Kleine politische Schriften. Walter Brendel

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Kleine politische Schriften - Walter Brendel


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daß die Begründung auch dem unwissendsten Journalisten – trotzdem der Unwissenheit unserer Journalisten die Krone gebührt im Reich der Unwissenheit – mehr oder weniger geläufig sein muß. Nein – nicht hierin ist der Grund der veränderten Aufnahme zu suchen, sondern in den veränderten Verhältnissen, in den Fortschritten der sozialistischen Bewegung während des letzten Jahres. Zwischen Brüssel und Basel liegt Eisenach. Bis zum August des vorigen Jahres hatte unsere deutsche Bourgeoisie den Sozialismus für eine exotische (ausländische) Pflanze gehalten, die auf deutschem Boden nicht Wurzel fassen könne. Der Eisenacher Kongreß zerstörte die Illusion: er enthüllte der Bourgeoisie die unangenehme Wahrheit, daß die Internationalität des Sozialismus keine harmlose Phrase, daß der Sozialismus auf deutschem Boden so gut gedeiht wie auf fremdländischem und bereits zu einem »Faktor geworden ist, mit dem man rechnen muß«. Der Hintergrund von Eisenach, der dem Brüsseler Beschluß fehlt, verlieh den Baseler Beschlüssen eine unmittelbar praktische Bedeutung. Es handelte sich nicht mehr um Hirngespinste, um Träumereien, schlimmstenfalls um zeitlich wie räumlich ferne Möglichkeiten – nein, die Gefahr war nahe gerückt, sie brannte auf die Nägel –, und statt sich ruhig das furchtbare Gespenst anzusehen, es anzugreifen und zu begreifen, stieß die Bourgeoisie ein Zetergeschrei aus, wie wenn sie, gleich Rip van Winkle, seit Jahren geschlafen und keine Ahnung davon hätte, daß, was ihr solche Angst in die Glieder jagt, während sie schnarchte, jedem Nichtschläfer sichtbar am hellen Tageslicht lustig und munter emporgewachsen ist.

      Betrachten wir uns jetzt das Gespenst. Zunächst will ich den Brüsseler Beschluß mitteilen. Derselbe lautet:

      »In Erwägung, daß die Erfordernisse der Produktion und die Anwendung der bekannten Gesetze der Agronomie (Wissenschaft des Landbaus) den Großackerbau erheischen und die Einführung der Maschinenarbeit und die Organisation der ländlichen Arbeitskraft notwendig machen und daß im allgemeinen die moderne ökonomische Entwicklung dem Großackerbau zustrebt;

      in Erwägung, daß demgemäß die ländliche (Ackerbau-)Arbeit und das Landeigentum auf denselben Fuß gesetzt werden muß wie die Bergwerke;

      in Erwägung, daß die produktiven Eigenschaften des Bodens das Urmaterial aller Produkte, die Urquelle aller Produktionsmittel und aller brauchbaren Dinge bilden und daß diese produktiven Eigenschaften nicht durch Arbeit erzeugt sind;

      ist der Kongreß der Meinung, daß die ökonomische Entwicklung der modernen Gesellschaft es zu einer gesellschaftlichen Notwendigkeit machen wird, Grund und Boden in gemeinschaftliches gesellschaftliches Eigentum zu verwandeln, und daß der Boden von Staats wegen an Ackerbaugesellschaften (Genossenschaften) zu

      Dies der Beschluß des Brüsseler Kongresses. Die betreffende Stelle des darin erwähnten Beschlusses, welcher die Erhebung der Bergwerke und Eisenbahnen zu Staatseigentum verlangt, lautet:

      »Die Arbeiter sind kontraktlich verpflichtet, die Eisenbahnen und Bergwerke in vernünftiger und wissenschaftlicher Weise auszubeuten und den Preis für das Publikum möglichst den Betriebskosten anzupassen. Der nämliche Kontrakt muß dem Staat das Recht wahren, die Rechnungen der Gesellschaften zu prüfen, damit keine Monopole entstehen können. Ein zweiter Kontrakt muß die Rechte jedes einzelnen Gesellschaftsmitglieds gegenüber seinen Kollegen wahren.«

      Ich mache auf die Bestimmung hinsichtlich des Preises (der Bergwerksprodukte, der Eisenbahnbenutzung usw.) aufmerksam; es erhellt daraus, daß der Internationale Kongreß, als er diese Beschlüsse faßte, durchaus nicht an einen in der Idee vorhandenen fertigen Zukunftsstaat ohne Privateigentum dachte, sondern an einen Übergangszustand, in welchem die heutigen Produktionsverhältnisse zum Teil noch fortbestehen. In einem Staat oder einer Gesellschaft ohne Privateigentum kann überhaupt – außer allenfalls dem noch nicht auf gleicher Grundlage organisierten Auslande gegenüber – von Preisen der Arbeitsprodukte und Arbeitsleistungen nicht die Rede sein. Alle Arbeit würde im Auftrage, unter der Leitung und zum Nutzen der Gesamtheit stattfinden, welche für die Verwendung der Produkte und Leistungen im Interesse der Gesamtheit und jedes einzelnen zu sorgen hätte. In einer solchen Gesellschaft würden überhaupt keine gesonderten Assoziationen bestehen; die ganze Gesellschaft wäre eine einzige große Assoziation. Und dies ist auch unzweifelhaft das Ziel, dem die menschliche Entwicklung zustrebt. Jedenfalls aber ist durch den Wortlaut des fraglichen Beschlusses die Verleumdung widerlegt, die Internationale Arbeiterassoziation suche mit gleichen Füßen blindlings aus der alten bürgerlichen Gesellschaft in die neue kommunistische Gesellschaft hinüberzuspringen.

