Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft. Hepp Andreas

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Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft - Hepp Andreas


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aktueller Schwerpunkt innerhalb der Mediatisierungsforschung ist der digitale Charakter der gegenwärtigen Medien und die damit verbundene Notwendigkeit, die gesamte Idee der Mediatisierung neu zu überdenken. Während die ersten Beiträge zu diesem Thema eher allgemein gehalten waren (FINNEMANN 2014; MILLER 2014), hat sich die Diskussion in dem Maße intensiviert und konkretisiert, wie die Digitalisierung die Prozesse der Mediatisierung und damit das Entstehen der digitalen Gesellschaft vorangetrieben hat. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Mediatisierungsforscher:innen sind sich bewusst geworden, dass medienbezogener Wandel weniger durch den Einfluss eines dominanten Mediums vorangetrieben wird, sondern vielmehr durch die Differenzierung einer großen Zahl von hochgradig vernetzten digitalen Medien und die damit verbundene Veränderung von Kommunikation. Der Fokus hat sich daher auf den »polymedialen« (MADIANOU 2014: 323) Charakter des Lebens und die »Mannigfaltigkeit« (COULDRY 2012: 16) der heutigen Medienumgebung verlagert. Vor diesem Hintergrund und um zu verstehen, wie Medien die unterschiedlichen sozialen Domänen prägen, ist es notwendig, digitale Medien in ihrer Wechselbeziehung zueinander zu betrachten. Dabei sind digitale Medien nicht mehr nur Mittel der Kommunikation. Sie sind aufgrund ihres digitalen Charakters, während sie für Kommunikation genutzt werden, gleichzeitig Mittel zur Erzeugung von Daten. Diese Daten dienen als Quelle für verschiedene Formen der automatisierten Verarbeitung und sind so zu einem grundlegenden Bestandteil der Konstruktion unserer sozialen Welt geworden.

      Hervorzuheben ist, dass wir mit der Digitalisierung in eine neue Stufe der Mediatisierung eingetreten sind, die wir als tiefgreifende Mediatisierung bezeichnen können. Die tiefgreifende Mediatisierung ist ein fortgeschrittenes Stadium dieses Prozesses, bei dem zunehmend alle Elemente unserer sozialen Welt eng mit digitalen Medien und den ihnen zugrunde liegenden Infrastrukturen verbunden sind (COULDRY/HEPP 2017: 7, 34). Wie die bisherige Forschung gezeigt hat, ist die Mediatisierung kein linearer Prozess, sondern vollzieht sich in verschiedenen ›Schüben‹ der grundlegenden Veränderung der Medienumgebung. Wenn wir die letzten Jahrhunderte betrachten, können wir mindestens drei solcher Schübe ausmachen: die Mechanisierung, die Elektrifizierung und die Digitalisierung.

      Die oben beschriebenen Schübe der Mediatisierung sind in sich widersprüchlich und entstanden in verschiedenen Phasen der Geschichte als Folge von Kräften, die über die Medien selbst hinausgehen. Es ist jedoch klar, dass die Allgegenwärtigkeit der Medien in unserer heutigen sozialen Welt sich größtenteils in der Folge ihrer digitalen Umgestaltung ergeben hat. Die softwarebasierten Medien werden in einer Vielzahl von digitalen Endgeräten konkret. Das Medium ›Radio‹ ist z. B. nicht mehr an das Radiogerät gebunden. Mit einer Vielzahl von Softwarelösungen können wir eine ganze Reihe von digitalen Geräten nutzen, um Radio zu hören. Einige sehen immer noch wie Radios aus (das Digitalradio als eigenständiges Endgerät), andere sind Software-Interfaces auf unseren Bildschirmen (eine Radio-App auf einem Smartphone). Das gleiche Prinzip können wir beim Fernsehen, bei der Telefonie und der gesamten Breite der Mediendienste und -geräte, die wir nutzen, ausmachen.

      Da es sich bei der Mediatisierung um ein Konzept handelt, das uns für die gegenwärtigen Veränderungen mit den digitalen Medien und ihren Infrastrukturen sensibilisiert, müssen wir die bisherige Diskussion in der Mediatisierungsforschung nochmals überdenken. Die aktuellen Veränderungen zwingen uns, weitere analytische Konzepte in unseren Begriffsapparat zu integrieren – Konzepte, die Fragen von Algorithmen, Daten und digitalen Infrastrukturen adressieren. Vor dem Hintergrund dieser analytischen Anforderung schwingen im Begriff der tiefgreifenden Mediatisierung auch verschiedene andere Verwendungen von ›deep‹ mit, wie etwa ›deep learning‹ (worunter eine neue Art maschineller Lernprozesse auf der Basis algorithmischer Verfahren verstanden wird) oder ›deep analytics‹ (ein anderer Ausdruck für Data Mining). Die Bildung des Begriffs ›tiefgreifende Mediatisierung‹ – im Englischen: ›deep mediatization‹ – ist daher sehr gezielt erfolgt, um deutlich zu machen, dass es sich um die Stufe der Mediatisierung handelt, bei der die Analyse von Algorithmen, Daten und digitalen Infrastrukturen entscheidend wird für unser Verständnis der sozialen Welt. Oder anders formuliert: Wir können das Entstehen der digitalen Gesellschaft nur dann angemessen erfassen, wenn wir deren Verankerung in Prozessen tiefgreifender Mediatisierung verstehen und einen angemessenen Begriffsapparat haben, um diese zu beschreiben.

       1.2TRADITIONEN UND PERSPEKTIVEN

      Die institutionalistische Tradition ist aus der Massenkommunikations- und Journalismusforschung hervorgegangen. Die Forschung in dieser Tradition konzentriert sich auf den Einfluss von Medien – verstanden als »semi-unabhängige Institution« (HJARVARD 2013: 21) – auf andere, scheinbar unabhängige Bereiche von Kultur und Gesellschaft. Zentral dafür ist die Idee der ›Medienlogik‹. Von David Altheide und Robert Snow (1979) entwickelt, beschrieb das Konzept der Medienlogik ursprünglich den Einfluss bestimmter massenmedialer Formate, insbesondere des Fernsehens: die ›Eigenlogik‹ der Medien bei der Verarbeitung und Darstellung von Inhalten, die – so die Annahme – zunehmend andere Bereich der Gesellschaft wie Politik oder Religion dominiere. In jüngerer Zeit wird das Konzept aber breiter verstanden. Es wird von Medienlogiken im Plural gesprochen, um damit sehr unterschiedliche medienbezogene Dynamiken zu beschreiben (STRÖMBÄCK/ESSER 2014a; 2018). Der Begriff der Medienlogiken fungiert so zunehmend als »eine Metapher bzw. Abkürzung für die verschiedenen modi operandi, die die Funktionsweise der Medien ausmachen« (HJARVARD 2017: 11). Solche Verständnisse von Medienlogiken betreffen den Einfluss medialer Formen (Genres, Rahmungen etc. im Hinblick auf Medieninhalte), den Einfluss organisatorischer Regeln (Arbeitsroutinen,


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