Das Urvieh. Margret Jacobs

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Das Urvieh - Margret Jacobs


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      Noch immer schlecht gelaunt, krabbelte er erneut durch den Tunnel und überraschte Holda, wie sie dabei war, mit Spucke einige Erdklümpchen zu Kügelchen zurecht zu kauen.

      Er lächelte. Diese kleinen Kügelchen gaben prima Massagekugeln her, wenn sie mal hart geworden waren. Holda verteilte sie dann auf seinem Rücken und massierte ihn damit, bis die Kugeln zerfallen waren. Er liebte das! Seine Haut bekam dann eine extra Schicht Erde ab und seine Muskeln waren dann schön entspannt. Holda wollte ihn also verwöhnen. Manchmal war es nett, mit ihr zusammen zu sein.

      >>Mensch, Meier!<<, knurrte Pastor Krech. >>Geht das denn nicht schneller?!>>

      Hannelore Meier versuchte sich nichts anzumerken, aber dieser Roderich ging ihr mächtig auf die Nerven. Jetzt stand er schon wieder hinter ihr und meinte doch tatsächlich, dass sie schneller arbeiten würde, wenn er drohend hinter ihr stand und ihr Druck machte.

      Sie hasste Druck! Sie hatte so schon Mühe, mit diesem neuen Computerprogramm zu recht zu kommen. Einen wütenden Roderich konnte sie dazu nicht auch noch gebrauchen.

      Sie nickte pflichtschuldig und bewegte ihre Finger einen Tick schneller über die Tastatur. Hoffentlich verschwand dieser Kerl wieder schnell. Sie hatte es satt, von ihm schikaniert zu werden. Zu dumm, dass sie als Angestellte ihm kein Paroli bieten durfte. Nun, sie war im allgemeinen ein friedliebender Mensch, aber dieser Idiot musste einfach ein mal in die Schranken gewiesen werden.

      >>Sie sind einfach zu langsam, Frau Meier. Das kann man ja nicht mit ansehen! Also, ich sage Ihnen, sie können von Glück reden, dass mein Vorgänger Sie eingestellt hat. Ich hätte das nicht getan. Strengen Sie sich gefälligst mehr an!<<

      Hannelore schluckte ihren Ärger runter und versuchte, ruhig zu bleiben. Sie wusste, es wäre ein Fehler, sich von dem Chef provozieren zu lassen. Wenn sie ihrerseits ausfallend werden würde – worauf er sicherlich nur wartete – hätte Pastor Krech den Vorwand, um ihr eine Abmahnung zu verpassen. Und das wäre der Anfang vom Ende. Pastor Krech wollte sie los werden, das war offenkundig. Doch sie wollte ihm nicht den Gefallen tun, dass er sie unter einem Vorwand kündigen konnte.

      Sie mied den Blickkontakt mit ihm und sah auf den verdreckten Teppichboden. Pastor Krech mochte Frauen, die sich ihm gegenüber unterwürfig zeigten. >>Es tut mir Leid, Pastor Krech. Ich werde mein Bestes tun und schneller arbeiten.<<

      Zufrieden grunzend verließ Krech das Sekretariat. Er mochte es, seine Untergebenen zurecht zu stauchen. Er mochte es, wenn andere vor ihm Angst hatten. Er mochte seine Machtposition als Pastor. Ja, er müsste mal wieder über dämonische Sünden predigen. Die Menschen brauchten einfach eine feste Hand der Führung, sonst hatten sie keine Ahnung, wo sie hingehen sollten.

      >>Verdammter Idiot!<<, schimpfte Hannelore leise in sich hinein. Wütend stieß sie ihren Fuß gegen den Schreibtisch, so dass der Computer erzitterte. Der Monitor flackerte kurz auf und war dann nur noch schwarz. >>Mist!<<, rief sie erbost und hielt sich mit der rechten Hand den Mund zu. Pastor Krech duldete keine Schimpfwörter. Hoffentlich war er inzwischen schon weit genug weg, so dass er ihren Fluch nicht hören konnte.

      Sex oder kein Sex

      Thomas Baldun horchte in den Raum hinein. Niemand war – außer ihm – im Toilettenraum. Das wäre auch schlimm gewesen, oder zumindest unangenehm, wenn sein Chef sich gerade dabei wäre, zu erleichtern.

      Der Küster musste grinsen. Sein kleines Spiel war nur ganz für ihn alleine da. Und er konnte es auch nur dann genießen, wenn er hier der einzige Benutzer war. Zum Glück gab es im Moment – neben ihn - nur einen Mann, der hier diesen Raum betreten durfte und der war nicht da. Die männlichen Jugendlichen kamen erst am Nachmittag. Er hatte also genug Zeit, seine Arbeitszeit ein wenig freudvoller zu gestalten.

      Was hatte Pastor Krech in seiner letzten Predigt gesagt? Die wahre Freude entsteht aus dem Dienen? Klar, das konnte Thomas Baldun verstehen. Er diente gerne seinem eigenen Körper. Das war sinnvoll und für die körperliche Entspannung effektiv. Er öffnete seinen Hosenschlitz und gab sich der Erregung und dann der Entspannung hin.

