Shira und Paul der Mahner. Helmut Lauschke

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Shira und Paul der Mahner - Helmut Lauschke


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es fremde Mächte sind, die im Wahn des Hasses plündern, schänden und morden. Es geht soweit, dass sie unersetzbare Kulturgüter mit Hämmern und Äxten zerschlagen, dass sie mit Bulldozern und Tanks die geheiligten Stätten vernichten und zerwalzen.

      Achmed. Das kann doch nur das Ende sein, dem wir zu entkommen suchen, wenn hinter uns die Städte und Dörfer der Heimat im Boden versinken, Frauen und Kinder geschändet und die Männer enthauptet und erschlagen werden. Was bleibt dann für uns noch übrig?

      Machmud. Es ist die große Frage: Was wird uns die Zukunft vorhalten? Ich fürchte, der Schreck fährt uns durch die Glieder, dass es uns schwarz vor den Augen wird.

      Chor (unsichtbar). Fürchterlich schlägt der Donner nieder, wir zittern in den Köpfen und den Gliedern, heulend fegt der Sturm als großer Rächer, krachend bersten Wände, stürzen die Dächer. Verstaubte Körper kommen mit müden Gesichtern, die Zeichen der Erschöpfung sind tief eingegraben. Es blitzt mit donnernden Salven über den Lichtern, dass kaum noch Leben in den Gemäuern zu erwarten ist.

      Was mit guten Geistern durch die Jahre ging, sie sind vergangen und kommen trotz größtem Verlangen nicht zurück. Vom Wege ab formieren sich die Menschen, sie stehen mit Frauen und Kindern und den Alten. Sie alle stehn erschöpft mit Wunden an den Füßen und mit Augen des Schmerzes und der großen Trauer. Was vor ihnen liegt, sie wissen es nicht. Die Furcht drückt vor dem Unbekannten, doch schlechter kann es nicht werden.

      Sirna. Hier passt mein Leben gar nicht her, wo einst Frieden durch die Gassen zog. Hass und Feindschaft machen’s schwer, wo in Jahren milde Güte leicht und freudig wog. Es gab die engen Bande des Für- und Miteinanders, wenn Not und Krankheit am Menschen zehrten. Es gab das Helfen und den Beistand mit Herz und Hand, was alle selbstlos taten, diese Sitte war jedem altbekannt.

      Dass es dann so anders kam mit Gewalt und Hass, so unerwartet anders wurde über Nacht, dass Menschen geschlagen und gefoltert wurden, dass der Frieden mit den Dächern niederbrannte. Ich begann die Gesichter genauer zu betrachten und sah die Angst und Hoffnungslosigkeit in ihren Augen, da spürte ich den brennenden Schmerz in mir, dass ich erstarrte und stand mit jagendem Herz.

      Es brauchte seine Zeit, die Eigenatmung zu bemerken, die Minuten vergingen, den Willen zu stärken, was nicht geschah bis in diese Stunden hinein. Es zieht sich in die Monate und Jahre, um ein Leben mit mehr Reife und Erkenntnis zu verstehn, warum es kommt, dass große Werte zerschlagen werden.

       Dritter Auftritt

      Vor dem Lagertor

      Tarek. Bist du’s, Sirna, in der späten Dämmerung? Meine Augen tun sich schwer, dich zu erkennen. Doch wenn du es bist, dann fällt mir der Stein vom Herzen, dass du lebend den weiten Weg geschafft hast.

      Sirna. Ja, ich bin’s und habe dem jungen Mann zu danken, der den kleinen Izmir auf die Schulter nahm und hierher trug.

      Tarek. Wo ist der Mann, führe mich zu ihm, dass auch ich ihm für seine Güte danke und den Obolus entrichte.

      Sirna. Er gab mir Izmir an die Hand und eine Flasche Wasser dazu, lehnte jegliche Bezahlung ab, grüßte freundlich und verschwand.

      Tarek. Mein Kind, denkst du nicht, dass er im Lager ist, um die Nacht hier zu verbringen? Er kann unmöglich in die Nacht hinaus verschwunden sein.

      Sirna. Vater, ich weiß es nicht, doch was ich sah, war seine Eile, als ob er anderen Menschen folgte, die ihm auch am Herzen lagen.

      Tarek. Ich begreife es als Wunder, dass du mit Izmir den weiten Weg genommen hast, der sich hart und steinig über die langgezogene Hügelkette streckt. Dieses Wunder geht über meinen Verstand, weil viele Menschen auf dem Weg ihr Leben verloren.

