Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft. Bernhard Domschcke

Читать онлайн книгу.

Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft - Bernhard Domschcke


Скачать книгу
hatten, dass keiner zurückgeblieben war, wurde das Namensverzeichnis verlesen und jeder hatte, nachdem sein Name aufgerufen worden war, sich in die Säle zurückzubegeben. Ein solcher Anwesenheitsappell war überaus langweilig und der Rauch erhöhte die Unbehaglichkeit. Die Küche diente ferner als Fechtsaal. Eine Anzahl von Offizieren hatte sich Säbel aus Holz angefertigt und übte sich im Fechten. Auch die Rationen wurden in der Küche ausgeteilt. Eine Türe führte aus derselben direkt auf die Straße, war aber nur einige Stunden des Tages geöffnet und in diesem Falle natürlich bewacht.

      Wären die Esswaren, welche die Sanitätskommission uns schickte, gerecht verteilt worden, so hätte mancher von uns nicht zu hungern brauchen. Jene Gesellschaft, welche viel Gutes tat und an allen Orten zur Linderung der Leiden unserer verwundeten, kranken und gefangenen Soldaten wesentlich beitrug, sendete uns große Mengen von Kleidungsstücken und Esswaren, deren Verteilung die Rebellen-Beamten der "königlichen Familie" übertrugen. Wenn aber jemals Ungerechtigkeiten begangen wurden, so geschahen sie bei dieser Verteilung. Manche, welche die Günstlinge der "Familie" waren, erhielten im Überfluss und andere nichts; wer keinen Freund in der "Familie" hatte, ging leer aus. Es galt unter uns als eine ausgemachte Tatsache, dass die Rebellen-Beamten des "Libby" einen Teil der Sendungen der Sanitätskommission erhielten und dass die "Familie" selbst sich am reichlichsten bedachte, namentlich mit Esswaren. Als Agent der "Familie" fungierte ein gewisser Captain Forbes, welcher in strikter Übereinstimmung mit den Instruktionen von Sanderson und dessen Spießgesellen handelte und sich, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, arrogant gegen diejenigen benahm, welche sich nicht des Schutzes oder der Empfehlung eines Mitgliedes der "Familie" zu erfreuen hatten. Letztere stellte sich so an, als ob sie es sei, welche die Waren geliefert habe. Es grämte uns arg, dass der gute Zweck, welchen die Sanitätskommission im Auge hatte, auf diese Weise zum Teil vereitelt wurde. Wir hatten schon früher bei anderen Gelegenheiten die Beobachtung gemacht, dass es bei der Verteilung der Waren nicht mit rechten Dingen zuging und im "Libby" hatten wir nur ein weiteres flagrantes Beispiel. Fast bei allen wohltätigen Unternehmungen wissen sich korrupte, unsaubere Burschen heranzudrängen und sich in die Verwaltung einzuschleichen, um ihrer angeborenen Unehrlichkeit ein neues Feld zu öffnen oder um Gelegenheit zu haben, ihre erschlichene Autorität fühlen zu lassen.

      Wie im "Libby", so waren auch unter der Bevölkerung von Richmond Teuerung, Not und Hunger an der Tagesordnung. Fast täglich versammelten sich Kinder und Erwachsene vor dem "Libby", um ein Stück Maisbrot von uns zu erhalten. Der Ärmere bettelte bei dem Armen. In der Stadt war freilich die Ansicht verbreitet, dass wir mindestens hinreichende Lebensmittel hätten, denn die Lügenzeitungen ließen keine Gelegenheit vorübergehen, ohne dem Publikum das Märchen aufzutischen, dass das Kommissariat uns bestens verpflege und dass unsere Freunde im Norden uns außerdem die reichsten Vorräte sendeten. Der "Examiner" erzählte eines Tages mit der größten Unbefangenheit, dass das "Libby" zwar ein Gefängnis sei, in Bezug auf die Verpflegung der Gefangenen aber einem guten Hotel keineswegs nachstehe, denn die Gefangenen hätten Überfluss nicht nur an gewöhnlichen Nahrungsmitteln, sondern auch an den ausgesuchtesten Delikatessen. Ein anderes Mal wurde darauf hingewiesen, dass es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit sei, die gefangenen "Barbaren", welche den heiligen Boden des Südens widerrechtlich betreten hätten, um zu plündern, zu sengen und zu brennen und die Unschuld der südstaatlichen Damen zu gefährden, human zu behandeln und gut zu füttern, während die konföderierten Soldaten, welche die Freiheit des Südens und die Sicherheit des häuslichen Heeres verteidigten, in schlechter Kleidung am Rappahannock River und in Tennessee lagern und darben müssten. Diese öfter wiederkehrenden Äußerungen der Presse mochten viele zu der Meinung geführt haben, dass das "Libby" eine große Vorratskammer sei und wir im Überfluss schwelgten. Dass die Teuerung und Not in Richmond groß war, erfuhren wir umständlich von den Wachen, mit welchen einzelne von uns des Abends von den Fenstern der Küche aus verstohlen sprachen. Sie erzählten, dass die meisten von ihnen kaum genug erhielten, um ihr eigenes Leben zu fristen, während ihre Familien geradezu dem Elend preisgegeben seien. Die Wachen nahmen gern Brot von uns und einige durstige Offiziere tauschten mit ihnen Maisbrot gegen schlechten Apfelbranntwein, dessen schlimme Wirkungen bei den Betroffenen nicht ausblieben. Auch die Zeitungen konnten, obschon sie über unangenehme Dinge nicht gern zu sprechen pflegten, nicht umhin, gelegentlich die herrschende Teuerung, die armseligen Finanzverhältnisse des Südens überhaupt und den Schaden und die Verluste zu erwähnen, welche die Konföderation durch den Krieg erlitten hatte. Was sie als eine ganz besondere Kalamität ansahen, war, dass so viele Neger mit ihren "heuchlerischen Freunden" auf und davon gingen, wodurch die Arbeitskraft vermindert und der Weiße gezwungen wurde, selbst zu arbeiten, wenn er sein Leben erhalten wollte. Im "Examiner" vom 7. Dezember '63 war eine Mitteilung über Suffolk enthalten, in welcher besonders hervorgehoben wurde, "dass die weißen Herren und Damen alle Arbeit verrichten müssten, welche früher von den Dienstboten verrichtet wurde." Wäre nicht die bleiche Not bei diesen "Damen und Herren" erschienen, so hätten sie gewiss nicht zur Arbeit gegriffen, denn Arbeit war nach den Begriffen der Südstaatler eine Schande, namentlich solche Arbeit, welche zuvor von den Negern verrichtet worden war. "Not lehrt beten" heißt es im alten deutschen Sprichwort, aber im Süden heißt es: "Not lehrt arbeiten".

