Das Ende der Clara. Helmut H. Schulz

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Das Ende der Clara - Helmut H. Schulz


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seine Tochter handelte.

      4

      Wir saßen auf der Mole, kauten Grashalme und beobachteten die »CANBERRA«. Da kam diese Dagmar und winkte uns zu. Also standen wir auf, wischten uns die Hände an den Buxen ab und machten Shakehands mit dem schönen Kind.

      "Hallo, Papa über Bord gegangen?"

      "Er macht neue Zettel an", sagte sie, "und was heißt hier Papa? Für euch noch lange nicht Papa."

      "Zettel macht er an? Schon wieder? Und was steht drauf auf diesen Zetteln?"

      "Die Bitte um Meldung und der Termin des Starts."

      "Nun verklicker uns mal, Mädel," sagte Hinrichsen, "wie er sich die Sache denkt. Wie macht man es, um auf dem zwoten Platz zu bleiben? Dein Papa wird es dir verraten haben. Wir können schweigen, wir beide, der olle Wedderkopp hier und ich, Hinrichsen, sowieso."

      "Mal auf den Busch klopfen, was?", sagte sie. "So leicht ist die Prinzessin nicht zu haben und das halbe Königreich auch nicht. Strengt euch doch mal an."

      "Und wem gehört eure »CANBERRA« denn wirklich? Diesem Johannsen?"

      Auf dem Ohr aber war sie vollends taub, wir seufzten und sagten, es gehe nichts über gesprächige Frauen.

      "Schön," sagte sie, "es gibt nicht nur eine Lösung, ganz klar. Man kann sich abrackern, um hintennach zu bleiben. Das habt ihr ja schon rausbekommen, aber es gibt eine einzige ganz frische Lösung, die euch auch noch Spaß macht. Wenn er das Boot nicht jedem geben will, sondern dem Richtigen, muss er die Anwärter eben auf Herz und Nieren prüfen. Ihr seid Studenten, was?"

      "So fragt man Leute aus", sagte Hinrichsen. Er bot ihr einen Erfahrungsaustausch an, und vielleicht hätte er damit Erfolg gehabt. Daraus wurde dann aber nichts, der Skipper kam, begrüßte uns mit Handschlag, ließ sich von dieser Dagmar auf die stopplige Wange küssen und nahm sie mit. Auf unsere Frage, wie viele Meldungen er denn nun schon habe, erklärte er, vorläufig würden nur wir beide an den Start gehen. Niemand sonst habe sich gemeldet, aber mit zwei Meldungen wäre er ganz zufrieden, zumal er nur Gutes über uns gehört habe.

      "Da sehen Sie", sagte Hinrichsen. "Nichts kommt raus bei Ihrer Regatta. Sie ist Mist, Ihre Idee ist einfach Mist."

      "Ja, das weiß ich nun schon", sagte der Skipper, "Ihre Meinung haben Sie mir gesagt, und ich wiederhole euch, es gibt einen Weg zum Sieg und sogar einen knochen- und beinharten Weg. Und wer darauf kommt, der verdient die »CANBERRA« auch wahrhaftigen Gottes. Verkaufen kann ich sie jederzeit."

      "Können Sie", sagte Hinrichsen, "wir haben Nachforschungen angestellt. Sie war mal eine Größe, ein Stern erster Ordnung, heute ist sie ein bannig alter Kasten.

      "Sagt Ihnen der Ort Kappeln was, in Holstein?"

      "Kappeln? Wo soll das sein? Nie davon gehört."

      "Nun, mein Sohn", sagte der Skipper, "mit Gerede kriegt ihr mein Boot nicht, ihr Jungens. Sie ist noch immer eine piekfeine Yacht, eine große Schönheit auf den sieben Meeren, und sie braucht eine zarte und manchmal eine harte Hand, wie das bei Frauen so ist. Glaubt es mir, nicht jeder verdient sie."

      "Und sie gehört Ihnen?", fragte Hinrichsen.

      "Seh ich aus, als ob ich verschenke, was mir nicht gehört?", sagte er. "Bleibt es nun bei eurer Meldung oder was? Sonst ziehe ich einfach weiter."

      Wir nickten verdrossen und gingen auseinander. Was blieb denn auch übrig? Er war ein Erpresser, das war er ganz sicher, und er hatte uns an der Angel, das war auch klar.

      5

      In der Nacht vor dem Rennen schliefen wir wenig. Hinrichsen blätterte in einem Lehrbuch und sagte: "Hör zu, Alter! Ihre Funkanlage ist ausgefallen, die ganze E-Anlage ist zum Deibel gegangen, defekt, nichts funktioniert mehr, kein Strom, alle Chronometer an Bord sind stehen geblieben. Ihr Sextant ist über Bord gegangen, den zweiten haben sie verlegt. Da kommt ihnen der Alte und verlangt ein Mittagsbesteck."

      "Blödsinn. Der eine ist über Bord gefallen, der andere ist verlegt?"

      "Bitte", sagte Hinrichsen, "hier steht es, wenigstens so ungefähr, also muss es eine solche Situation schon gegeben haben. Hinter solchen Prüfungssachen stecken jahrhundertelange Erfahrungen."

