Missbrauchte Gottesdienerinnen. Walter Brendel
Читать онлайн книгу.der Video-Plattform Youtube ist ein zehnminütiger Ausschnitt zu finden. Der deutsch-französische Sender will sich gegen die einstweilige Verfügung wehren. "Arte hält diese Entscheidung aus formalen wie aus sachlichen Gründen für falsch und hat sich daher entschlossen, Widerspruch einzulegen", sagt Claude Savin, die Pressesprecherin des Senders.
Die Dokumentation war am Abend des 5. März zur besten Sendezeit gelaufen. Insgesamt verfolgten sie in Deutschland und Frankreich, wo sich Arte empfangen lässt, zweieinhalb Millionen Menschen. Der Marktanteil in Frankreich lag mit 6,6 Prozent drei Mal so hoch wie der tägliche Durchschnitt; in Deutschland brachte es die Sendung mit 2,2 Prozent immerhin auf das Doppelte des Durchschnitts. Wie noch keine andere zuvor, gab die Dokumentation tiefe Einblicke in den Missbrauch an Nonnen in der katholischen Kirche, insbesondere in Frankreich und Afrika. Die Dokumentarfilmer Eric Quintin und Jean Marie Raimbault hatten zwei Jahre lang weltweit betroffene Ordensfrauen ausfindig gemacht, die bereit waren, über die Übergriffe zu sprechen.
Die Muster in deren Erzählungen ähnelten sich: Häufig machten Priester die Frauen als geistliche Begleiter und Beichtväter seelisch von sich abhängig, bevor sie sexuelle Gewalt ausübten. Nonnen, die schwanger wurden, drohte der Verstoß aus ihren Gemeinschaften und wurden zur Abtreibung gezwungen. Kirchenobere wussten offenbar nicht nur Bescheid, sondern schützten die Täter. Anfang Februar 2019 gab Papst Franziskus den Skandal offiziell zu. "Ich glaube, es wird immer noch getan", sagte er über den Missbrauch an Nonnen.
"Arte prüft alle rechtlichen Möglichkeiten in dieser Angelegenheit", sagt Sprecherin Savin. Bei einem Widerspruch gegen eine einstweilige Verfügung würde es zu einem Hauptsacheverfahren mit Verhandlungstermin kommen. Arte werde die Dokumentation vorerst nicht mehr zeigen, betont Savin mit Verweis auf drohende Strafen. Bei Verstößen gegen die Verfügung drohen nach Auskunft des Hamburger Landgerichts ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu zwei Jahren.
Das Bundesverfassungsgericht nahm unter den Aktenzeichen - 1 BvR 1078/19 – und - 1 BvR 1260/19 – die Verfassungsbeschwerde nicht an. Dazu Auszüge aus der Begründung:
Die Beschwerdeführerinnen sind Medienunternehmen. Ihnen wurde in einstweiligen Verfügungsverfahren ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung im gerichtlichen Verfahren unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt, bestimmte Äußerungen beziehungsweise Bildnisse zu verbreiten. Sie machen geltend, dass die Abmahnungen, die ihnen gegenüber vorprozessual ausgesprochen wurden, nicht identisch waren mit von den jeweiligen Antragstellern bei Gericht eingereichten Verfügungsanträgen und deren Begründung. Die Beschwerdeführerinnen sehen sich hierdurch in ihren Verfahrensrechten verletzt und rügen mit ihren Verfassungsbeschwerden jeweils die Verletzung ihrer Rechte auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Verfahren haben nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 30. September 2018 zu den Aktenzeichen 1 BvR 1783/17 und 1 BvR 2421/17 keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung mehr. Auch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte nicht mehr angezeigt. Denn nicht jede Verletzung prozessualer Rechte unter Berufung auf die prozessuale Waffengleichheit kann im Wege einer auf Feststellung gerichteten Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Vielmehr bedarf es eines hinreichend gewichtigen Feststellungsinteresses. Die Geltendmachung nur eines error in procedendo reicht hierfür nicht.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Nun, der Autor erspart sich jeden Kommentar dazu. Laut der SZ hat bei dem Fall eine Lagerbildung in den Medien stattgefunden. Medien wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung, das Deutschlandradio und Arte zitierten D. als „Betroffene der Gewalt und glaubwürdige Analytikerin klerikaler Strukturen“. „Konservativ-katholische Publikationen“ wie die Herder-Korrespondenz, die Tagespost oder die Nachrichtenseite kath.net legten ihren Fokus der Berichterstattung dagegen auf die Positionen der beiden Priester.
Stellen wir dazu an Hand des Filmes von Arte fest:
Der sexuelle Missbrauch innerhalb der Katholischen Kirche ist seit Jahren traurige und erschütternde Realität. Mit dem zunehmenden Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs an Ordensfrauen durch katholische Priester weltweit hat diese Thematik eine neue Dimension erreicht.
