klar definierte Grenze zwischen Mut und schierer Sturheit. Die Hinrady mussten wissen, dass sie nicht die geringste Chance hatten. Dennoch hielten sie im Namen ihrer Meister die Stellung bis zum bitteren Ende.
Garner und dessen Gefolge war dies nur recht. Sie hatten nicht die geringste Absicht, Nachsicht walten zu lassen. Dafür bestand auch kein Grund nach allem, was geschehen war.
Die Hinrady schleusten ihre Jäger aus und diese bildeten vor der eigentlichen Formation eine Abwehrlinie.
Garners Verband verfügte über zwölfhundert Schiffe und konnte Hunderte Jäger ins Gefecht werfen. Der Admiral neigte nicht zu Arroganz oder Überheblichkeit, nicht wenn es darum ging, einen Feind einzuschätzen. Doch dieses Mal war er von vornherein sicher, dass der Ausgang der Konfrontation bereits feststand.
Master Sergeant Tian Chung hörte, wie sich irgendwo hinter ihm jemand lautstark übergab. Die Geräusche waren nicht dazu angetan, seine eigene Übelkeit zu ignorieren.
Rinaldi hatte ihm die strikte Order gegeben, die Hände vom Alkohol zu lassen. Und … nun ja … Tian war in dieser Hinsicht nicht unbedingt der folgsame Typ. Sein Hals fühlte sich an wie ein Reibeisen und sein Kopf dröhnte, als wäre ein Hochgeschwindigkeitszug darüber hinweggerollt.
Die Legionäre saßen eingezwängt in ihren Sitzen an Bord des Truppentransporters. Zu Tians Rechter saß Nico Keller und zu seiner Linken Antonio Jimenez. Der deutliche Verdacht überkam ihn, Rinaldi hatte die beiden Soldaten dazu angestiftet, für Tian die Kindermädchen zu spielen. Er wusste nicht, ob er darüber insgeheim erleichtert oder doch eher sauer reagieren sollte.
Um sich abzulenken, klinkte Tian sich in die Helmkamera des Piloten ein. Dieser besaß einen ungehinderten Blick auf die Geschehnisse außerhalb des Truppentransporters.
Im ersten Moment, nachdem die Verbindung etabliert war, spürte der Sergeant eine Sekunde der Desorientierung. Sie legte sich aber schnell und Tian fand sich inmitten einer blutigen Schlacht wieder.
Knapp oberhalb des Cockpits des Transporters zog ein Dreadnought majestätisch vorüber, den er als die Sir Francis Drake identifizierte.
Garners Flaggschiff bezog eine Position zwischen den angreifenden Truppentransportern und den noch aktiven Hinradyeinheiten. Während Tian zusah, zerlegten die Bordgeschütze des Kriegsschiffes nacheinander drei feindliche Jagdkreuzer. Nach einer oberflächlichen Begutachtung bemerkte Tian, dass sich in unmittelbarer Nähe des Orbits keine feindlichen Einheiten mehr befanden, die über Bedrohungspotenzial verfügten. Dafür gab es eine Menge Trümmer. Viele davon waren noch als Teile feindlicher Schiffe identifizierbar.
Weitere terranische Einheiten nahmen nahe dem Orbit Gefechtsstellungen ein, um den Planeten zu sichern. Widerstand gab es zu diesem Zeitpunkt kaum noch. In der Ferne konnte Tian das Aufblitzen von Geschützfeuer und Laserentladungen ausmachen. Teile terranischer Verbände waren dabei, den Gegner vor sich herzutreiben. Oder besser gesagt das, was von den hiesigen Wachgeschwadern noch übrig war. Wenn es am Boden genauso aussah, würde dies eine extrem kurze Offensive werden.
»Beeindruckend, nicht wahr?«, vernahm er plötzlich eine bekannte Stimme in seinem Helm.
»Major«, grüßte er Rinaldi in rauem Tonfall. Der Kohortenkommandeur hatte sich unbemerkt in seine Verbindung eingeklinkt. »Ähm … ja«, ging der Sergeant erst danach auf den Kommentar seines Befehlshabers ein. »Sehr beeindruckend. Haben wir Informationen, wie es auf dem Boden aussieht?«
»Keine verlässlichen«, gab Rinaldi zu. »Aber wenn das Virus dort genauso gehaust hat wie unter diesen Besatzungen, dann hat das Ganze wenig mit einer Schlacht, sondern vielmehr mit Aufräumarbeiten zu tun.«
Tian schnaubte, was Rinaldis Zögern zur Folge hatte. Wie alle hatte auch Tian mittlerweile zumindest Gerüchte über das von Cest entwickelte Virus gehört. Er war aber nicht ganz sicher, was er davon halten sollte und wie viel Wahrheitsgehalt in den Gerüchten steckte.
»Sie sind nicht mit der Vorgehensweise einverstanden?«, hakte der Major nach.