      Abellus seufzte zufrieden. Holdas Finger glitten mit den Erdkugeln über seinen verspannten Rücken. Er wusste, dass sie nicht weiter gehen würde. Er hätte gerne mit ihr Sex gehabt, aber Holda war wohl in einer Phase, in der sie das uninteressant fand. Koli-Weibchen waren da ganz eigen. Sie wollten nur dann die körperliche Vereinigung, wenn sie Jungen haben wollten. Ansonsten schien sie das wenig zu interessieren. Leider.

      Abellus strich versuchsweise über Holdas Bauch. Sie kicherte zwar, aber machte keine Anstalten, sich zu ihm zu legen. Stattdessen rieb sie die restlichen Erdkrümmel an ihren Armen ab und drehte sich von ihm weg. Hoda war ein schönes Weibchen und sie wusste das. Doch zwischen ihnen kam es kaum noch zum Austausch von Zärtlichkeiten. Und Abellus hatte den Verdacht, dass Holda ihn nur deswegen ab und zu massierte, in der Hoffnung, dass ihm nicht auffiel, dass sie sich eigentlich nicht mehr sonderlich gut verstanden. Nicht im Bett und auch sonst nicht.

      Er schaute ihr nach, wie sie aus einem Erdloch im Boden eins ihrer Handarbeiten holte. Holda war zufrieden, wenn sie sich mit ihren Dingen beschäftigte. Nun, wenn er ehrlich war, war er zufrieden, wenn er sich mit seinem Hobby beschäftigte: Menschen beobachten. Nein, es war eher seine Passion, nicht nur eine Freizeitbeschäftigung. Es war zu seinem Leben geworden, die Oberwelt zu besuchen und dort Forschungen anzustellen. Er hatte sich sogar die Mühe gemacht, Aufzeichnungen darüber zu machen, was er alles entdeckt hatte und es ärgerte ihn, dass Holda sich so gar nicht für seine Aufzeichnungen und seine Entdeckungen interessierte.

      Holda ging dazu über, so zu tun, als wäre ihr Gefährte gar nicht mehr im Raum. Es war nicht so, dass sie es unangenehm fand, ihn zu massieren. Aber es machte ihr auch keine wirkliche Freude. Sie spielte das alles nur vor. Ihre Beziehung war dahin. Schon lange, dass wusste sie. Und sie ahnte, dass Abellus das ähnlich sah. Aber keiner von ihnen beiden, wollte den ersten Schritt machen, um sich voneinander zu trennen. Sie waren schon so viele Jahrzehnte zusammen! Das war ja das Verrückte, obwohl sie sich nichts mehr zu sagen hatten, konnte Holda es sich nicht vorstellen, ohne Abellus zu leben. Er war Teil des Inventars geworden. Er war ein Teil ihres Lebens. Und manchmal konnte sie nicht mal mehr sagen, ob ein angenehmer oder ein unangenehmer.

      Thomas Baldun hielt das Ding angewidert an seine Augen. Es war aufgeplatzt und an einem Ende faserig geworden. Eine Frau hatte das Ding, statt in den dafür bereit stehenden Mülleimer, einfach achtlos auf den Boden geworfen. Nun, es war wenigstens nicht in Gebrauch gewesen. Das wäre dann ja wohl auch die Höhe gewesen! Ein gebrauchtes Tampon auf dem Boden der Damentoilette.

      Kopfschüttelnd und mit einigem Schwung beförderte Thomas Baldun das Watte-Teil in den dafür vorgesehen Behälter. Der war wieder mal Rand voll mit ekligen Frauensachen. Er versuchte nicht hinzuschauen, als er den Beutel aus dem Mülleimer hob. Schnell knotete er die Enden des Plastikbeutels zusammen und lief dann fast den Gang runter, zum Hinterausgang, wo die Mülleimer für Sondermüll standen. Seit sie keine Putzfrau mehr beschäftigten, musste auch er Arbeitsbereiche abdecken, die ihm nicht gefielen. Den Mülleimer in der Damentoilette leeren, gehörte dazu. Dabei hätte das auch Frau Meier gut machen können. Doch die war vom Pastor nur zum Toiletten reinigen verdonnert worden. Er dagegen musste sich im ganzen Gebäude um den Müll kümmern.

      Sein schöne Befriedigung von eben, war wie dahin geflogen. Er fand es ganz und gar nicht erotisch, sich in der Damen Toilette aufhalten zu müssen. Frauen waren ja für Sex o.k., aber für mehr interessierte er sich nicht. Besonders ihre Ausscheidungen, wenn sie nicht mit Sex zusammen hingen, interessierten ihn nicht. Nein, er hatte kein Interesse an der Damenwelt und ihren Schattenseiten.

      Jetzt war er so angespannt, dass er glatt noch mal Hand an sich legen hätte müssen, um wieder ruhiger zu werden.

      Abellus verstand die Signale von Holda. Sie wollte in Ruhe gelassen werden. Es hatte keinen Sinn, ihr auf die Pelle zu rücken. Was soll es, dachte er. Dann vergnüge ich mich eben wieder oben in der Menschenwelt.

      Pastor


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