Kaiser und Galiläer. Henrik Ibsen

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Kaiser und Galiläer - Henrik Ibsen


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Gott will nichts von mir wissen, Agathon.

      Agathon. O, sprich nicht so! War Gott nicht stark in Dir, da Du mich aus dem Dunkel des Heidentums führtest und mir Licht gabst für alle Zeiten – Du, ein Kind, das Du damals noch warst!

      Julian. Ja, die Sache ist mir wie ein Traum.

      Agathon. Und war doch eine so holdselige Wahrheit.

      Julian dumpf. Jetzt sollte das sein! – Woher habe ich das Feuer des Wortes genommen? Es war Lobgesang in der Luft – eine Leiter zwischen Himmel und Erde. – Starrt hinaus. Sahst Du ihn?

      Agathon. Wen?

      Julian. Den Stern, der fiel, – dort, hinter den beiden Zypressen. Schweigt eine Weile und schlägt plötzlich einen andern Ton an. – Habe ich Dir erzählt, was meine Mutter in der Nacht vor meiner Geburt träumte?

      Agathon. Ich erinnere mich nicht.

      Julian. Nein, nein – es ist wahr, ich habe es erst später erfahren.

      Agathon. Was träumte sie?

      Julian. Meine Mutter träumte, daß sie den Achilleus gebären werde.

      Agathon lebhaft. Glaubst Du noch immer so fest an Träume?

      Julian. Warum fragst Du?

      Agathon. Du sollst es hören: denn es hängt mit dem zusammen, was mich über das Meer getrieben hat –

      Julian. Du hast hier ein besonderes Geschäft? Ich habe ganz vergessen, Dich zu fragen –

      Agathon. Ein seltsames Geschäft, – und gerade darum zögere ich in Zweifel und Unrast. Gar manches möchte ich erst wissen – über das Leben in der Stadt – über Dich selbst – über den Kaiser –

      Julian sieht ihn scharf an. Sag' die Wahrheit, Agathon, – mit wem hast Du gesprochen, bevor Du mir begegnetest?

      Agathon. Mit keinem.

      Julian. Wann bist Du angekommen?

      Agathon. Ich sagte es Dir vorhin schon – vor zwei Tagen.

      Julian. Und gleich willst Du wissen –? Was willst Du über den Kaiser wissen? Hat Dich einer gebeten –? Umarmt ihn. Verzeih mir, Agathon, Freund!

      Agathon. Was? Was denn?

      Julian steht auf und lauscht. Horch! – Nein, es war nichts; es war nur ein Vogel im Gebüsch. – Ich bin sehr glücklich hier. Wie, Du glaubst es nicht? Warum sollte ich nicht glücklich sein? Habe ich nicht hier meine ganze Sippe beisammen? Ja, ich meine – alle, über die ein gnädiger Erlöser seine Hand gehalten hat.

      Agathon. Und der Kaiser vertritt ja bei Dir Vaterstelle?

      Julian. Der Kaiser ist über die Maßen weise und gut.

      Agathon, der sich ebenfalls erhoben hat. Julian, ist das Gerücht wahr, daß Du einmal des Kaisers Nachfolger werden sollst?

      Julian hastig. Sprich nicht von so gefährlichen Dingen. Ich weiß nicht, was törichte Gerüchte erzählen. – Was forschest Du mich so aus? Nicht ein Wort entlockst Du mir, bevor Du mir nicht sagst, was Du in Konstantinopel willst.

      Agathon. Ich komme im Namen Gottes, des Herrn.

      Julian. Hast Du Deinen Heiland und Dein Heil lieb, so kehre wieder heim. Er horcht über die Balustrade. Sprich leise, da legt ein Boot an. Er zieht ihn auf die andere Seite. Was willst Du hier? Den Splitter des heiligen Kreuzes küssen? – Kehr' wieder heim, sage ich! Weißt Du, was Konstantinopel in den letzten fünf Monaten geworden ist? Ein Babylon der Lästerung! – Hast Du es nicht gehört – weißt Du nicht, daß Libanios hier ist?

      Agathon. Ach, Julian, ich kenne Libanios nicht.

      Julian. Du einsamer Kappadocier! Glückliches Land, wo seine Stimme und Lehre nicht hindrang.

      Agathon. Ah, – er ist einer von den heidnischen Irrlehrern?

