Das Ende der Clara. Helmut H. Schulz

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Das Ende der Clara - Helmut H. Schulz


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wussten nicht recht wie weiter. Schließlich war es die Sache des Skippers, was er mit seinem Boot machte.

      "Wer hat euch eigentlich erlaubt, meinen Zettel abzumachen?", fragte der Skipper.

      "Niemand", sagte Hinrichsen, der immer das Maul am weitesten aufreißt, wenn es was zu verklaren gibt. "Hören Sie mal, Kapitän, ihre Idee ist einfach Mist. Es gibt gar kein Rennen, wenn einer hinter dem Ersten bleiben muss, es gibt nur ein Durcheinander von Booten, das ist alles. Sie haben sich auf unsere Kosten amüsieren wollen, aber so dumm sind wir nun doch nicht."

      "Erst mal macht ihr den Zettel wieder an", sagte der dicke Skipper nicht unfreundlich, aber mit Nachdruck, und da ich ihn innerlich lachen sah, wurde er mir sympathisch.

      "Vielleicht gibt es noch gescheitere Leute, als du es bist, mein Junge", sagte er.

      Hinrichsen wurde hitzig, und als ihm die Luft ausgegangen war, sagte der Skipper mit aller Ruhe: "Ihr kennt meine Bedingungen, Jungens. Niemand braucht sie anzunehmen. Strengt mal euren Grips an! Es heißt doch, Sieger ist der, dessen Boot als zwotes reinkommt." "Klar", sagte Hinrichsen, "und das ist eben der Mist. Stecken Sie sich man Ihren Zettel an den Hut." "Sachte", sagte der Skipper, "ihr seid doch sicherlich kluge und gute Jungens, was?"

      Da kletterte seine Frau, das junge Ding, aus der Koje, vielleicht weil wir eine Menge Lärm vollführten, und der Skipper stellte sie uns vor.

      "Das ist meine Dagmar."

      "Ist die auch ein Teil von der »CANBERRA«?", fragte ich ihn. "Kann man sie auch gewinnen?"

      "Das macht man selber mit ihr aus", sagte der Skipper. "Ich bin doch kein Sklavenhändler. Aber wenn man Glück hat, kann man sie schon gewinnen."

      "Nur Ihre Bedingungen sind leider ganz großer Mist", sagte Hinrichsen eigensinnig.

      Diese Dagmar lachte schallend, und mir ging endlich auf, wer sie war, nämlich die Tochter des dicken Skippers und eine echte Wikingerin dazu.

      "Die Prinzessin und vom Papa das halbe Königreich dazu, nicht wahr?"

      Er nickte, und auch sein Töchterlein nickte heftig. Ich nahm es als ein ganzes Versprechen, und sie gefiel mir vortrefflich. Wir empfahlen uns, gingen ins Dorf und bestiegen unsere Räder, um die umliegenden Häfen abzuklappern, ob dort mal einer was von der »CANBERRA« und dem komischen Dicken und Skipper, sowie seiner schönen Tochter und Prinzessin gehört hatte. Vorher mussten wir noch einen kleinen Streit mit Prinz Heinrich ausfechten, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, von uns wie von anderen Leuten Liegegeld abzukassieren. Wir hatten aber nicht vor, wie andere Leute zu sein, was zu zahlen, und machten, dass wir wegkamen.

      3

      Wenn einer was wusste, dann Oll-Grell. Ihn suchten wir als Nächsten auf. Er saß da, wo er schon vor sechzig Jahren gesessen hatte, und er tat, was er all die Jahre immer getan hatte, nämlich gar nichts. Manchmal musste er natürlich aufstehen, aber dann nur aus sehr triftigen Gründen. Bei dieser Art zu leben, hatte er beinahe das achtzigste Jahr erreicht, und er wusste alles, was sich auf dem Haff und am Achterwasser abspielte. Offiziell war er als Hilfskraft im Klub beschäftigt, aber weiß Gott, womit.

      Wir sagten also: "Tag, Oll-Grell. Kennst du einen Kapitän Johannsen?"

      "Gibt es den noch? Segg bloß."

      "Kennst ihn also. Wer und was ist er?"

      "Funker man bloß, seit undenklichen Tiden is he datt nun wohl."

      Wir beschworen ihn, sich nicht die Würmer aus der Nase ziehen zu lassen.

      "He is ein Schlitzohr", sagte Oll-Grell mit Händen und Ohren wackelnd. "Wat hebt ihr denn mit oll Johannsen to schaffen?" Wir erzählten ihm, was dieser Johannsen und der Skipper von der »CANBERRA« mit uns vorhatten, also nicht bloß mit uns, sondern mit den Leuten auf dem Wasser hier herum im Allgemeinen. Als wir ausgeredet hatten, feixte Oll-Grell und setzte zu einer Rede an. Nun ist das Platt von Oll-Grell eine fürchterliche Sprache, die nur er selbst und zwei oder drei ganz alte Leute verstehen, die gleich ihm keine Zähne mehr im Maule haben; auch nuschelt Oll-Grell von Hause aus etwas stark. Aber gleichwohl mussten wir herauskriegen, was es mit Johannsen, dem Skipper und der schönen Prinzessin auf sich hatte.

