Die kapitalistische Gesellschaft. Boike Rehbein

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Die kapitalistische Gesellschaft - Boike Rehbein


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heißt Förderung des Wachstums, indem Kosten gesenkt und Absatzmöglichkeiten erweitert werden. Die Steuergesetze der meisten Staaten sollen dazu dienen, Investitionen zu fördern. Wo die Unternehmen investieren, bleibt ihnen überlassen. Unternehmenskredite werden verbilligt, die öffentliche Nachfrage wird gestärkt und die Arbeitnehmer werden zur Zurückhaltung bei Lohnforderungen gedrängt. Dadurch soll das Wachstum angekurbelt werden, in Wahrheit werden aber nur die Profite gesteigert.

      3.3 Großunternehmen und Konkurrenz

      Der Kapitalismus zeichnet sich durch eine Organisation des „Marktes“ oder der „Wirtschaft“ aus, die vorrangig dazu dient, den Profit der Kapitaleigner zu sichern. Dabei konkurrieren die Kapitaleigner miteinander und müssen sich gegen Aufsteiger, also gegen Konkurrenz von unten, zur Wehr setzen, um ihre soziale Position zu bewahren. Die Konkurrenz reicht oft sogar in die Familien der herrschenden Klasse hinein. Sie sorgt für eine ständige Instabilität des Systems und einen Zwang zur Expansion. Im Bereich der kapitalistischen Wirtschaft hingegen ist die Konkurrenz minimal. Die Rechtfertigung des Kapitalismus als effizienter Wirtschaftsform wegen marktförmiger Konkurrenz trifft auf ihn nicht zu.

      Die zentralen Bereiche der kapitalistischen Wirtschaft sind im Wesentlichen Monopole oder Oligopole: Die Großunternehmen sind entweder durch Absprachen oder durch direktes oder indirektes Eigentum miteinander verbunden. Die frühen Großunternehmen, von den niederländischen und englischen Kolonialgesellschaften bis zu den amerikanischen Eisenbahn- und Ölgesellschaften, hatten Monopole inne, zumindest für ein bestimmtes Territorium. Wenn der Staat eine Konkurrenz erlaubte, wurde sie durch Verschmelzung der Unternehmen oder Zerstörung des Konkurrenten aufgehoben. Heute scheinen in jedem großen Bereich der Wirtschaft – Finanz, Autos, Chemie, Maschinen, Computer, Software – mehrere Großunternehmen gegeneinander zu konkurrieren. Wir werden jedoch weiter unten sehen, dass fast alle heutigen Großunternehmen der Welt sich gegenseitig gehören. Sie bilden ein einziges Konglomerat mit dem Ziel, den größtmöglichen Profit für eine winzige Zahl von Teilhabern zu generieren. Das wird in den Medien, von der Politik und durch die Wissenschaft verdeckt, die vom „Markt“ reden. Auch rechtlich wird der Anschein einer Konkurrenz erzeugt, indem das Kartellamt überall die Existenz mehrerer Unternehmen fordert – dass sie einander besitzen und allesamt von einer kleinen Gruppe von Kapitalisten besessen werden, spielt keine Rolle. Damit verklärt das Kartellamt faktische Monopole zu legalen Oligopolen.

      Einen Wettbewerb zwischen den Großunternehmen gibt es nicht (mehr). Sie kooperieren miteinander und sichern der Gesamtgruppe der Kapitalisten somit das Gleichgewicht zwischen maximaler Sicherheit und maximalem Profit. Diese Tendenz haben Paul BaranBaran, Paul und Paul SweezySweezy, Paul schon in den 1960er Jahren konstatiert.1 In der Theorie ist der Kapitalismus effizient, weil zahlreiche Anbieter im Preis und in der Qualität konkurrieren. Dadurch sollen bestmögliche Bedürfnisbefriedigung, Chancengleichheit und Produktivität erzielt werden. So hatte sich bereits Adam SmithSmith, Adam den Kapitalismus vorgestellt.2 Und noch heute wird behauptet, dass er so funktioniere. Tatsächlich aber werden die profitablen Bereiche der Wirtschaft von wenigen Großunternehmen beherrscht. Der Konsument kann nur noch nachfragen, was von den Großunternehmen angeboten wird. Heute wird die Weltwirtschaft von weniger als 150 Großkonzernen beherrscht, die etwa die Hälfte des Gesamtumsatzes erzielen.3 Kleinbetriebe können nur überleben, wenn sie etwas herstellen, was die Großbetriebe nicht wollen oder können (z.B. Handarbeit), oder als Zulieferer.

      Verdeutlichen Sie sich das einmal am Beispiel des Automarkts. Welche Marken sehen Sie auf deutschen Straßen? Sie werden keine 20 Marken finden. 1920 gab es beispielsweise in Frankreich noch 140 Autohersteller.4 Nun müssen Sie bedenken, dass einige Marken zu demselben Konzern gehören, beispielsweise VW, Audi und Porsche. Im nächsten Schritt betrachten Sie die globale Situation und stellen fest, dass in den meisten Ländern dieselben Automarken zu finden sind, wenn auch in anderer prozentualer Verteilung. In einem weiteren Schritt können Sie erkennen, dass fast alle Autokonzerne Aktien der angeblich konkurrierenden Autokonzerne besitzen.5 Schließlich finden Sie heraus, dass die Autokonzerne ständig wegen gemeinsamer Absprachen gerichtlich belangt werden.6 Man denke auch an den „Dieselskandal“. Daran, dass die angeblich konkurrierenden Tankstellen ihre Benzinpreise stets gemeinsam ändern, haben wir uns längst gewöhnt – obwohl das dem Prinzip des Wettbewerbs genau widerspricht. Nicht anders verhält es sich bei den Autoherstellern.

