Oberst von Huhn bittet zu Tisch. Axel Hacke

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Oberst von Huhn bittet zu Tisch - Axel Hacke


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– oder: Die Vielfalt des Schweinefleischs

      Schon die bisherigen Beispiele für Gerichte aus aller Welt legen nahe, dass hier nicht allein Menschen am Werk sein können. Ein so hohes Niveau des Irrtums kann nicht nur Ergebnis der Zusammenarbeit des Wirtes mit einem Freund sein, der einen Onkel hat, dessen jüngste Nichte in der Schule Deutsch im zweiten Jahr hat.

      Hier müssen höhere Wesen arbeiten, Elektronenhirne. Wir finden sie im Internet unter den Namen Babelfish, Bing oder Google, und im Gegensatz zu den hervorragenden Wörterbüchern, die uns zur Verfügung stehen, übersetzen sie auch ganze Sätze.

      So gut sie können.

      Und sie können es sehr gut. Zum Beispiel erkennt ein Übersetzungsprogramm im italienischen Wort filetto nicht nur das uns vertraute »Filet«, sondern auch die erste Person Singular des Verbums filettare – und das bedeutet »ein Gewinde schneiden«. So wird aus einem Filetto al pepe verde oft ein Gericht namens »Ich schneide ein Gewinde zum grünen Pfeffer«. Natürlich könnte es auch einfach ein »Filet mit grünem Pfeffer« sein. Aber irgendwie traut der Computer wohl der Übersetzung filetto = Filet nicht so ganz. Und hat er nicht recht? »Filet« ist ja nicht eigentlich ein deutsches Wort. Warum soll er es als solches erkennen und behandeln?

      Nicht viel anderes ist ja unserem Titelhelden zugestoßen.

      »Oberst von Huhn und Breitet sich drastisch in einer Weißweincreme Aus, mit Penne Nudeln Federn und Parmesankäse« heißt auf der englischen Seite der Speisekarte in Dublin Supreme of chicken and mushroom in a white wine cream, with penne pasta nibs and parmesan cheese.

      Supreme kommt vom französischen suprême, das ist die Geflügelbrust mit ihrer Haut und einem Flügelknochen dran – aber es ist eben ein französisches Wort, kein deutsches. Nach einem deutschen Wort für supreme suchend, stößt man auf »oberster, höchster«, der Supreme Court ist der Oberste Gerichsthof – supreme of chicken ist also Oberst von Huhn.

      Und wieso breitet er sich drastisch aus? Weil mushroom nicht nur »Pilz« heißt, sondern auch ein Verb ist: to mushroom bedeutet »wuchern« – oder eben »sich drastisch ausbreiten«.

      Wir lernen: Das Übersetzungsprogramm wird sich im Zweifel immer für ein Wort entscheiden, das irgendwie deutscher klingt. Das heißt, wenn sich aus dem französischen Wort coulis einfach das ja ebenfalls deutsche (aber eben französischstämmige und französisch klingende) »Püree« machen lässt, andererseits aber auch der Begriff »Ausfugmasse« zur Verfügung steht, wird es sich immer für »Ausfugmasse« entscheiden.

      Dazu aber später mehr, im Kapitel über die französische Küche zum Beispiel, auch bei den italienischen Gerichten.

      Wir sind ja hier beim Schweinefleisch.

      Kommen wir zu einem kleinen Beispiel aus der bulgarischen Küche, das Kjufteta po cirpanski heißt und aus Reisfleischbällchen in einer Art Suppe besteht. Es ist nun wichtig zu wissen, dass aus einer nicht gerade weltweit verbreiteten Sprache wie dem Bulgarischen kaum je direkt ins Deutsche übersetzt wird. Da mangelt es an Personal und an Software.

      Es geht also erst einmal ins Englische. Kjufteta po cirpanski sind, so fand ich es im Internet auf einer bulgarischen Karte: Meat balls Chirpan style.

      Das wären nun – dazu bräuchte man nicht einmal einen Computer – »Fleischbällchen nach Tschirpaner Art«. Wobei Tschirpan eine Stadt in Zentralbulgarien ist und das Hackfleisch für die Fleischbällchen nur zur Hälfte vom Schwein, zum anderen Teil aber vom Rind kommen sollte.

      Gibt man aber Meat balls Chirpan style in eines der gängigen Übersetzungsprogramme ein, erhält man, zum Beispiel: »Fleisch bumst Chirpan Stil«. So steht es auch auf der erwähnten Karte – und warum? Weil ball zwar ein Ball und vielleicht auch ein Bällchen sein kann, to ball aber auch ein Verb. Es bedeutet »bumsen« – und da kann er eben wohl nicht anders, der Computer, er muss es tun. Und er tut es. Auch eine Maschine hat fleischliche Gelüste, auf ihre Weise, so sieht’s jedenfalls aus.

