Die Teton-Sioux. Michael Franzen
Читать онлайн книгу.damit die Pawnee aus deren angestammten Gebiet. Die Teton hatten sich damit einen neuerlichen Feind geschaffen, wobei sich die Kämpfe zwischen den beiden Widersachern über die nächsten Jahrzehnte hindurch hinziehen sollten. Erst im Jahre 1873 erlitten die Pawnee eine derart schwere Niederlage gegen die Teton, dass sie beschützt durch die US-Armee, ein eigenes Reservat in Nebraska bezogen. Um 1840 herum beherrschten die Teton schließlich ein Gebiet, das nach Norden bis hin zum Heart River nahe der Stadt Bismarck, nach Westen bis zu den Bighorn Mountains, nach Süden bis zum North Platte River sowie in östlicher Richtung bis zum Gebiet des Missouri Rivers reichte. Mittlerweile zu einem Volk von Nomaden geworden, folgten sie den großen Bisonherden, wobei sie zeitweilig auch auf kanadisches Gebiet vordrangen und dort mit den Algonkin (u.a. Blackfeet und Cree) zusammenstießen. Dieser Nomadismus wurde in der Regel in den Sommermonaten Juni bis August unterbrochen, wenn sich die verschiedenen Clans der Teton an einem vorher auserwählten Ort trafen, um dort den heiligen Sonnentanz zu zelebrieren, die verschiedenen Kriegerbünde zu reorganisieren, Freunde und Verwandte zu besuchen und Zukunftspläne zu schmieden, die das Wohl des ganzen Volkes zum Ziel hatten:
„Zu dieser Planung gehörte die Zuweisung bestimmter Gebiete an die einzelnen Dörfer der Stammesgruppe, in die sie im nächsten Jahr auf der Jagd nach dem Büffel ziehen würden (…) Das große Lager pflegte mit einer gemeinsamen Büffeljagd zu Ende zu gehen. Danach teilte sich die Menschenansammlung wieder in die einzelnen Dorfgemeinschaften auf (…) Sie würden sich auf ihren Wanderungen hier und da wieder begegnen, aber ansonsten nur durch Boten Verbindung halten (…) Das Fleisch wurde haltbar gemacht, die Häute gegerbt (…) Die Frauen verrichteten alle anstrengenden Arbeiten, die es im Lager gab (…) Die kleinen Kinder konnten sich frei im Camp bewegen und die älteren wurden dazu erzogen, verantwortungsvolle Erwachsene zu werden (…).“
Mails, „ICH SINGE MEIN LIED FÜR DONNER, WIND UND WOLKEN”, S. 29 u. 30
Anders als die modernen Indianer, die den Bison zu Pferd jagten, mussten die Indianer früherer Tage, die noch nicht in den Besitz von Pferden gelangt waren, andere Jagdmethoden entwickeln, um die gehörnten Vierbeiner zu erlegen. Eine der ältesten Jagdmethoden war es, die Bisons einzukreisen. Dazu bildeten die Jäger eine Menschenkette, die um eine kleine, von der Hauptherde abgetrennte Gruppe Bisons immer enger geschlossen wurde, bevor die Tiere erlegt wurden. Dabei bestand die stetige Gefahr, dass die Bisons aus dem Menschenring ausbrachen und ihre Häscher dabei unter ihren donnernden Hufen zu Tode trampelten. Zwar hat der Bison ein schlechtes Sehvermögen, doch waren sein Geruchs- und Gehörsinn dafür um so besser ausgeprägt, sodass sich die indianischen Jäger gegen den Wind anschleichen mussten. Eine weitere Methode der Jagd war es, die Bisons in einen Canyon mit einem Eingang aber ohne Ausgang, in Sümpfe oder auf Landzungen, die in einem Fluss oder See hineinragten, hin abzudrängen, wo es für die Tiere keine Fluchtmöglichkeit mehr gab. Im Winter wurde(n) zu diesem Zweck Tiefschnee oder Eisflächen genutzt, um die Bewegungsfreiheit der Bisons einzuschränken. Waren die Tiere einmal auf das Eis getrieben, brachen sie dort aufgrund ihres hohen Gewichtes ein und konnten dann ohne große Mühe von den Jägern getötet werden. Andere Stämme, wie z. B. die Winnebago, Iowa, Ojibwa oder Santee legten ein Präriefeuer um eine grasende Bisonherde und ließen einige wenige Stellen in diesen Feuerring offen, wo die von den Flammen in eine Panik versetzte Herde durchbrach und dort von den roten Jägern erlegt wurde. Bei einer weiteren Jagdmethode wurde eine Bisonherde in eine Panik versetzt, wobei die Jäger die Tiere in eine keilförmige V-Form zwangen. Die Bisons wurden solange gejagt, bis sie schließlich über eine, zu diesem Zweck vorher ausgesuchte, Steilklippe in den Tod stürzten. In den USA und Kanada gibt es über 100 solcher Plätze, wo die Indianer den Bison auf diese Art und Weise gejagt und erlegt hatten. Stämme, wie z. B. die Shoshonie oder die Flatheads suchten die Regionen der Plains zu Fuß auf, um auf diese Art auf die Jagd zu gehen. Dass dieses System äußerst effizient gewesen war, beweist die Tatsache, dass es noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein praktiziert worden war.
