Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart


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Gebrauch, d. h. von dem Umstand, wie es verwendet wird. Außer Zweifel steht, dass grundsätzlich sowohl natürliche als auch künstliche Zeichen in einer Symptom-, Signal- und/oder in einer Symbolfunktion auftreten können.

      Es ist ja einzig eine Frage der jeweiligen Konvention, ob z. B. Rauch bloß als (natürliches) Anzeichen für Feuer gilt, ob dieses Anzeichen als Signal zur Flucht vor drohender Gefahr fungiert oder ob es (wie beispielsweise in religiösen Ritualen) als Symbol für Überirdisches auftritt und damit gewissermaßen eine Repräsentationsfunktion erfüllt. Im Rahmen einer Theateraufführung kann man Rauch freilich auch gezielt herstellen, um damit künstlich(!) z. B. den Anschein von ausgebrochenem Feuer zu erwecken.

      Ebenso kann man übereinkommen, das Hissen einer Flagge (künstliches Zeichen) als Signal zum Angriff auf den Feind zu verstehen; man kann aber auch übereinkommen, die gehisste Fahne (ausschließlich) als Symbol für einen bestimmten Staat zu betrachten.

      Der Umstand, ob ein Zeichen als Signal oder als Symbol fungiert, hängt also grundsätzlich nicht von diesem selbst ab, sondern von den Möglichkeiten bzw. den situativen Aktivitäten seines Benutzers. An dieser Stelle hebt sich nun endgültig und fundamental die animalische von der menschlichen Kommunikation ab: Auf animalischer Ebene können Zeichen – ob sie nun „natürliche“ oder „künstliche“ Zeichen sein mögen36 – ausschließlich Signalfunktion erfüllen. Wann immer Tiere miteinander kommunizieren, wirken ihre Zeichen als Signale, d. h., sie lösen damit bestimmte (mehr oder weniger) festgelegte Verhaltensweisen an ihren Partnertieren aus.37 Die Vermittlung von „Bedeutung“ geht dabei jeweils Hand in Hand mit einer bestimmten Reaktion bzw. ist mit dieser ident.

      So röhrt etwa der Hirsch und treibt damit seine Herde zur Flucht an, ebenso schwänzelt die Biene und veranlasst dadurch die anderen Bienen, eine entdeckte Futterquelle aufzusuchen etc.

      Erst im Rahmen der (zwischen-)menschlichen Kommunikation eröffnet sich dagegen die Möglichkeit, Zeichen nicht mehr nur als Signale, sondern (vor allem) auch als Symbole einzusetzen. Erst der Mensch ist also in der Lage, auf Zeichen bzw. auf die dabei vermittelten Bedeutungen nicht mehr bloß zu reagieren, sondern diese auch zu verstehen.38 Dieses Verstehen meint hier also ausdrücklich die Fähigkeit, einem Zeichen bestimmte Gedanken, Anschauungen, Vorstellungen usw. in Form von Bedeutungsinhalten zuordnen zu können.39

      Für den menschlichen Kommunikationsprozess ist dabei v. a. die „Vertretungsfunktion“ der Symbole von Bedeutung: Indem wir mit Hilfe von Symbolen in der Lage sind, Abwesendes zu vergegenwärtigen (Saxer 1999: 6), können wir im Gegensatz zum Tier „eine Haltung gegenüber den Gegenständen in absentia [einnehmen], welche als ‚denken an’ oder ‚sich beziehen auf’ bezeichnet wird“ (Langer 1965: 38).

      Die signalhafte Kommunikation im Tierreich ist immer sowohl zeit- als auch situationsgebunden: Der röhrende Hirsch zeigt die Gefahr an, vor der es hier und jetzt zu flüchten gilt. Die schwänzelnde Biene zeigt die Futterquelle an, die sie hier und jetzt gefunden hat. Der Mensch dagegen kann sich eine gefährliche Situation vergegenwärtigen, ohne dass diese im Moment tatsächlich existiert, und er kann an eine Nahrungsquelle denken, er kann sich die Verteilung von Nahrung überlegen, bevor diese oder auch ohne dass diese aktuell vorhanden ist.

      Unschwer einsehbar, ja geradezu selbstverständlich erscheint an dieser Stelle der Hinweis, dass wir Menschen via Symbolbildung freilich auch abstrakte Vorstellungen in unser Bewusstsein rufen können. Gemeint sind Bereiche der Wirklichkeit, die als (sinnlich) wahrnehmbare (konkrete) Objekte eigentlich gar nicht existent sind: „Religion, Kunst, Wissenschaft sind die größten Symbolsysteme der bisherigen Geschichte des Menschen“ schreiben Berger/Luckmann (1977: 42) und meinen damit, dass gerade dies Beispiele für riesige Gebäude symbolischer Vorstellungen sind, die sich „über der Wirklichkeit […] zu türmen scheinen wie gigantische Präsenzen von einem anderen Stern“ (ebd).