      Julian. Von allen der gefährlichste.

      Agathon. Doch nicht gefährlicher als Aedesios in Pergamon?

      Julian. Ach, wer denkt noch an Aedesios in Pergamon? Aedesios ist hinfällig –

      Agathon. Ist er auch gefährlicher als jener rätselhafte Maximos?

      Julian. Maximos! Sprich nicht von diesem Gaukler. Wer weiß Zuverlässiges von Maximos?

      Agathon. Er behauptet, er hätte drei Jahre in einer Höhle jenseits des Jordan geschlafen.

      Julian. Hekebolios hält ihn für einen Betrüger, und darin hat er gewiß nicht so unrecht. – Nein, nein, Agathon, – Libanios ist der gefährlichste. Unsere sündige Erde hat sozusagen gestöhnt unter dieser Geißel. Seiner Ankunft gingen Zeichen voraus. Eine pestartige Seuche raffte in der Stadt zahllose Menschen dahin. Und, als sie vorüber war, im Novembermond, da regnete es in jeder Nacht Feuer vom Himmel. Du darfst nicht zweifeln, Agathon! Ich habe selbst mitangesehen, wie die Sterne aus ihren Kreisen sich lösten, sich auf die Erde zu senkten und unterwegs erloschen. – Und dann hat er hier gelehrt, er, der Weisheitsfreund, der Redner. Alle nennen ihn den König unter den Lehrern der Beredsamkeit. Ja, das müssen sie wohl. Ich sage Dir, er ist furchtbar. Jünglinge und Männer scharen sich um ihn; er fesselt ihre Seelen, so daß sie ihm folgen müssen. Gottesleugnung fließt betörend von seinen Lippen, wie Sang und Sage von Trojanern und Griechen –

      Agathon erschrocken. O, Du hast ihn auch aufgesucht, Julian?

      Julian weicht zurück. Ich! – Gott schütze mich davor! Sollten gewisse Gerüchte Dir zu Ohren kommen, – so schenk' ihnen keinen Glauben! Es ist nicht wahr, daß ich Libanios nachts oder verkleidet aufgesucht habe. Seine Nähe würde mir ein Greuel sein. Auch hat es der Kaiser verboten, und noch eindringlicher Hekebolios. – Alle Gläubigen, die diesem spitzfindigen Mann nahe kommen, fallen ab und werden Spötter. Und nicht sie allein. Seine Worte pflanzen sich fort von Mund zu Mund bis hinein in das kaiserliche Schloß. Sein zwangloser Spott, seine unumstößlichen Gründe, seine Hohngedichte drängen sich in mein Gebet; – all das zusammen kommt mir vor, wie jene Ungeheuer in Vogelgestalt, die einem frommen, landfahrenden Helden ehedem die Mahlzeit besudelten. Zuweilen fühle ich mit Entsetzen, daß des Glaubens und Wortes Nahrung mich anekelt. – Braust mit Leidenschaft auf. Hätte ich des Kaisers Macht, so würde ich Dir des Libanios Haupt auf einer silbernen Schüssel senden!

      Agathon. Aber wie ist es möglich, daß der Kaiser dies duldet? Wie kann unser frommer, gläubiger Kaiser –?

      Julian. Der Kaiser? Gepriesen seien des Kaisers Glauben und Frömmigkeit! Aber der Kaiser hat für nichts anderes Sinn als für den unseligen Perserkrieg. Der beschäftigt alle Geister. Kein Mensch achtet des Krieges, der hier gegen Golgathas Fürsten geführt wird. Ach, mein Agathon, jetzt ist es nicht mehr wie vor zwei Jahren. Damals mußten die beiden Brüder des Mystikers Maximos ihre Irrlehren mit dem Tode büßen. Du weißt nicht, welch mächtige Stützen Libanios hat. Von den kleineren Weisheitslehrern wird bisweilen einer oder der andere aus der Stadt gejagt. Ihn wagt niemand anzurühren. Ich habe gebettelt, Hekebolios und die Kaiserin angefleht, für seine Ausweisung zu wirken. Aber nein, nein! – Was hilft es, daß die anderen beseitigt werden? Dieser eine Mensch vergiftet uns allen die Luft. O mein Erlöser, könnte ich dieser ganzen greulichen Heidenwirtschaft entrinnen! Hier leben, heißt in der Höhle des Löwen leben –

      Agathon


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