Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder


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viele Kaͤnntniß des Antiken und Deutſchen Wohlklanges zu haben ſcheint: von wem ſollen wir uns einen Deutſchen Horaz lieber wuͤnſchen, als von ihm? Horaz iſt ſeiner Sprache ganz Meiſter. Sein Periode wird ein Gemaͤlde, wo jedes Wort, jedes triftige Beiwort, an denen er gluͤcklich iſt, eine Figur ausmachet: die Anordnung dieſer Figuren erhebet dabei das ganze Gemaͤlde: man verſuche es, Woͤrter aus ihrer Stelle, aus ihrer Region zu ruͤcken, und das Bild leidet allemal: dies iſt ein Odendichter, der in jedes Wort Bedeutung legt. Jn der That, es kommt mir vor, daß Horaz den Griechen das meiſte unter den Lateiniſchen Dichtern abgelernt: ſeine Freiheit in Bildung ſchoͤner Graͤciſmen, und ſein wirklich Griechiſcher Wohlklang wuͤrden uns in der ſchwerſten Gattung der Gedichte zeigen koͤnnen, wie man eine andere Sprache nachzuahmen haͤtte, wenn nicht Alcaͤus und Sappho und die uͤbrigen Lyriſchen Griechen verlohren waͤren.

      11.

       Inhaltsverzeichnis

      „Geſellen Sie nun zu dieſen Alten noch einige neuere Auslaͤnder; deren Genie bewaͤhrt, „und deren Sprache mit der unſrigen verwandt iſt: was wuͤrden wir nicht unſern „Ueberſezzern zu verdanken haben?„ Dieſe neuere Auslaͤnder ſind ohne Zweifel Franzoſen und Englaͤnder, zwiſchen welchen der Deutſche in der Mitte ſteht.

      So wie die Franzoſen vormals von der Litteratur unſrer Nation urtheilten: ſo urtheilten ſie auch von unſrer Sprache; ich darf die unwiſſende Urtheile des Mauvillon und ſo vieler andern nicht wiederholen; ſie laſſen uns jetzt mehr Gerechtigkeit wiederfahren, ſeitdem das Journal étranger unſerm Stil, Premontval und andere ſogar unſerer Sprache haben Gerechtigkeit wiederfahren laſſen. Dem ohngeachtet aber macht die wirklich zu große Verſchiedenheit der Nationen, ihrer Denk und Schreibart, ihrer Sitten und Sprache bei ihnen noch immer Jrrungen, die wir ihren mindern Kaͤnntniſſen zuzuſchreiben haben.

      „Deutſches Ohr, Deutſche Haͤrte, „Deutſche Rauhigkeit! heißt es noch immer! „Unſere Sprache ſoll etwas barbariſches „an ſich haben: ſo wohl wegen der vielen „Conſonanten, mit denen ſie uͤberhaͤuft iſt, „als wegen der ſonderbaren (biſarren) Conſtruktion ihrer Redensarten, die dem Schriftſteller keines Weges mehr Freiheit, oder „mehr Huͤlfsmittel gibt, ſondern nur ohne „Noth die Metaphyſiſche Ordnung der Worte ſtoͤret.„ Wir wollen dieſe Stelle etwas beherzigen.

      Zweitens: wir haben mehr Hauche in unſerer Sprache, als ſie: und die Aſpiration gehoͤrt ſo ſehr zum Lieblichen der Rede, als der Seufzer zu den zaͤrtlichen Worten des Liebhabers, als der ſchmeichelnde Weſt, zum Ergoͤtzen des Fruͤhlings: denn mit dieſen hat ſie einige Aehnlichkeit. Gehet die lieblichen, zaͤrtlichen, angenehmen Woͤrter durch: ſie empfehlen ſich alle durch ein ſanftes h oder ch, das uns die rauhern Voͤlker ſo uͤbel nachſprechen koͤnnen, die das H, wie z. E. die Ruſſen, in ein ſcharfes G, das weiche ch, in ein rauhes cch, faſt wie das Ain der Hebraͤer ausſtoßen muͤſſen: daher das H bei einigen Voͤlkern das Schibolet iſt, woran man kennen kann, daß ſie gebohrne Gergeſener ſind: da die Letten z. E. Jmmel und Eute (ſtatt Himmel und Heute) ausſprechen. — Das H iſt uͤberhaupt die Graͤnze zwiſchen Laut und Mitlauter: es gibt, nach Gellius Bemerkung, dem Worte Haltung, und dem Schalle Munterkeit: es nimmt dem Vokal etwas vom Laute, und gibt dem Mitlauter etwas dazu: es verhindert die gar zu große Oeffnung des Mundes bei den Vokalen, und die Zerrung bei den Conſonanten: daher die Griechen, die die Hauche (Spiritus) bei ihrer Sprache ſo ſehr brauchten, um inſonderheit


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