Compliance. Markus Böttcher
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2. Kapitel Grundlagen für Compliance › C. Schweiz › V. Finanzmarktregulierung und Geldwäscherei
V. Finanzmarktregulierung und Geldwäscherei
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Die Vermeidung von Korruptionsdelikten und Kartellrechtsverstößen gehört für alle Unternehmen zu den zentralen Aufgaben der Compliance-Organisation. Große praktische Bedeutung kommt daneben auch den sektorspezifischen Regulierungen für die Finanzindustrie, den besonderen Verhaltensregeln für börsenkotierte Unternehmen sowie den Regeln zur Verhinderung von Geldwäscherei zu.
1. Finanzmarktrecht in der Schweiz
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Zur Schweizer Finanzmarktinfrastruktur gehören neben den Banken, Börsen und Versicherungen als Finanzmarktteilnehmer auch die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FINMA) als Aufsichtsorgan. Während den letzten Jahren wurde die finanzmarktrechtliche Gesetzgebung in der Schweiz grundlegend revidiert. Am 1.1.2016 ist das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) in Kraft getreten, voraussichtlich am 1.1.2018 werden das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und das Finanzinstitutsgesetz (FINIG) in Kraft treten. Die Kompetenzen der Finanzmarktaufsichtsbehörde FINMA sind demgegenüber im seit 2000 in Kraft stehenden Finanzmarktaufsichtsgesetz (FINMAG) geregelt.
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Seit dessen Inkrafttreten werden Bankenaufsicht, Privatversicherungsaufsicht, Börsenaufsicht und Geldwäschereikontrolle unter einer einheitlichen Behörde zusammengefasst. Die FINMA beaufsichtigt und kontrolliert somit alle Bereiche des schweizerischen Finanzwesens und kann zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts verschiedene Verwaltungssanktionen aussprechen. Die Sanktionen reichen dabei von Feststellungsverfügungen und Gewinneinziehung bis zu Berufsverboten und Bewilligungsentzügen (Art. 32 ff. FINMAG).
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Die FINMA trifft dabei ihre Sachverhaltsabklärungen selbst und ist nicht an strafprozessuale Verfahrensvorschriften und auch nicht an die Verfahrensgarantien der EMRK bzw. der Bundesverfassung gebunden. Erst nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens können die Betroffenen zum Ergebnis Stellung nehmen, wobei die FINMA grundsätzlich auch dann Sanktionen ergreifen kann, wenn noch gewisse Zweifel am Beweisergebnis bestehen. Die entsprechende Verfügung kann beim Bundesverwaltungsgericht und zweitinstanzlich beim Bundesgericht angefochten werden. Im Bereich der Zusammenarbeit mit inländischen Behörden hält Art. 38 FINMAG ausdrücklich fest, dass die FINMA und die Strafverfolgungsbehörden einander Rechts- und Amtshilfe zu leisten haben. Damit umfasst ist insbesondere die Übermittlung von Akten, die Erteilung von Auskünften sowie die Herausgabe von Beweismitteln (vgl. BGE 129 IV 141). Die FINMA ist weiter verpflichtet, die zuständige Strafverfolgungsbehörde über ihr bekannte Widerhandlungen gegen Strafbestimmungen des FINMAG oder der Finanzmarktgesetze sowie über ihr bekannte Verbrechen und Vergehen nach StGB in Kenntnis zu setzen (Art. 38 Abs. 3 FINMAG).
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Zusätzlich zur Aufsichtsfunktion ist die FINMA auch maßgebliche Rechtsmittelinstanz für die Offenlegung von Beteiligungen bei börsenkotierten Gesellschaften (bei Ablehnung der Empfehlung der Offenlegungsstelle der SIX), für Streitfälle bei Übernahmen (Beschwerden gegen Entscheide der Übernahmekommission), in Fragen der Geldwäschereibekämpfung und schließlich in Insolvenzfragen von Banken.