      Wobei wir sehr knapp ganz anderen Resultaten entgangen sind. Balls bedeutet ja, in einem sehr vulgären Ton, auch »Klöten«, dann hieße das Gericht »Fleischklöten Tschirpaner Art«. Andererseits wäre ball in der Sprache der Geologen, wie ich höre, »konkretionärer Kalkstein«, als solchen übersetzt ihn aber keine Software. Sie neigen halt zum Vulgären, die Apparate.

      Und zum Besserwissen.

      Gebe ich zum Beispiel Meatballs Chirpan Style ein, korrigiert es der Computer sehr oft automatisch in Meatballs chirp an style, weil er die schöne Stadt Tschirpan nicht zu kennen scheint. Das Ergebnis ist dann: »Frikadellen zwitschern einen Stil«.

      Nun einige Worte zu weiteren Zubereitungsarten des Schweinefleischs außerhalb Bulgariens. Es begegnet uns ja draußen in der Welt in den mannigfachsten Erscheinungsformen, sei es als »Entrecotes zum Schwein vermehrtsich«, wie es die Bielefelder Leserin A. aus Rimini mitbrachte, sei es als »Schweißruckensteak«, wie es Frau R. aus Leipzig in der Hitze Spaniens entdeckte. Frau V. aus Köln sah in Portugal »Gegrilt Lendeschweine«, Frau W. auf Teneriffa ein »Schönes Schenkelschwein«. Herrn H. wurde in Lissabon »Schweinefleisch an der Portugiesin« ebenso angeboten wie »Schweinefleisch an den Papas«, Frau L. aus Bochum saß in Saintes Marie de la Mer in der Camargue vor »Schweinebraten kocht am Ofen durch unsere Pflege«, Leserin S. im Elsass vor einer »Gebratenen Schweineausbuchtung«, im (aus dem Vorspeisenkapitel schon bekannten) bretonischen Cancale schließlich gab es »Schweines niedlich, das gebraten, von Kartoffeln im Samen von Senf erdrückt ist, saurer Sauce sanfter(süßer) Honig, grüne Zitrone und Ingwer«.

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      Was für eine unglaubliche Art der Schweineschlachtung, nicht wahr? Dass die niedlichen Tiere nicht grob dahingemetzgert, sondern von Kartoffeln im Samen von Senf erdrückt werden …

      Frau B. aus Odelzhausen schließlich erinnert sich an ein vor vielen Jahren in einem Motel am Autoput zwischen Belgrad und Niš zur Wahl gestandenes Gericht namens »Schweinsgetöse«.

      Die größte Vielfalt der Schweinefleischzubereitung findet sich vielleicht in der polnischen Küche. Bereits vor längerer Zeit hatte mir Herr U. aus Falkensee für meinen Wortstoffhof aus einem Restaurant namens Magyar Etterem Hungaria berichtet, in dem es ein Gericht namens »Schweinefleisch Dänemark« gab, eine Seite weiter sogar »Dänemark ohne Fleisch«. U. hatte polnische Verwandte bei sich, die erklärten, das polnische danie bedeute »Gericht«, sein Plural sei dania, was aber auch »Dänemark« heiße. Also seien dania z wieprzowniny einerseits »Schweinefleischgerichte«, andererseits »Schweinefleisch Dänemark«. Und vegetarische Speisen (»ohne Fleisch« also) sind »Dänemark ohne Fleisch«.

      Auf einer interessanten polnischen Internetseite namens kotlet.tv fand ich nun, die Vorliebe der Polen für Schweinefleisch betreffend, den schönen Satz: »Die meisten Schweinefleisch essen wir in Wärme um, zum Abendessen, aber es gibt auch in dünnere Scheiben schneiden.«

      Und auf der ebenfalls polnischen Rezeptseite kuchniabakino.blox.pl entdeckte ich die ganze Variationsbreite der Schweinegerichte in Polen, nicht nur »Schweinefleisch Dänemark«, sondern auch »Niederländisch Schweinefleisch«, »Fleischbällchen mit Auge« und »Slips in Bäuerlichen« (»Fleisch … in Schmalz anbraten, errötend von beiden Seiten«), ja sogar eine Speise mit dem Titel »Jakobsmuscheln mit Gemüse« wird hier keineswegs mit auch nur einer einzigen Jakobsmuschel zubereitet, sondern wiederum mit Schweinefleisch, Tomaten, Zwiebeln und so weiter sowie einer Zutat namens »Por«.

      Auch »Tauben auf Debreczynsku« kommen vollkommen taubenfrei auf den Tisch, es handelt sich um, nun ja, Schweinefleisch, diesmal mit Würstchen und Kraut, ich zitiere aus dem Rezept: »Wenn Sie noch kein Sauerkraut in Köpfen, hinterlässt einen frischen Verbrennungen, schneiden Sie die Perle, vorbei an der Sauerkraut und verlassen für mindestens


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