      Die Größenunterschiede der Unternehmen implizieren Machtungleichgewichte und Abhängigkeiten. Einfluss auf ein Großunternehmen hatten bis 2009 nur Großaktionäre, Banken und Management. Die deutschen Großbanken vertreten den größten Teil des Grundkapitals auf den Hauptversammlungen, entweder direkt oder für einen Großaktionär oder über Depotstimmrecht, also in Vertretung der Anleger. Ein Großaktionär ist meist an mehreren Unternehmen beteiligt. Er hat nicht mehr das Interesse, ein bestimmtes Unternehmen zu fördern, sondern will eine möglichst hohe Gesamtrendite erwirtschaften. Kleinaktionäre sind dagegen meist nur an einem Unternehmen beteiligt und deshalb an diesem interessiert, haben aber gleichzeitig keinen Einfluss auf seine Führung. Die Heiligkeit des Privateigentums gilt also nur für die Großkapitalisten.

      Die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme von sozialer Wirtschaft, Markt, Marktwirtschaft und Kapitalismus existieren nicht unabhängig voneinander, sondern der Kapitalismus setzt die anderen Systeme voraus und sucht sie gleichzeitig zu durchdringen, um sich die potentiell profitablen Bereiche anzueignen. Dabei verändert er die Systeme. Gleichzeitig sind auch innerhalb des Kapitalismus Aspekte des Marktes und der sozialen Wirtschaft präsent. Jeder Mensch, der im Kapitalismus agiert, vollzieht auch Akte des Tauschs und des Geschenks. Ohne sie könnte der Kapitalismus nicht funktionieren. In einer völlig auf Profit ausgerichteten Gesellschaft würden die meisten der notwendigen Tätigkeiten – von der Geburt und Erziehung über die freundschaftliche Interaktion bis hin zu öffentlichen Leistungen wie Infrastruktur, Wohlfahrt oder Schutz der Bevölkerung – verschwinden. Ohne sie gibt es keinen Kapitalismus und vermutlich auch keine Gesellschaft.

      Die öffentliche Darstellung von Wirtschaft seitens der Großunternehmen und der Politik gibt vor, die kapitalistische Wirtschaft zu porträtieren, beschreibt aber immer nur die Marktwirtschaft. In dieser Darstellung scheint es, als gäbe es keinen Unterschied zwischen dem Bäcker an der Ecke und RockefellerRockefeller. In der liberalen Wirtschaftswissenschaft wird die Funktionsweise des Kapitalismus immer am Beispiel von Tauschgeschäften zwischen Menschen – z.B. auf dem Wochenmarkt – erläutert, die vollkommen freiwillig und gleichberechtigt ausgeführt werden.7 So funktioniert aber keine kapitalistische Handlung. Das ist eine grobe und absichtliche Irreführung, um die Funktionsweise des Systems unsichtbar zu machen.

      3.4 Arbeit und Tätigkeit

      Wir alle werden in den Kapitalismus integriert durch die Arbeit, die letztlich ein Zwang ist, um den Lebensunterhalt zu sichern. Arbeit hat nur im Kapitalismus eine zentrale Bedeutung. Selbstverständlich wird auch in anderen Gesellschaftsformen gearbeitet. Aber die Arbeit ist in andere Tätigkeiten eingebettet und wird nach Möglichkeit auf ein Minimum reduziert. Bis vor wenigen Jahrtausenden verfügte die arbeitende Person auch stets über den Ertrag der Arbeit. Historisch haben erst Knechtschaft und Sklaverei eine Gruppe von Menschen geschaffen, deren Lebensinhalt vorrangig in Arbeit besteht. Der Kapitalismus scheint diesen Lebensinhalt auf einen Großteil der Bevölkerung ausgedehnt zu haben. Bei genauerer Betrachtung gilt das jedoch nur für die Periode des Industriekapitalismus. In allen Staaten der Welt geht höchstens die Hälfte der Bevölkerung einer bezahlten Arbeit nach. In den ärmeren Gesellschaften gibt es noch nicht genügend Lohnarbeit für alle, in den reichen nicht mehr.

      Im Kapitalismus ist Arbeit nur insofern von Bedeutung, als sie profitabel ausgenutzt werden kann. Die Arbeiter stellen eine Ware her oder bieten eine Dienstleistung an, die auf dem Markt verkauft wird. Vom Erlös erhalten sie einen Teil, ein Teil wird reinvestiert, den Rest behält der Kapitalist als Profit. Wenn es einen Warenmarkt mit Konkurrenz zwischen verschiedenen Anbietern gibt, sinkt der Preis jedoch tendenziell. Da sich Investitionen und Löhne nicht unter ein bestimmtes Niveau drücken lassen, sinkt damit auch die Profitrate. Einen Ausweg für die Kapitalisten bieten entweder Preisabsprachen und Monopole oder Investitionen in andere Bereiche der Wirtschaft. Beide Strategien beherrschen heute das Wirtschaftsleben.

      Dennoch behält


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