      Der Vollständigkeit wegen muß ich noch eines anderen in Brüssel gefaßten Beschlusses erwähnen, der die beiden soeben mitgeteilten ergänzt. Ich meine die Resolution hinsichtlich der Maschinen, welche also lautet:

      »In Erwägung, daß einerseits die Maschinen eines der mächtigsten Instrumente des Despotismus und der Aufsaugung des Nationalreichtums in den Händen der Kapitalisten sind;

      daß andererseits die Entwicklung der Maschinerie die notwendige Bedingung zur Andiestellesetzung eines wahrhaft sozialen Kooperativsystems (Systems der genossenschaftlichen Arbeit) ist;

      daß die Maschinen dem Arbeiter nur dann wahre Dienste leisten werden, wenn sie im Besitze des Arbeiters sind:

      erklärt der Kongreß, daß die Maschinen, wie alle anderen Arbeitsinstrumente den Arbeitern selbst gehören und zu dem Vorteil der Arbeiter funktionieren (verwendet werden) müssen;

      daß jedoch schon im heutigen Zustande die in Widerstandsgesellschaften (Sociétés de resistance – Trades Unions – Gewerkschaften) organisierten Arbeiter bei Einführung neuer Maschinen darauf hinwirken sollen, daß diese Maschinen nur unter gewissen Bürgschaften oder Entschädigungen für die Arbeiter in die Werkstätten und Fabriken eingeführt werden.«

      Fassen wir die Beschlüsse des Brüsseler Kongresses zusammen, so ist ihr Inhalt: »Der Grund und Boden, Bergwerke, Maschinen und alle sonstigen Arbeitsinstrumente sowie die Kommunikationsmittel (Eisenbahnen usw.) müssen gemeinschaftliches (Staats- und Gesellschafts-)Eigentum sein, weil sie, im Privatbesitz einzelner Individuen, diesen Individuen die Macht verleihen, alle übrigen Glieder der Gesellschaft in ökonomischer und politischer Abhängigkeit zu halten.«

      Die Baseler Beschlüsse, zu denen ich nun komme, sind nur die Wiederholung jener Brüsseler Beschlüsse, insoweit dieselben den Grund und Boden betrafen. Sie wurden am 10. September des vorigen Jahres (1869) mit großer Mehrheit gefaßt und lauten:

      1 Der Kongreß erklärt, daß die Gesellschaft das Recht hat, das individuelle Eigentum an Grund und Boden abzuschaffen und den Grund und Boden in Gemeineigentum zu verwandeln.«

      2 »Der Kongreß erklärt, daß es im Interesse der Gesellschaft notwendig ist, den Grund und Boden in Gemeineigentum zu verwandeln.«

      Der erste Beschluß wurde mit 54 gegen 4 Stimmen angenommen (13 Delegierte enthielten sich der Abstimmung); der zweite Beschluß mit 53 gegen 8 Stimmen (10 enthielten sich der Abstimmung; 4 Delegierte waren bei beiden Abstimmungen abwesend). Die Vertreter aus England, Deutschland, Belgien waren einstimmig für die Beschlüsse, die Franzosen nur zur kleineren Hälfte; die gegen die Beschlüsse stimmenden sowie die sich der Abstimmung enthaltenden Delegierten waren sämtlich Franzosen. Dies ist bemerkenswert, und es wird sich im weiteren Verlauf meines Vortrags herausstellen, warum die Franzosen der hauptsächlich durch die Engländer repräsentierten Majoritätsgruppe in dieser Weise gegenübertraten oder neutral blieben.

      Ich selbst war gegen eine neue Beschlußfassung in der Grund- und Bodenfrage, da die Brüsseler Beschlüsse ja den Standpunkt der Internationalen Arbeiterassoziation zur Genüge dargelegt hatten. Als es aber trotz der von Eccarius und mir erhobenen Einwendungen dennoch zur Abstimmung kam, mußte ich natürlich meiner Überzeugung gemäß für die Anträge stimmen, obgleich mir auch deren Wortlaut keineswegs zusagte; denn erstens gehörten beide Anträge zusammen; und zweitens ist »Recht« ein vieldeutiges Wort, das wohl hübsch klingt, aber bei bestimmten Forderungen vermieden werden sollte. Was ist Recht? Das Recht des Junkers ist Junkerrecht; das Recht des Bourgeois ist Bourgeoisrecht; das Recht des Arbeiters ist Arbeiterrecht. Das einzige berechtigte Recht, wenn wir den Ausdruck einmal annehmen wollen, ist das Recht, sich nicht unterdrücken zu lassen, und diesem Recht steht die Pflicht zur Seite, keinen anderen zu unterdrücken; das heißt,


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