2. Regeln für börsenkotierte Unternehmen
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Alle an der schweizerischen Börse SIX zugelassenen Gesellschaften unterliegen einer gesetzlichen Meldepflicht, die vor allem der Herstellung von Waffengleichheit in einem Übernahmekampf dient. Diese Meldepflicht greift, wenn Beteiligungen (Aktien, Optionen und andere Beteiligungspapiere in ihrer Gesamtheit) bei einer Person oder einer Gruppe die Schwelle von 3, 5, 10, 15, 20, 25, 33 1/3, 50 und 66 2/3 % der Stimmrechte überschreiten oder unterschreiten (Art. 120 FinfraG). Die Offenlegung der Beteiligungen hat innerhalb von vier Tagen zu erfolgen und ist innerhalb von zwei weiteren Tagen im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) und einem elektronischen Medium (Bloomberg oder Reuters) zu veröffentlichen (Art. 24 Abs. 1 und Abs. 3 FinfraV-FINMA, Art. 8 Abs. 1 FinfraV-FINMA). Von der Meldepflicht gem. FinfraG erfasst sind auch nicht im Aktienregister eingetragene Käufer sowie Verkäufer von Beteiligungen. Diese haben die Gesellschaft zu benachrichtigen, wenn sie die vorher genannten Schwellenwerte über- bzw. unterschreiten.
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Die Übernahmekommission der Börse hat die Aufgabe, Übernahmen von kotierten Gesellschaften in der Schweiz zu überwachen und unter Wahrung der Neutralität Angebote und Verteidigungsmaßnahmen zu kontrollieren.
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Die Übernahmekommission befasst sich insbesondere mit Pflichtangeboten, die abgegeben werden müssen, wenn ein Aktionär mehr als ein Drittel der stimmberechtigten Beteiligungen einer Gesellschaft allein oder als Gruppe erworben hat (Art. 135 FinfraG).
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Große praktische Bedeutung kommt mittlerweile auch den Regeln zu Insiderdelikten und Kursmanipulationen zu, die in der Schweiz graduell verschärft wurden.
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Die bei einer schweizerischen Börse kotierten Unternehmen sind verpflichtet, den Markt über potentiell kursrelevante neue Tatsachen – d.h. Tatsachen die geeignet sind, zu einer erheblichen Änderung des Kurses zu führen – zu informieren (vgl. Art. 53 Kotierungsreglement (KR)). Die Meldung hat mindestens an die SIX Exchange Regulation, zwei elektronische Finanzinformationssysteme (z.B. Bloomberg oder Reuters) und zwei Schweizer Tageszeitungen von nationaler Bedeutung zu erfolgen. Dadurch soll die Chancengleichheit der Marktteilnehmer gewährleistet werden. Zu den Tatsachen, die publikationspflichtig sind, gehören alle Arten von kursrelevanten Transaktionen und Ereignissen, so insbesondere Fusionen, Übernahmen, Restrukturierungen, Kapitalveränderungen, wichtige personelle Wechsel, neue wichtige Produkte sowie wesentliche Verminderungen des Gewinns oder eine Erhöhung des Verlusts (sog. Gewinnwarnungen).
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Das Finanzmarktinfrastrukturgesetz regelt dabei sowohl die aufsichtsrechtliche wie auch die strafrechtliche Durchsetzung dieser Regeln.
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Die aufsichtsrechtliche Regelung in Art. 142 und 143 FinfraG gibt der FINMA das Recht, gegenüber allen Marktteilnehmern (einschließlich Privatanlegern) aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, sofern Marktteilnehmer Insiderinformationen ausnutzen oder den Markt manipulieren.
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Die Zuständigkeit für die strafrechtliche Verfolgung von Insiderhandel und Kursmanipulation liegt bei den Bundesbehörden, d.h. die Ermittlungen werden von der Bundesanwaltschaft geführt (vgl. Art. 156 FinfraG). Im Gegensatz zum Verfahren vor der FINMA richtet sich dieses Verfahren nach der StPO, sodass dem Beschuldigten strafprozessuale Verfahrens- und Verteidigungsrechte zustehen. Marktteilnehmer, die Insiderdelikte begehen oder Handlungen vornehmen, die als Marktmanipulation qualifiziert werden, können mit Sanktionen von Buße bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden (Art. 154 f. FinfraG). Die schweren Insiderdelikte und Marktmanipulationen (im Wesentlichen Delikte, die zu einem finanziellen Vorteil von mehr als 1 Mio. CHF führen) i.S.v. Art. 154 Abs. 2 bzw. Art. 155 Abs. 2 FinfraG gelten im Übrigen als Vortaten der Geldwäscherei i.S.v. Art. 305bis StGB.
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Die Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung haben der Gesellschaft sodann