DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband. Ina Kramer

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DSA: Die Löwin von Neetha Sammelband - Ina Kramer


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gut im Sitzen erledigen ließen. Das hatte die Herrin auch damals in der Bibliothek versprochen, so entsann sie sich nun. »… und wenn dir in einigen Monden die schweren Arbeiten nicht mehr von der Hand gehen, dann wird man dir eben leichtere zuweisen«, hatte sie gesagt.

      Damilla hatte zunächst gar nicht verstanden, worauf die Herrin hinauswollte – so viele Monde in die Zukunft hatte sie gar nicht denken können, und daß sie einmal so unförmig und ungelenk werden würde wie jetzt, war ihr damals gar nicht richtig klargewesen, obwohl sie es natürlich wußte. Und dann hatte die Herrin gesagt, sie werde ihrem Halbbruder schreiben, ihm den Fall unterbreiten und hören, was er dazu zu sagen habe. Da hatte Damilla sich auf Hilgerts Brief besonnen und ihn aus der Tasche ihrer Schürze geklaubt.

      »Ich habe ihm auch geschrieben«, hatte sie leise gesagt, während sie das Schreiben zögernd der Herrin reichte.

      Die hatte es eine Weile seltsam lächelnd betrachtet und die wächsernen Siegel geprüft und schließlich gemeint: »Morgen werde ich einen Boten mit beiden Briefen nach Methumis schicken, und nun geh wieder an deine Arbeit, Mädchen!«

      Bei diesen Worten war Damilla erst klargeworden, daß so ein Bote Geld kostet, viel mehr, als sie besaß – das hatte sie nicht bedacht! Und so hatte sie sich tief verneigt vor der Herrin und ihre Hand ergriffen, um sie zu küssen, doch die Herrin hatte sie nur unwirsch abgeschüttelt und gesagt: »Laß doch den Unfug! Und nun los, an die Arbeit!«

      Es war dann aber keine Antwort aus Methumis gekommen, im Rahja nicht, im Praios auch nicht und im Rondra auch nicht. Im Efferd hatte die Herrin noch einmal geschrieben, und Anfang Boron ein drittes Mal. Aber immer, wenn die Boten zurückkehrten, hatte es geheißen, der Herr Fuxfell sei nicht zu erreichen gewesen, oder der Herr Fuxfell befinde sich auf Geschäftsreise, und allmählich hatte Damilla sich Sorgen gemacht. Vielleicht, so dachte sie, waren ihr deshalb die vergangenen Monde so traurig erschienen, weil sie von Warten, Sehnen und Sorgen erfüllt gewesen waren, die ihr das Herz verschlossen hatten für alles Schöne ringsumher. Die Sorgen waren fast das schlimmste. Was konnte nicht alles passieren auf einer so langen Reise? Denn von Kabash aus war der Magister Fuxfell wohl gar nicht mehr zurückgekehrt zu seiner Herberge in Methumis. Sonst hätte er ja die Briefe gefunden, die die Boten dort für ihn hinterlegt hatten, und hätte darauf geantwortet. Bilder und Namen von schrecklichen Krankheiten tauchten in Damillas Geiste auf: Blaue Keuche, Schlachtfeldfieber, Zorgan-Pocken, Duglumspest … Nein, nein, nein! rief sie sich zur Ordnung, ich darf nicht an so etwas denken! Ich darf nur an schöne Dinge denken, hat Danja gesagt, sonst kann das Kind zu früh kommen oder mit zwei Köpfen geboren werden. Aber das letzte war nur ein Scherz gewesen, denn zwei Köpfe hat ein Kind nur dann, wenn ein Dämon die Gestalt des Liebsten annimmt und der Frau beiwohnt …

      Damilla hatte das Gutshaus erreicht. Die exakt nach Westen ausgerichtete weiße Front schimmerte nun rötlich im Licht der sinkenden Sonne. Die Magd freute sich jedesmal, wenn sie den Weg vom Dorf her kam, daß die klare Form des herrschaftlichen Hauses nicht durch Nebengebäude verunziert wurde. Die Stallungen, die Schmiede, die Küche, das Waschhaus, das Gesindehaus, sie alle lagen um den großen Hof gruppiert auf der nach Osten zu den Hügeln hin gerichteten Seite. Mit schweren Schritten stapfte sie über den hellen Kiesweg, der, von kugelig und kegelig beschnittenen Bäumchen und Büschen gesäumt, in großem Bogen um das Gebäude führte. Sie mußte sich nun sputen, denn in zwei Stunden würde der Gong zum Abendmahl rufen, und Titina hatte gewiß noch viel für sie zu tun. Damilla freute sich schon auf die warme Küche – auf dem langen Weg war ihr doch recht kühl geworden. Und Hunger hatte sie auch. Sie hoffte, daß es Rüben mit Speck und Grütze gäbe, das war ihr Leibgericht. Nun hatte sie schon an drei schöne Dinge gedacht, sagte sie sich: Sie hatte den Anblick des Hauses bewundert und sich an dem sauber geharkten Kiesweg mit den putzigen Bäumchen daneben erfreut, und sie hatte sich das leckere Abendessen vorgestellt. Lächelnd strich sie sich mit der Linken über den Leib. Du kommst nicht zu früh, kleiner Zordan oder kleine Zulhamin, und zwei Köpfe hast du auch nicht, dachte sie. Als sie in den Hof einbog, kam ihr Witwe Westfahr entgegen. Sie trug einen großen leeren Korb unter dem Arm. Vermutlich hatte sie gerade die Wäsche des kleinen Fräuleins zum Waschhaus gebracht.