Durch die Übernahme und Kultivierung des Pferdes, wahrscheinlich nach 1750 herum, änderte sich die Jagdtechnik. Mit nur einem ledernen Lendenschurz und Mokassins bekleidet, ritten die Jäger auf ausdauernden Pferden zur Bisonjagd. Bewaffnet mit einer kurzen Lanze bzw. mit einem Bogen und ca. 20 markierten Pfeilen, an denen man den Schützen später erkennen konnte, versuchte der Jäger eine Stelle hinter der letzten Rippe zu treffen. Im Normalfall waren drei Pfeile vonnöten, um das Tier zu Fall zu bringen. Die Bisonjagd war somit ein gefährliches Unterfangen gewesen, denn auch ein tödlich getroffener Bisonbulle konnte noch sehr weit laufen und zum Angriff übergehen, bevor er zusammenbrach und so mancher Jäger bzw. Pferd fiel solch einem Bison zum Opfer. Ein speziell für die Bisonjagd abgerichtetes Pferd wurde daher wie ein Augapfel gehütet und wenn sich feindliche Krieger in der Nähe des Dorfes aufhielten, so holte man das Pferd ins Tipi, um es so besser bewachen zu können.
Nachdem die Teton zu Pferdeindianern geworden waren, gaben sie ihr halbsesshaftes Leben endgültig auf und wurden zu Nomaden, die den großen Bisonherden auf deren Wanderung folgten, bis es zum Ende des 19. Jahrhunderts hin keine Tiere mehr gab, die man hätte erlegen können. Das große Abschlachten in den Prärien Nordamerikas begann um 1872 herum, als ca. eine Million Bisons ihrer Häute und Zungen wegen oder aus purer Lust am Töten von den weißen Jägern abgeschossen wurden. Die Prärieindianer waren angesichts dieses in ihren Augen sinnlosen Gemetzels derart verbittert, dass es im Jahre 1874 zu einem „Krieg zur Rettung des Büffels” kam, wobei sich Gruppen der Cheyenne, Comanche und Kiowa zu einer kurzlebigen Allianz zusammengeschlossen hatten, um dem Büffelmorden und damit den weißen Jägern Einhalt zu gebieten. Der Hunkpapa-Häuptling Sitting Bull fragte verbittert in einem Interview, welches am 16. November 1877 im „New York Herald” abgedruckt werden sollte:
„Es ist seltsam, wenn die Amerikaner darüber jammern, dass wir Büffel töten. Wir töten Büffel, wie wir auch die anderen Tiere töten, um Nahrung und Kleidung zu bekommen. Sie (die Amerikaner) töten Büffel - wofür? Geht durch das Land. Seht die Tausende von Kadavern, die auf den Plains verrotten. Eure jungen Männer schießen zum Vergnügen. Sie nehmen von einem toten Büffel alleine den Schwanz oder etwa seine Hörner, nur um zu zeigen, dass sie einen Büffel getötet haben. Was ist das? Räuberei? Ihr nennt uns Wilde. Was sind dann sie?“
Und, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schaut man auf die Abschussstatistik alleine der Jahre 1872 und 1874, in denen ca. 3.700.000 Bisons abgeschlachtet wurden; lediglich rund 150.000 davon wurden von den Indianern getötet.
In diesem Zusammenhang fällt immer wieder einmal der Name Buffalo Bill Cody als den größten Büffeljäger, den die nordamerikanische Prärie jemals gesehen hatte. Cody, mit dem wir uns zum Ende dieses Buches noch näher beschäftigen werden, war 1867 als Jäger für die Union Pacific Railroad beschäftigt gewesen, um die Bahnarbeiter mit frischem Bisonfleisch zu versorgen. Bis zum Mai 1868 schoss er dabei rund 2.500 Tiere ab, womit er nicht in die Kategorie jener professioneller Jagdmannschaften fiel, die an die 1.000 Tiere am Tag abschossen, um ihnen anschließend die Häute herunterzureißen, während man die Kadaver einfach in der Prärie liegen ließ.
Von den vorsichtig geschätzten 30 bis 35 Millionen Bisons, die einst den nordamerikanischen Kontinent bevölkerten, gab es im Jahre 1901 keine 25 freilebenden Tiere mehr und nur aufgrund von eingeleiteten Schutzmaßnahmen, konnte die Ausrottung dieser mächtigen Tiere in letzter Sekunde verhindert werden. Der Bison wurde dabei vollständig von den Indianern verwertet. Von den Hufen bis zu den Hörnern, von den Zähnen bis hin zum Schwanz produzierte der Bison sämtliche Dinge, die die Prärieindianer zum Leben benötigten. Waren die Tiere in großen Massen vorhanden und war die Jagd auf sie gut verlaufen, sodass der Stamm nicht zu hungern brauchte, herrschte Freude an den Lagerfeuern. Blieben die Bisons hingegen fort oder konnten nur wenige Tiere erlegt werden, so brachte dieses den Stamm in arge Not und Bedrängnis, denn der nächste Winter konnte lang und hart werden.
Außer dem Bison gab es natürlich auch noch andere Gerichte auf der „Lakota-Speisekarte“, denn nicht nur die Jagd auf den Bison und dessen vollständige Verwertung machte eine dauerhafte Existenz auf den Plains möglich, sondern auch die Nutzung des Wildreichtums in dem Gebiet. Dort gab es eine Vielzahl von Jagdwild wie: Antilopen, Biber, Präriehühner, Wapitis, Stachelschweine, Elche, Bären, Enten, Eichhörnchen, Kaninchen u. a. m., die eine wichtige Bereicherung