      "Diese Dagmar, die kenn ick nich", sagte Oll-Grell, "was die »CANBERRA« betrifft, so kann es sich nur um die Yacht handeln, die vor Jahren alle Preise von Kiel bis Zoppot geholt hat. »CANBERRA« hieß sie damals aber nicht. Nun will he ihr awgeven? Kiek an. Vorsicht, Jungens. Und Johannsen? Vielleicht ist sie dem jetzt eigen?"

      Das war ja immerhin etwas, wenn auch nicht viel. Da kam so von ungefähr unser Sekschonsleiter längs, wie Oll-Grell das Wort ins reinste Platt überträgt, damit wir auch verstehen, wer der Mann ist, und fragte, ob Oll-Grell denn auch alles erledigt habe, was ihm aufgetragen worden war, dass er hier rumsitzen und mit uns klönen könne. Da öffnete Oll-Grell seine Jacke und zeigte ihm das schöne Hemd mit dem Segelboot darauf und der Schrift: Bund Deutscher Segler, ein Kleidungsstück, das mal bei einer Haffwoche an Oll-Grell hängengeblieben ist. Seither trägt er das gute Stück, gelegentlich wäscht er es unter der Pumpe aus.

      "Wir haben hier nämlich eine Besprechung", sagte Oll-Grell würdevoll. Da mussten wir auch noch dem Sektionsleiter den Fall vortragen, aber der sagte, für Regatten seien allein die Verbände zuständig, niemand sonst. "Privatleute dürfen es überhaupt nicht." "Johannsen ist schon ein Schlitzohr", sagte Oll-Grell. Is ooch keene Regatta nich, sondern man bloß ein Jux för de dummen Jongens."

      Der Sektionsleiter nahm uns alle mit in sein Büro zur weiteren Verhandlung der Sache und blätterte in seinen Akten, bis er den Steckbrief der »CANBERRA« gefunden hatte. In Kappeln soll sie erbaut worden sein, und zwar 1935 und immer mal den Besitzer gewechselt haben, war wie eine Hure von Hand zu Hand gegangen, aber offenbar dabei nicht schlechter geworden, sondern immer besser und feinfühliger.

      "Hört mal, ihr Jungens", sagte der Sektionsleiter ernst, "das gibt euch nur Ärger. Ist er Däne, dann muss er sie einklariert haben, woraus folgt, dass er sie auch wieder ausklarieren muss. Ist euch das einigermaßen klar? Nicht mal schenken könnte er euch sein Boot, es sei denn, ihr langt tief in die Tasche und legt einen gepfefferten Einfuhrzoll auf den Tisch des Staates. Es ist etwas faul im Staate Dänemark, Hände weg davon. Es hat auch keinen Sinn, ein so altes Boot zu kaufen. Bei jeder Wende rollen euch tausend Liter Wasser von einer auf die andere Seite." Er deutete rüber zur Wiese, wo die Solings standen. "Dort liegt die olympische Zukunft, Jungens!"

      "Jawoll", sagte Oll-Grell, "bei den Kübeln aus Plast auf der Schafweide. Die Ingenieure haben diesen Dingern irgendwie das Schwimmen beigebracht. Was seggst?"

      "Du halt den Sabbel", sagte der Sektionsleiter streng zu Oll-Grell.

      Eilig stimmten wir zu, obschon uns die Sache nicht weniger reizte, auch wenn sie oberfaul sein sollte. Wir dachten voller Liebe an die Prinzessein, aber von diesem Mädel wollten wir dem Sektionsleiter doch lieber nichts vertellen. Das war uns selber doch zu abenteuerlich. Wir fragten ihn, ob er wisse, wie man konsequent auf dem zweiten Platz bleiben könne. Er galt als bedeutender Taktiker, und gewerblicher Vermesser war er noch obendrein, neben seiner Arbeit im Klub. Und er tat uns auch den Gefallen und tippte allerhand auf seinem Taschenrechner herum, drehte an seinen verschiedenen Pappscheiben mit Zahlen und Peilungen, und dann sagte er, das müssten wir allerdings selber herausfinden, in der Praxis. Möglich sei es natürlich und vielleicht genauso schwer, wie als erster die Tonnen zu runden und diesen Platz auch zu halten. Er habe uns ja gerade beibringen wollen, den zweiten Platz wie das Feuer zu meiden, so weit wie möglich nach vorn zu segeln, aber es gebe eben zu wenig Talente. Denn wer auf dem ersten Platz liege, dem sei es kaum verwehrt, auch auf den zweiten reinzukommen. Er wollte noch wissen, ob es sich um olympische oder um andere Regeln handele, nach denen das Rennen ausgetragen werde. Also, kurz und gut, viel war mit ihm nicht anzufangen. Oll-Grell rief uns nach: "Johannsen is ein Schlitzohr."

      Mehr kam bei unserer Tour nicht heraus, als dass dieser Johannsen wirklich so hieß und Funker war und dass die »CANBERRA« mal einen großen Ruf gehabt hatte. Schon die Existenz dieser Dagmar war dagegen recht zweifelhaft. Ob sie die Tochter des Skippers war, wusste ja keiner ganz genau, er selber hatte es nicht ausdrücklich


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