Die entkoppelte Kommunikation. Kurt E. Becker

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Die entkoppelte Kommunikation - Kurt E. Becker


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durch eine Vereinfachung der psychoanalytischen Begriffe verdeutlicht.

      Ich habe Bernes Transaktionsmodell ein bisschen umgebaut. Das Muster verläuft nun von einer rationalen zu den irrationalen Ebenen. Das Erwachsenen-Ich steht dabei für das Ich in der Psychoanalyse und meint die bewusste Fähigkeit zur rationalen Kommunikation. Diese Ebene beschränkt sich auf den Austausch eindeutiger Informationen. Für jedes zwischenmenschliche Miteinander ist dieser Austausch notwendige Basis. Aus dem Über-Ich wird in der Transaktionsanalyse das Eltern-Ich, das die in jedem Individuum festgeschriebenen moralischen Axiome beschreibt, die unsere Kommunikationen bestimmen. Ich nenne die mit dieser Art von Kommunikation verknüpfte Ebene die der Meinungsbildung. Eine Meinung geht durch ihren werthaltigen Charakter über eine bloße Information hinaus, Meinungen sind innerhalb eines Koordinatensystems von Werten festgemachte Informationen. Sie sind deshalb sinnvoll, weil wir durch ihre Ablehnung oder Zustimmung unserem Leben eine Orientierung zu geben vermögen. Schließlich ersetzt das Kindheits-Ich das Es der klassischen Psychoanalyse und deckt jene Felder des Unbewussten ab, die sich unserer Kontrolle in der konkreten Kommunikation gänzlich entziehen. Diese Kommunikationsebene der unbewussten Wechselwirkung gehört zwangsläufig zu unserem Menschsein mit dazu.

      In jedem Kommunikationsvorgang sind alle Ebenen des Selbst gleichermaßen einbezogen und angesprochen. Jede Kommunikation wird so zu einem Vorgang von immenser Komplexität. Die Kardinalfrage lautet immer: Wie stelle ich als Sender sicher, dass meine Botschaft beim jeweiligen Empfänger so ankommt, wie ich sie verstanden wissen möchte? Ihnen und mir ist vollkommen klar, was gemeint ist, wenn gesagt wird, dass der Ton die Musik macht. Genau darin, in dieser Allerweltsweisheit, liegt eines der Grundprobleme interpersonaler Kommunikation zwischen Individuen verborgen. Wenigstens an einem Beispiel will ich dies aufzeigen. Wer sich für Details interessiert, der sei auf die Bücher von Eric Berne und auf seinen Schüler Thomas H. Harris verwiesen. Von Berne stammt übrigens das wohl bekannteste aller Bücher zum Thema Transaktionsanalyse: Was sagen Sie, nachdem Sie „Guten Tag“ gesagt haben?

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      Zu unserem kleinen Beispiel. Sachlich, wie Sie meinen, fragen Sie Ihre Frau, ob sie sich schon Gedanken über den nächsten Urlaub gemacht habe. Sie sind Ihrerseits bester Absicht bei dieser Frage und wollen sich lediglich über einen bestimmten Stand der Dinge informieren. Ihre „sachliche“ Frage treibt Ihre Frau zunächst in einen Wutausbruch à la „Muss ich mich denn immer selbst um alles kümmern?“ Und anschließend in einen Weinkrampf (verbunden mit der schluchzend vorgebrachten Frage, ob sie sich den Urlaub, wie letztes Jahr, von vornherein abschminken könne). Ihre ganz rational auf das Erwachsenen-Ich ihres Gegenübers zielende Frage ist also auf den beiden irrationalen Ebenen des Empfänger-Selbst gelandet. Auf der Ebene des Eltern-Ich, das Sie zur Räson rufen möchte und auf der Ebene des Kindheits-Ich, das unterschiedlichste unverdaute Probleme mit der vielleicht erst neueren Erfahrung eines berufsbedingt abgesagten Urlaubs hochkocht. So weit zu der möglichen Analyse von Transaktionen.

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      Jede nur denkbare Kommunikationssituation kann mit Hilfe der einfachen Begriffe Bernes auf den Prüfstand unseres Bewusstseins gehievt werden. In unserem konkreten Beispiel haben wir es notwendig außerdem mit ganz bestimmten Kontexten von Kommunikation zu tun. Da es davon mehrere gibt, lohnt es sich, diese systematisch zu betrachten. Unser beschriebenes Problem berührt die Beziehungs- und Befindlichkeitskontexte. Die Gelegenheit ist als Thema definiert durch den bevorstehenden Urlaub, die Beziehung durch den Umstand ehelicher Gemeinschaft, die Befindlichkeit schließlich durch die emotionale Ausgangssituation von Kommunikator und Rezipient. Zu einer echten Problemdiskussion, die Sie mit Ihrer sachlichen Frage intendiert hatten, ist es deswegen nicht gekommen, weil Sie sich der Kontextlage Ihrer Frau nicht bewusst waren. Die Systematik wird komplettiert durch die Felder „kultureller“ und „sprachlicher“ Kontext. Denn dass die kulturelle Herkunft wie die Sprache eine bedeutende Rolle beim Zustandekommen oder bei der Art von Kommunikation spielen, dürfte klar sein. Die sogenannte „Ausländerproblematik“ fast überall auf der Welt ist ein trauriger Beleg für die Relevanz dieser Kontexte.

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      In einer höchst einfachen und deswegen überaus nützlichen Matrix verdeutlicht Harris in seinem Buch Ich bin ok., du bist ok. die wechselwirkenden Befindlichkeitsalternativen von Sender und Empfänger. „Ich bin ok, du bist ok.“ dokumentiert jene Befindlichkeitskonstellation. Harris verwendet den Begriff „Lebensanschauungen“, die eine sinnvolle Kommunikation erwarten lässt. Alle anderen Konstellationen sind ungleichgewichtig, jede mögliche Kommunikation erscheint problembelastet. Dabei spricht die von Harris gewählte Sprachsymbolik für sich. Die vier möglichen „Lebensanschauungen“ unserer abgebildeten Matrix entstehen bereits in einem frühen Lebensalter, bisweilen während der ersten Lebensmonate.

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      Wie ein Mensch sich selbst und wie er andere sieht, wird also sehr früh in das Individuum eingegraben. Ganz zwangsläufig, so Harris, startet jeder Mensch mit der Anschauung „Ich bin nicht ok., du bist nicht ok.“ ins Leben. Diese Anschauung sei die logische „Folgerung“ des Babys aus einer Situation der Ohnmacht bei der Geburt und im Säuglingsalter. Wie und auf welche Weise sich die Anschauungen im späteren Leben verändern, hängt vollkommen von der nicht zuletzt kommunikativen Entwicklung des Individuums in seinen sich wandelnden sozialen Umfeldern ab.

      Generell zeigt sich Kommunikation in jeder sozialen Konstellation immer auch in zweifacher Hinsicht als Funktion der miteinander kommunizierenden Selbsts. Beiden geht es um die Befriedigung der Bedürfnisse Sicherheit und Macht. Vergewisserung des eigenen Selbst und Einflussnahme auf das andere Selbst sind insofern nur zwei Seiten derselben Kommunikationsmedaille. Sicherheits- und Machtbedürfnis verweisen stets auf das je individuelle Selbst im Kommunikationsprozess.

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