      Sirna. Ohne Wunder können wir die Tage nicht überstehen.

      Tarek. Wie meinst du das? Ich verstehe, dass es neben den großen Wundern die vielen kleinen Wunder gibt. Doch möchte ich sagen, dass es die kleinen alltäglichen Wunder sind, die uns das Tragen der schweren Bürde erleichtern und über die Stunden erträglicher machen.

      Sirna. Ich gebe dir recht, dass bei dem Mangel an Wasser es schon an das große Wunder grenzt, dass bei der grimmigen Trockenheit in den Kehlen uns der Atem trotz der Schwere erhalten blieb.

      Tarek. Kann es nicht so sein, dass es das große Wunder ist, wenn wir die vielen kleinen Wunder gar nicht mehr wahrnehmen? Denn würden wir jedes kleine Wunder mit der nötigen Aufmerksamkeit registrieren, der Mensch würde bescheidener werden und durch die Bescheidenheit näher an die Wahrheit herankommen und ihn dadurch reifer machen, was ihn letztendlich an die Grenze von Zeit und Ewigkeit in seinem Leben führt. Das ist’s, was ihn die Erfüllung erkennen und erleben lässt und ihn am Ende glücklich macht.

      Sirna. Doch wo sind die Menschen der Bescheidenheit mit den helfenden Händen, wenn man sie braucht? Auf dem steinigen Weg hierher waren es vielleicht zwei wie der eine, der Izmir auf seine Schultern setzte.

      Tarek. Bescheidenheit ist eine hohe Tugend, die zu erlangen nicht jedem gegeben ist. Denn um bescheiden zu sein, bedarf es der Bildung, die über das gewöhnliche Maß doch hinausgeht. Selbst Menschen meines Alters sind wenige, die mit dieser Tugend zum Wohle der Menschen gesegnet sind. Und die Zeiten nehmen an Gewalt und Härte zu, dass sie diese Milde nicht mehr wahrnehmen.

      Sirna. So kommt selbst die Bescheidenheit einem Wunder näher.

      Tarek. Du kannst sagen, sie kommt einem Wunder gleich.

      Sirna. Und dieses Wunder ist kein kleines mehr.

      Tarek. Dass zu erfahren schon ein großes ist. Darin, ich meine im Wunderbaren, haben sich die Zeiten zum Nachteil der Menschen verändert. Die Armut, die es auch früher gab, hat sich weit auf die Seelen ausgedehnt und sich ihrer bemächtigt, dass die Herzen hart, so steinhart geworden sind.

      Sirna. So behüte mich Gott, er ist der Menschen Schöpfer, dass mein Herz die Milde weder verachtet noch verwirft, dass meine Hände helfende Hände sind für Menschen, die der Hilfe im Leben so dringend bedürfen.

      Tarek. Mein Kind, du hattest schon immer ein weiches Herz, wofür dir die Menschen dankten und weiter danken werden.

      Paul. Welch ein Zufall, welch ein Tag, dass ich dich hier wieder treffe, den guten Lehrer der großen Schule, aus der die guten Schüler kommen und als Ärzte und Anwälte den Menschen dienen.

      Tarek. Ja, es ist ein Zufall, denn lange hab ich dich nicht gesehen und habe mir doch Sorgen um dich gemacht.

      Paul. Sorgen solltest du dir meinetwegen nicht machen, das Leben hat mich weise bis hierher geführt.

      Tarek. Du meinst, weise, weil du am Leben bist und dir kein Geschoss durch Arm oder Bein gejagt wurde. Auch sind dir die Wangen nicht eingefallen wie den vielen, die sich auf den Weg gemacht haben.

      Paul. Es ist der Weg in die Ungewissheit, vor der sich nicht nur die Menschen fürchten, sondern auch die Tiere, die uns tragen und begleiten, denn auch sie dürsten nach dem klaren Wasser.

      Tarek. Doch die Esel sind an größere Gewichte gewöhnt mit den Säcken von Kleidern und von Mais, die sie auf dem Weg in die Ungewissheit tragen.

      Paul. Und wir uns dabei fragen, ob es Sinn hat mit den Kleidern, wenn wir nicht wissen, ob wir sie noch einmal tragen werden.

      Tarek. Wenn wir sie nicht tragen, dann werden es die andern tun und das mit nicht geringerem Stolz. Denn teure Kleidung steht auch armen Menschen gut, die sich solche Stücke bislang nicht leisten konnten.

      Paul. Was die Zeit uns bringt, ist das Mehr


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