      Gerade am Beispiel des Aktualisierens relativ abstrakter Vorstellungen wird aber deutlich, wie sehr der Bedeutungsgehalt von Symbolen mit der jeweiligen Erfahrung des Benützers / der Benützer·in zusammenhängt. Der Umstand, wie ein Zeichen zu seiner Bedeutung gelangt – also der Vorgang, bei dem diese Bedeutungszuweisung geschieht – entscheidet ja v. a. darüber, welche Gedanken, Vorstellungen, Gefühle usw. bei dessen Gebrauch im Bewusstsein aktualisiert werden. Symbole sind „mehr“ als bloß Zeichen, die für etwas Bestimmtes stehen. Sie verweisen stets auf zusätzliche, individuell oft divergent interpretierte Inhalte, die „als Etikette für andere, mehr oder weniger präzis umschreibbare Komplexe von Fakten oder Vorgängen benutzt werden“ (Treinen 1965: 81). Dies gilt z. B. für Ortsnamen40 aber auch für Vornamen41. Welche komplexen Vorgänge im Bewusstsein durch die Verwendung des entsprechenden Symbols jeweils aktualisiert werden, das hängt vom jeweiligen „Prozess der Symbolisierung“ (Treinen 1965: 82) ab. Gemeint sind entsprechende Situationen im Rahmen individueller Lebensabläufe, in denen sich die Bedeutungsinhalte jeweils konstituiert hatten.

      So wird das sprachliche Symbol Freiheit bei einem Kriegsflüchtling andere Bedeutungsinhalte aktualisieren als bei einem Menschen, der in einer friedlichen, demokratisch organisierten Gesellschaft aufgewachsen ist. Ähnlich werden die olympischen Ringe für ein Mitglied der Olympiamannschaft etwas anderes (wenigstens etwas Zusätzliches) bedeuten, als für den bloß Sportinteressierten.

      Aus dem bisher Gesagten wird jedenfalls klar erkennbar, dass die Bedeutung eines Zeichens, das als Symbol fungiert, weder ein für allemal feststeht noch im Bewusstsein verschiedener Menschen idente Bedeutungen wachruft. Die Bedeutung eines Symbols ist demnach immer vom jeweiligen raum-zeitlichen Kontext (mit-)bestimmt. Dies v. a. deshalb, weil ja auch die Objekte, die durch die jeweiligen Symbole repräsentiert werden, nicht bereits an sich eine bestimmte Bedeutung oder einen bestimmten Stellenwert besitzen. Der Stellenwert bzw. die jeweilige Bedeutung der Dinge – und damit auch die Bedeutung der entsprechenden Symbole – geht vielmehr erst aus der Art und Weise des Umgangs mit ihnen hervor; d. h. aus dem Umstand, wie Menschen im Hinblick auf diese Dinge handeln. Daraus resultiert eben, dass ein und dasselbe Objekt für verschiedene Individuen durchaus unterschiedliche Bedeutung besitzen kann.

      Es erscheint an dieser Stelle der Hinweis angebracht, dass die hier vertretene Position einer bestimmten Denkrichtung zuzuordnen ist: dem auf George Herbert Mead (1968) zurückgehenden Symbolischen Interaktionismus.42 Der Symbolische Interaktionismus ist ein (theoretisches) Konzept menschlichen Handelns, in dem es v. a. um das In-Beziehung-Treten des Menschen mit seiner Umwelt geht: Die Ausgangsannahme lautet, dass der Mensch nicht nur in einer natürlichen, sondern auch (und das vor allem!) in einer symbolischen Umwelt lebt. Die Dinge und deren Bezeichnungen repräsentieren gewissermaßen das jeweilige Verhältnis „Mensch –Umwelt“; sie symbolisieren für den jeweiligen Menschen die subjektive Wirklichkeit seiner Erfahrungen.

      Ein Baum wird ein jeweils unterschiedliches Objekt darstellen für einen Botaniker, einen Holzfäller, einen Dichter und einen Hobbygärtner; der Präsident der Vereinigten Staaten kann ein sehr unterschiedliches Objekt sein für ein Mitglied seiner politischen Partei und für ein Mitglied der Opposition (Blumer 2015: 32).

      Nach Herbert Blumer (2015: 25 ff.) basiert das handlungstheoretische Verständnis des Symbolischen Interaktionismus im Wesentlichen auf folgenden drei Prämissen:

      1.Menschen handeln Dingen gegenüber auf der Grundlage von Bedeutungen, die diese Dinge für sie besitzen.

      2.Die Bedeutung dieser Dinge entsteht in/wird abgeleitet aus den sozialen Interaktionen, die man mit seinen Mitmenschen eingeht.

      3.Diese Bedeutungen werden im Rahmen der Auseinandersetzung mit eben diesen Dingen in einem interpretativen Prozess benützt und auch abgeändert.

      Im symbolisch-interaktionistischen Sinn existieren Dinge nicht als isolierte Entitäten, sondern ausschließlich raum- und zeitgebunden. Es gibt somit kein Ding an sich,


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