Kaiser und Galiläer. Henrik Ibsen

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Kaiser und Galiläer - Henrik Ibsen


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ein Wunder kann uns befreien.

      Agathon. So höre denn! Das Wunder ist geschehen.

      Julian. Was meinst Du?

      Agathon. Du sollst es hören, Julian; denn jetzt darf ich nicht länger zweifeln, daß es Dir gilt. Was mich nach Konstantinopel getrieben hat, war ein Gesicht –

      Julian. Ein Gesicht, sagst Du!

      Agathon. Eine heilige Offenbarung –

      Julian. Um Gottes Gnade willen, sprich! – Still – sprich nicht. Halt ein, – da kommt wer. Bleib hier stehen – ganz gleichgültig – tu, als ob nichts wäre.

       Sie bleiben beide an der Balustrade stehen.

       Ein großer, schöner Mann in mittleren Jahren, nach Art der Weisheitslehrer gekleidet, in kurzem Mantel, kommt durch die Allee links. Eine Schar Jünglinge folgt ihm, alle in aufgeschürzten Gewändern, Efeukränze im Haar, mit Büchern, Papieren und Pergamenten. Die Gesellschaft in lautem Lachen und Gespräch.

      Der Weisheitslehrer. Laß nichts ins Wasser fallen, mein munterer Gregor! Denk, was Du trägst, ist mehr wert denn Gold.

      Julian, der gerade neben ihm steht. Mit Verlaub, – gibt es ein greifbares Gut, das mehr wert ist als Gold?

      Der Weisheitslehrer. Kannst Du Deines Lebens Früchte für Gold zurückkaufen?

      Julian. Nein, das ist wahr. Aber wenn dem so ist, so solltest Du nicht dem treulosen Wasser vertrauen.

      Der Weisheitslehrer. Menschengunst ist treuloser.

      Julian. Das Wort war Weisheit. Und wo segelst Du hin mit Deinen Schätzen?

      Der Weisheitslehrer. Nach Athen. Er will weiter gehen.

      Julian mit unterdrücktem Lachen. Nach Athen? O, reicher Herr, so gehört Dir ja nicht Dein eigener Reichtum.

      Der Weisheitslehrer bleibt stehen. Wieso?

      Julian. Ist es des Weisen Werk, Eulen nach Athen zu tragen?

      Der Weisheitslehrer. Meine Eulen vertragen sich nicht mit dem Licht der Kirchen in der Kaiserstadt. Zu einem jungen Manne. Reich' mir Deine Hand, Sallust. Er will hinabsteigen.

      Sallust, der Schüler halb unten auf der Treppe, leise. Bei den Göttern, er ist es!

      Der Weisheitslehrer. Er –?

      Sallust. So wahr ich lebe! Ich kenne ihn! – Ich habe ihn in des Hekebolios Gesellschaft gesehen.

      Der Weisheitslehrer. Ah! Er betrachtet Julian mit verhohlener Aufmerksamkeit; dann tritt er einen Schritt näher und sagt: Du lächeltest eben. Worüber lächeltest Du?

      Julian. Als Du über das Licht in den Kirchen klagtest, da dachte ich, ob es nicht vielmehr das königliche Licht im Lehrsaal ist, das Dir zu grell in die Augen sticht.

      Der Weisheitslehrer. Neid hat nicht Platz unter diesem kurzen Mantel.

      Julian. Was nicht Platz hat, tritt hervor.

      Der Weisheitslehrer. Du hast eine spitze Zunge, schlanker Galiläer.

      Julian. Warum Galiläer? Was ist mein Galiläermal?

      Der Weisheitslehrer. Die Hofkleidung.

      Julian. Ich bin darunter ein Freund der Weisheit; denn ich trage ein gar grobes Hemd. – Aber sag' mir, was suchst Du in Athen?

      Der Weisheitslehrer. Was suchte Pontius Pilatus?

      Julian. Ei was! Ist nicht die Wahrheit hier, wo Libanios ist?