      »Damilla, Kind, wo kommst du denn her?« rief sie dem Mädchen zu.

      »Aus dem Dorf«, erwiderte die Magd.

      »Ich hätte es mir denken können, so staubig, wie du bist. Und was sagt Danja? Ist es bald soweit?«

      »In sieben bis vierzehn Praiosläufen.«

      »Nun, sei froh, dann hast du es ja bald hinter dir. Obwohl, die Schwangerschaft steht dir gut, du bist richtig hübsch geworden durch das Kleine, so rosig, und wenn der dicke Bauch nicht wäre, dann würde ich fast meinen, du seist nicht mehr ganz so stämmig wie zuvor.«

      Damilla strahlte – seit der Magister Fuxfell abgereist war, hatte ihr niemand mehr eine Artigkeit gesagt. Gerade als sie wieder an den geliebten Mann dachte, wandte Susa, die den Weg zur Hintertür eingeschlagen hatte, sich noch einmal um.

      »Als du fort warst, ist ein Bote vorbeigekommen. Ich meine, ich hätte die Herrin zu ihrem Gemahl sagen hören, daß sie eine Nachricht von ihrem Bruder erhalten habe. Vielleicht wird ja doch noch alles gut, Kind.«

      Ein Brief vom Magister Fuxfell! In Damillas Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander, und sie lehnte sich einen Moment lang an die Küchenwand, damit der Aufruhr in ihrem Innern sich besänftigte. Aber das geschah nicht, und als sie schließlich die Küche betrat, war sie noch ebenso verwirrt wie zuvor. Sie wußte nicht, ob sie sich freuen oder weinen sollte und wäre am liebsten zur Herrin gelaufen, was natürlich nicht angehen konnte. Außerdem fürchtete sie sich davor, nicht vor der Herrin diesmal, das heißt, vor der auch, aber mehr noch zu erfahren, was in dem Brief stünde, oder zu erfahren, daß gar nichts für sie in dem Briefe stünde und es nur um geschäftliche oder familiäre Belange ginge … Ach, ach, was sollte sie nur beginnen? Acht Monde und neun Tage hatte sie auf eine Nachricht gewartet, und nun, da diese endlich eingetroffen war, war sie vor lauter Glück und Hoffnung ganz verzweifelt.

      Das Rübenputzen wollte Damilla an diesem Abend gar nicht von der Hand gehen, und zweimal hätte sie sich fast in den Finger geschnitten. Als Titina den gewürfelten Speck in den gewaltigen Kessel über dem Feuer warf und es kurz darauf appetitlich brutzelte und duftete, spürte das Mädchen kein Verlangen, das Schauspiel zu betrachten, wie die Würfel allmählich schrumpften und der Boden des Kessels sich mit Schmalz bedeckte, und sich dann eine der knusprigen Grieben zu erbitten, wie es sonst immer ihre Gewohnheit war. Stumm reichte sie der Köchin die Schüssel mit den Rübenschnitzen und setzte sich wieder auf ihren Schemel.

      »Was ist, Damilla, willst du heute keinen Speck?« fragte Titina. »Du mußt doch hungrig sein.«

      Aber die Magd schüttelte nur den Kopf. Nein, hungrig war sie wirklich nicht. Ihr war der Appetit vergangen und auch die Müdigkeit, und sie würde heute nacht kein Auge zutun, das wußte sie ganz genau.

      »Nun«, wandte sich Kusmine an ihren Gatten, der soeben die Lektüre des Briefes beendet hatte, »was hältst du davon?«

      Durenald faltete den Bogen sorgsam zusammen und reichte ihn seiner Frau. Eine Weile betrachtete er sie schweigend, dann lächelte er. »Liebes Herz«, begann er, »du weißt genau, was ich davon halte, aber wenn ich es dir sage, dann heißt es wieder, ich könne deinen Bruder nicht leiden. Warum sollen wir uns den schönen Abend durch einen Mißklang verderben?«

      Kusmine legte das Schreiben auf ein Tischchen zu ihrer Seite, dann ergriff sie mit beiden Händen die Rechte ihres Gemahls. »Durenald, Liebster, ich sehe es diesmal genauso wie du: Ich glaube dem windigen Bürschchen kein Wort. Nun, kein Wort ist vielleicht ein bißchen arg, aber …« Sie überlegte mit gespielter Anstrengung. »Drei Viertel aller Worte glaube ich ihm nicht. Der Rest bleibt bestehen, und daran gibt es nichts zu deuteln: Sie hätte sich nicht mit ihm einlassen sollen. Doch wie soll es nun weitergehen? Bald ist das Kleine da, und wenn er sich zu zahlen weigert, wer dann?«

      »Darüber habe ich schon seit längerem nachgedacht«, erwiderte Durenald, »denn, mit Verlaub, ich habe von deinem Bruder nichts


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