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4AAQSkZJRgABAgAAAQABAAD/2wBDAAgGBgcGBQgHBwcJCQgKDBQNDAsLDBkSEw8UHRofHh0a HBwgJC4nICIsIxwcKDcpLDAxNDQ0Hyc5PTgyPC4zNDL/2wBDAQkJCQwLDBgNDRgyIRwhMjIyMjIy MjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjIyMjL/wAARCA7mCWADASIA AhEBAxEB/8QAHwAAAQUBAQEBAQEAAAAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtRAAAgEDAwIEAwUFBAQA AAF9AQIDAAQRBRIhMUEGE1FhByJxFDKBkaEII0KxwRVS0fAkM2JyggkKFhcYGRolJicoKSo0NTY3 ODk6Q0RFRkdISUpTVFVWV1hZWmNkZWZnaGlqc3R1dnd4eXqDhIWGh4iJipKTlJWWl5iZmqKjpKWm p6ipqrKztLW2t7i5usLDxMXGx8jJytLT1NXW19jZ2uHi4+Tl5ufo6erx8vP09fb3+Pn6/8QAHwEA AwEBAQEBAQEBAQAAAAAAAAECAwQFBgcICQoL/8QAtREAAgECBAQDBAcFBAQAAQJ3AAECAxEEBSEx BhJBUQdhcRMiMoEIFEKRobHBCSMzUvAVYnLRChYkNOEl8RcYGRomJygpKjU2Nzg5OkNERUZHSElK U1RVVldYWVpjZGVmZ2hpanN0dXZ3eHl6goOEhYaHiImKkpOUlZaXmJmaoqOkpaanqKmqsrO0tba3 uLm6wsPExcbHyMnK0tPU1dbX2Nna4uPk5ebn6Onq8vP09fb3+Pn6/9oADAMBAAIRAxEAPwDw/dRu plFdNiLjw1KDTOPWk57UWC4/dg0pbNREHvSA1NhWuSHmk2j1pKTHvQFhwA9acIx1zUYHvRyO9AWJ d+3igSYqIHNK1ArDmbdSbfemiloHYNvvRtpPxozTFYdj3o+7Tc0bqAsP3ZpCoPek600n3oCw7b70 9WwKi3Y70u7NFgsS+bSbs0wYpM4osgHk0oNMozxQA8tinLJiogaDQMezZNG6m5GKTNAx+6jfTN1J mkFyTfSeZTM0UBcmWSgvzUIp4PFAydZMUSPuAqLdRuqbXHYs+aPLAprPlahH6UFqnkGSBsYp7yHH Sq+ae0hC9KfKA+NtwNBaoY5HwcKaRpWJ6YpcoE4NOEmKrBj3pwb1p2Hcs+ZmmvJxjFRq2aV5ABSs Fw696KjB96XfT5RNj+PWkKAc5pu+mk89afKInQ4pxkqtvIpDKfSjlAmJzRUQfPenZ96dhjh1p+MD NRBuac74TilyiuDGgPioVck8088CnYLkm7NN3YpqtSk5NHKFyRH5qR8MvWqpYjpTt5IqeUQ7aB3p Q2KjB96TNHKFiUyU0vmoyaN1OwEm/FAlpmc0UwJRLR5lRZpcikA8tSFqbTcHNFhkwPFJmkA+Wm5o sA/NBOeKZmkzSsBIDineZUO6l3AUWAmElIx3VFuoz70+UBwHNObpUeR60E+9HKADrT1YVCWxRuo5 QLBejfxUINO3DHWjlC45myKYDims1AbNFhEyyYqRZBVMuc04SGnYRYc5poA9aj3ZoJ96VgJCQKTO TUYPqadketFhjg1PElQ7qTOaVgJy4NMJ5qLJpQ1PlESBsGnb6gLUZzRygTBgKdvFV80D60coXJyc 0hqMNS76OULjxwaUtUe6jdzRyjA9c1IhA700jIqIKxfviiw7Fhpe1N3CkdAF96j/ABosJ6Eu4U9Z QKr/AI0n40rCuWWkBpBNt7VBuxRuzRyjuTmbNN381FkUm6nyhcn8ym7+ai3UbqOULlgHilEmKgEn alL4qbDuTebQsvNQB80m+iwXLUkmRTVl4qLzARSZ96dh3JHkyDToJgg5qDNI1FgJ5JBI+e1MJqMH A60b6OUdyXzMUefUWQe9FPlC5OJxih

Скачать книгу