Tian dachte eine Weile über die Frage seines Kommandanten nach. »Doch, schon. Ich frage mich nur ernsthaft, ob es wirklich derart einfach sein kann. Ich warte die Ganze Zeit darauf, dass die Flohteppiche noch ein letztes Ass aus dem Ärmel ziehen.«
»Auch denen muss irgendwann mal das Glück ausgehen. Und wir brauchen einen Vorteil, um diesen Krieg endlich zu gewinnen.«
Tian dachte an Francine zurück. Die Wut hielt ihn fest in seinem Griff. Er hörte immer noch das Knacken ihrer Knochen über Funk, als sie sich im unerbittlichen Griff ihres Peinigers befunden hatte. Und seine Stellvertreterin war nur eines von vielen, vielen Opfern, die dieser Krieg gefordert hatte. Es wurde wirklich allerhöchste Zeit, ihn zu einem Ende zu bringen. Und Tian war überaus stolz, Teil dessen sein zu dürfen.
Ein Energiestrahl fegte von der Oberfläche herauf und trennte einen Truppentransporter sauber wie mit einem Skalpell in der Mitte durch. Beide Bruchstücke fielen an Tians Schiff vorbei Richtung Oberfläche. Legionäre und Ausrüstung stürzten aus dem Wrack heraus.
»Anscheinend sind einige Hinrady noch übrig«, meinte Rinaldi. Dessen Stimme hörte sich seltsam kühl und unbeteiligt an. Tian fragte sich, ob er sich für andere auch derart abgeklärt eiskalt anhörte. Vielleicht. Unter Umständen brachte das der Krieg so mit sich.
Weiteres Abwehrfeuer schlug den angreifenden terranischen Bodentruppen entgegen, jedoch wesentlich weniger, als es Piloten und Legionäre von früheren Operationen her gewohnt waren. Der Pilot von Tians Transporter schaltete für einen Moment den Antrieb vollständig aus und ging mit dem Schiff in den freien Fall über, um dem Gegner das Zielen zu erschweren.
Tians Magen machte einen Satz. Diesen Teil einer Landeoperation hasste er am meisten. Man wusste nie, würde der Sturz enden oder mit dem Aufprall auf dem Boden einhergehen. Doch auch dieses Mal ging alles glatt. Erst wenige Hundert Meter über dem Boden fing der Pilot den kontrollierten Absturz auf, indem er den Antrieb reaktivierte und auf vollen Gegenschub ging. Der Rest war nur noch Routine.
Das Schiff sank sanft herab, bis es knapp fünf Meter über dem Boden schwebte. Die Luken gingen zischend auf.
Rinaldi erhob sich und nahm das Nadelgewehr auf. »Zeit, dass wir unseren Sold verdienen. Und wollen wir hoffen, dass dies der Anfang vom Ende für die Nefraltiri und ihre Gefolgsleute sein wird.«
Die erste terranische Einheit, die nach dem Fall von Sultanet wieder den Fuß auf den Boden des republikanischen Planeten setzte, war die 5. Fernaufklärungslegion unter dem Kommando von Lieutenant Colonel Amanda Carter.
Es gab keinen nennenswerten Widerstand. Nichts, was man in diese Kategorie einordnen mochte. Carter machte ein paar vorsichtige Schritte und wunderte sich im selben Moment, warum der Boden unter ihren Stiefeln knirschte. Sie sah nach unten und erst jetzt bemerkte sie, dass sie auf den Leichen von Jackury stand. So weit das Auge reichte, war die Ebene übersät mit den toten Insektoiden. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, es handele sich um ein gigantisches Schlachtfeld. Nur, dass es keinerlei Anzeichen von Waffeneinsatz gab. Die Jackury, so schien es, waren schlichtweg tot vom Himmel gefallen.
Carter gab ihren Leuten mittels Handzeichen Befehle und die Legionäre der 5. FAL schwärmten gehorsam aus, ständig mit einem Hinterhalt rechnend. In der Ferne zeichneten sich die Ruinen der Stadt Orel ab. Die Metropole hatte furchtbar gelitten. Carter erinnerte sich noch gut. Ihre Legion hatte bei der Verteidigung geholfen. Es war eine der Städte gewesen, die man mit knapper Not hatte zum überwiegenden Teil evakuieren können, bevor sie an den Feind gefallen waren. Nicht alle Bevölkerungszentren Sultanets hatten dieses Glück gehabt.
Weitere Truppentransporter landeten. Die republikanischen Legionen nahmen Aufstellung und schlossen sich dem Vormarsch an. Carter konnte sich nicht helfen, aber sie war irgendwie enttäuscht. Sie hatte sich die Rückeroberung Sultanets anders vorgestellt. In gewissem Sinne … ruhmreicher. Glanzvoller. Und vor allem hatte sie sich darauf