      Der Weisheitslehrer sieht ihn starr an. Hm! – Libanios, ja! Libanios wird bald verstummen. Libanios ist kampfesmüde, Herr!

      Julian. Müde? Er, – der Unverwundbare, der immer Siegreiche –?

      Der Weisheitslehrer. Er ist müde, auf seinesgleichen zu warten.

      Julian. Jetzt scherzest Du, Fremdling?! Wie kann Libanios glauben, seinesgleichen zu finden?

      Der Weisheitslehrer. Es gibt einen, der seinesgleichen ist.

      Julian. Wen? Wo? Nenn ihn!

      Der Weisheitslehrer. Das dürfte gefährlich sein.

      Julian. Warum?

      Der Weisheitslehrer. Bist Du nicht Hofmann?

      Julian. Nun, und –

      Der Weisheitslehrer leiser. Hast Du selbst die Verwegenheit, des Kaisers Nachfolger zu preisen?

      Julian erschüttert. Ah!

      Der Weisheitslehrer schnell. Verrätst Du mich, so leugne ich alles!

      Julian. Ich verrate keinen. Sicherlich, sicherlich nicht! – Des Kaisers Nachfolger, sagst Du? Ich weiß nicht, wen Du meinst – Der Kaiser hat keinen erkoren. Aber warum jener Scherz? Warum sprachst Du von dem, der Libanios gleichgestellt ist?

      Der Weisheitslehrer. Ja oder nein, – lebt am Kaiserhof ein Jüngling, der durch Gewalt und hartes Gebot, durch Bitten und Überredung von dem Licht des Lehrsaals fern gehalten wird?

      Julian hastig. Das geschieht, um seinen Glauben rein zu halten.

      Der Weisheitslehrer lächelt. Hat dieser junge Mann so geringen Glauben an seinen Glauben? Was weiß er von seinem Glauben? Was weiß ein Krieger von seinem Schild, bis der Schild ihn beschützt hat?

      Julian. Gewiß, gewiß; – aber es sind liebevolle Vettern und Lehrer, weißt Du, –

      Der Weisheitslehrer. Redensarten, Herr! Ich will es Dir sagen. Dem Kaiser zuliebe wird sein junger Vetter von den Weisheitslehrern ferngehalten. Der Kaiser hat nicht die göttliche Gabe des Wortes. Der Kaiser ist gewiß groß; aber er duldet nicht, daß sein Nachfolger über das Reich hin leuchte –-

      Julian verwirrt. Und das wagst Du –?

      Der Weisheitslehrer. Ja, ja, Du zürnst – im Namen Deines Kaisers, aber –

      Julian. Ganz und gar nicht, – im Gegenteil –; ja, das heißt –. Hör', ich stehe diesem jungen Fürsten ziemlich nahe – es würde mir lieb sein, zu erfahren –. Wendet sich um. Tritt mehr beiseite, Agathon; ich muß mit diesem Mann unter vier Augen sprechen. Entfernt sich einige Schritte mit dem Fremden. Du sagtest, leuchten? Über das Reich hin leuchten? Was weißt Du, was wißt Ihr alle vom Prinzen Julian?

      Der Weisheitslehrer. Kann Sirios von einer Wolke verhängt werden? Wird nicht der rastlose Wind bald hier, bald dort einen Riß in die Wolke machen, so daß –

      Julian. Ohne Umschweife – ich bitte Dich.

      Der Weisheitslehrer. Das Schloß und die Kirche sind wie ein doppelter Käfig, worin der Prinz gefangen sitzt. Der Käfig ist nicht dicht genug. Bisweilen läßt der Gefangene ein seltsames Wort fallen; der Hofpöbel – vergib, Herr, – die Hofleute verbreiten es, zum Spott; der tiefe Sinn ist nicht für diese Herren – vergib, Herr – für die meisten von ihnen ist er nicht.

      Julian. Für keinen. Du kannst ruhig sagen, für keinen.

      Der Weisheitslehrer.


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