Der Inhalt dieser Dokumentation ist wahrlich keine leichte Kost. Es werden mutige Ordensfrauen gezeigt, die über ihre Erfahrungen von sexuellem Missbrauch durch Priester erzählen. Oft brauchen sie Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis sie über das Erlebte öffentlich zu sprechen wagen. Sie erzählen von Abhängigkeiten zu Seelsorgern, die sie eigentlich spirituell begleiten anstatt sexuell missbrauchen sollten. Ein klarer Fall von Amtsmissbrauch.
Nonnen werden weltweit sexuell missbraucht. Es gibt kaum Menschen, mit denen sie über ihre Erlebnisse sprechen können. Oft werden Nonnen zu Ausbildungszwecken nach Rom geschickt und geraten dort in Kontakt mit Kirchenmännern, die sie sexuell missbrauchen.
In ärmeren Ländern werden Nonnen sexuell missbraucht, weil ihre Jungfräulichkeit Garantie für die Täter ist, sich nicht mit AIDS anzustecken. Die Armut der Nonnen sowie deren Familien ist willkommenes Druckmittel, um die Nonnen erpressen zu können. Hilfe wird nur dann gewährt, wenn sie sexuelle Dienste leisten.
Amtsmissbrauch und sexueller Missbrauch sind jedoch keine Skandale, die ausschließlich in Entwicklungsländern stattfinden, sondern sind weltweit verbreitet. Die physischen und psychischen Verletzungen bleiben ein Leben lang präsent. Werden Nonnen als Folge von sexuellem Missbrauch schwanger, so werden sie zur Abtreibung oder zur Freigabe zur Adoption ihrer Kinder gezwungen.
Abtreibung gilt in der Kirche als große Sünde, denn es bedeutet das Töten eines Gott gewollten Lebens. Die Kirche macht sich hier mitschuldig und kommt damit derzeit ungestraft davon.
Oft werden Nonnen nach einer Abtreibung aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen und ihr Schweigen über die Vorfälle mit Geld erkauft. Sie haben somit alles verloren: Ihr Kind, ihre Zugehörigkeit zur Gemeinschaft und ihren ursprünglich in die Gemeinschaft eingebrachten Besitz. Sie stehen vor dem Nichts. Ihrer Würde und Jungfräulichkeit beraubt, können sie oft auch nicht auf familiäre Hilfe hoffen. Sie wollten Gott und den Menschen dienen und wurden nur betrogen und ausgenutzt.
Im Film werden Personen gezeigt, die zu ersten Anlaufstellen für betroffene Nonnen geworden sind. Sie sind Ansprechpersonen, begleiten die psychologische Aufarbeitung oder das Einleiten rechtlicher Schritte. Der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein, doch wichtig und unerlässlich in einem noch lang andauernden Prozess, der erst langsam ins Bewusstsein der Öffentlichkeit tritt. Diese Dokumentation trägt wesentlich zur Bewusstseinsbildung bei. Aus rechtlichen Gründen wird in diesem Buch auf Bildmaterial von Opfern und Tätern verzichtet. Die Namen wurden geändert
Fakten und Fragen
Als der Produzent Harvey Weinstein im Herbst 2017 von mehreren Schauspielerinnen sexueller Übergriffe angeklagt wurde, zeigte sich in den folgenden Wortmeldungen aus Hollywood ein Muster, das wir so ähnlich auch von den Missbrauchsfällen am Canisius-Kolleg und an der Odenwaldschule kennen: Obwohl scheinbar jeder wusste, dass es diesen Missbrauch gab, waren doch alle überrascht, als er öffentlich wurde. Das heißt, beinahe alle, die etwas wussten oder ahnten, haben es hingenommen anstatt Stellung zu beziehen. Während die, die zwar nichts Genaues wussten – aber es gekonnt hätten, wenn sie nur gewollt hätten – einfach stillschweigend davon ausgegangen sind, dass es so schlimm dann sicher doch nicht sein könne. Und wieder andere haben die Vorkommnisse geradeheraus bagatellisiert oder Witze darüber gemacht. Es waren ja nur absurde Gerüchte – oder etwa nicht?
Eben diese Mischung aus Gerüchten, Verdrängung und Witzen kennen vermutlich nicht wenige katholische Gläubige in Bezug auf eine Opfergruppe, die es bisher noch kaum je geschafft hat, als solche ernst genommen zu werden: Ordensfrauen. Auch über die „sexuellen Erfahrungen“ von „Nonnen“ macht man lieber Witze. Mancher glaubt, es wäre alles doch eher harmlos, das heißt, auf wenige einvernehmliche sexuelle Handlungen beschränkt, zu der auch die eine oder andere Ordensfrau sich einmal hinreißen lässt – was für eine unterhaltsame Vorstellung, nicht? Auch Ordensfrauen sind ja nur Menschen. Andere, die diese Vorstellung weniger lustig finden mögen, gehen vielleicht davon