      "Gesucht die Mittagsbreite? Ist der Himmel vielleicht bedeckt, und haben sie das Nautische Jahrbuch verheizt, oder ist die Sonne über Stag gegangen? Wenn ich das schon höre!"

      "Kluges Kerlchen", sagte Hinrichsen. "Wedderkopp, weshalb sind wir eigentlich beide auf dieses mickrige Weibsbild scharf? Die blamiert uns bis auf die Knochen. Und wir schippern uns da draußen einen ab, und die Burschen lachen sich tot über uns."

      "Erstens ist es eine Frage der Berufsehre. Wenn der Skipper sagt, es gibt eine vernünftige Lösung, dann wird das wohl stimmen. Er sieht nicht so aus, als ob er nicht weiß, was er sagt, und vor allem, was er will. Zweitens aber handelt es sich ja um ein Stück Seefahrtsmuseum bei diesem Schifflein, wenn sich sogar der olle Grell an die Yacht erinnert. Sie war ungeschlagen, solange sie einen hatte, dem was an ihr gelegen war. Da sind wir ihr also was schuldig. Drittens geht es um die Prinzessin, wie in den alten Zeiten, als die Seefahrer allesamt auch ein Stück Piraten waren und sich nahmen, was sie wollten, Gold, Land und schöne Frauen. Deshalb nämlich fuhren sie aufs Meer hinaus. Kapiert?"

      "Hm," sagte Hinrichsen, "du tickst schon lange nicht mehr ganz richtig. Übrigens, Karten und Seehandbücher hat der Smutje verheizt ... Binden Sie sich einen Stein um den Hals und jumpen Sie über Bord, aber wenn du das so siehst, dann müssen wir beide die Sache wohl durchstehen."

      Er hatte auf meine Welle geschaltet, aber was heißt, wir beide? Doch wohl nur einer von uns. Er holte eine Schere und schnippelte zwei Boote aus. Auf dem Fußboden schob er die beiden Schiffchen mit einem Stock hin und her und grübelte über die Lösung nach. Er schrieb sich auf, was er herausgefunden hatte, deckte seine Aufzeichnungen aber mit der Hand ab. Von wegen wir beide.

      Ich hingegen war sicher, dass die Lösung nichts mit Taktik, mit Windrichtung, Seegang, Abdrift und dergleichen zu tun hatte, sondern dass sie genial einfach war. Hinrichsen schob das Zeug zusammen und verkündete: "Schiet. Soll die »CANBERRA« zum Teufel gehen mitsamt dieser rotzfrechen Dagmar. Ich mach mich nicht zum Narren, ich trete zurück."

      "Jetzt hör du mir mal zu", sagte ich, "da es nur zwei Starter gibt, kannst du nicht einfach das Handtuch werfen. Gegen mich allein kann ich nicht segeln. Dann zieht der Alte wirklich ab, und das wär doch jammerschade, von der Riesenblamage mal ganz abgesehen." "Dann überschlaf es", sagte Hinrichsen. "Ich bin mit meiner Weisheit am Ende. Aber schön, ich mach vielleicht mit und einer von uns gewinnt das gute Stück. Dann werden die Leute sagen, er hätte sie uns auch schenken können, ein Rennen, mein Junge, ein Rennen wird das im Leben nicht."

      6

      Wir schliefen also nicht viel in dieser Nacht, aber gegen Morgen muss ich doch gedruselt haben. Im Traum sah ich die »CANBERRA« unter ihrem Zeug und mich am Ruder. Von Dagmar träumte mir nichts, aber ich dachte mir, dass sie in der Kajüte war. Sonderbarerweise hockte ein durchsichtiger Oll-Grell auf der obersten Saling und grölte sein Besan-Schot-An. Die »CANBERRA« machte Fahrt, das Zeug stand voll, aber ich hörte keine Geräusche. Die Yacht wollte mir was mitteilen, auf ihre Weise, auf Weise der Yachten, und vielleicht kam die Lösung auch von dem gläsernen Oll-Grell oben auf der Saling oder von der Dagmar, die es sich heiß wünschte, dass ich sie gewann. Oll-Grell fuchtelte mit den Händen herum, seine Jacke ging immerzu auf, und der Deutsche Seglerbund zeigte sich auf seiner Brust, bis es mir schwarz wurde vor Augen. Dann erwachte ich. Eine Weile lag ich still und suchte mich des Traumes zu vergewissern. Noch beim Aufstehen hatte ich keine Ahnung, was mit mir los war, beziehungsweise, was sie mir im Traum gesagt hatten, vielmehr hatten sagen wollen, aber als Hinrichsen zu mir an den Waschtisch trat, um sich zu rasieren, als er sagte: "Bei dieser verdammten Sache geht eben alles verkehrt, Wedderkopp, unten ist oben, achtern ist vorn, und die Ersten sollen die Letzten sein", da wusste ich mit einem Schlage Bescheid. "Wie war das noch mal gleich? Der Erste soll der Letzte sein? Aber doch das Boot, nicht wahr? Doch nicht der Mann, was? Die »CANBERRA« gehört uns, wir kriegen sie auf


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