Perlen vor die Säue…. Inge Elsing-Fitzinger
Читать онлайн книгу.Bauholz, Schotter oder Mastvieh beladen sind, hört Max Jürgens Erzählung amüsiert zu. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Um die Risiken so gering wie möglich zu halten, pumpen diese Halunken mit tückischem Scharfsinn ihr so mühevoll erarbeitetes Geld in seriöse Unternehmungen. Baumeister und Hotelkettenbesitzer, Leute, die den Ölmarkt kontrollieren, Politiker, die sich und ihren Freunden das Recht zurechtbiegen, um den gewünschten Profit einzustreifen. Und mitten drin agiert Jürgen und möglicherweise bald auch er, der kleine Max aus Berlin, mit fiesen Tricks und einer Überzeugungskraft, die ganze Bergwerke zum Wanken bringen kann. Max ist fasziniert von all diesen Eindrücken. Sein bereitwilliges Hirn arbeitet auf Hochtouren.
„Du machst dich Kumpel. Alle Achtung. Hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt, dass du so rasch Eingang in unser Metier findest.“ Jürgens wohlgefälliges Lächeln ruht auf dem Freund wie eine Samtdecke, die alles verhüllt, was nicht nach außen dringen darf. „Du wirst sehen, über kurz oder lang haben wir es geschafft. Ein hartes Stück Arbeit, das da vor uns liegt. Aber mit Satans Hilfe erreichen wir mehr, als du dir je erträumt hast.“
Jürgen trägt weiße Hosen, ein blaues Hemd und einen Marineblazer. Sein dichtes Haar klebt an dem wohlgeformten Schädel. Sein Gesicht hat nervöse Züge. Arme und Beine sind fortwährend in Bewegung. Sein Minenspiel zeugt von krampfhafter Selbstbeherrschung. Dennoch, jeder Blick, jeder Zug seines Mundes, alles stimmt mit den Worten, die er spricht perfekt überein. Filmpreisverdächtig.
Sie sitzen in dem prächtigen Speisesaal, genießen die Höflichkeit der herumschwirrenden Kellner, den edlen Tropfen, den der Sommelier perfekt zu dem erlesenen Fisch empfiehlt.
Max fühlt sich trotz all der Herrlichkeit nicht ganz wohl in seiner Haut. Langsam vergeht im der Appetit. Dieser Kerl ist mir etwas zu größenwahnsinnig. Wenn nun irgendetwas schief ginge?
„Greif zu, Freund, schlag dir den Bauch voll. Wann hattest du in letzter Zeit Gelegenheit, dich an solchen Köstlichkeiten zu ergötzen?“ Jürgens gönnerhafter Ton gibt ihm den Rest.
„Ich brauche frische Luft. Entschuldige bitte, aber mir geht das alles etwas zu rasch.“
„Du wirst doch jetzt nicht die Nerven verlieren? Leidest du etwa an einem Jetlegsyndrom, Alter! Ist wie beim Fliegen. Du kommst am nächsten Morgen an, ziemlich erschöpf zwar, aber du sitzt im Goldhaufen. Da kann dir noch so übel sein, wenn du das Geld einmal klimpern hörst, vergisst du alles. Schuldgefühle sind jetzt wirklich nicht angebracht. Mitgehangen, mitgefangen.“
„Lass mich wenigstens einmal durchatmen. Wir sehen uns dann in der Suite.“
Max springt unvermittelt auf. Plötzlich hasst er Jürgen und seine blöden Sprüche. Eilends verlässt er den Speisesaal. Jürgen blickt ihm schadenfroh nach, prostet einigen Herrschaften entspannt zu, deren Blicke überrascht dem Hasenfuss gefolgt waren.
Erst gegen Mitternacht torkelt er in die Suite, abgefüllt bis zum Rand. Friedlich brabbelnd wie ein unschuldiges Baby, schläft er bis zum nächsten Morgen. Max arbeitet wie besessen. Mehrere Expertisen, sorgfältig erstellt. Neu gekratzte Stempel sollen die Echtheit der Waren zweifelsfrei beurkunden. Jürgen hat die dafür benötigten Blätter aus feinster Pütte besorgt, ihm bereits im Flugzeug genaue Instruktionen gegeben.
„Mit der Zeit wirst du ein wahrer Experte, mein Freund. Dann läuft alles wie geleckt, ohne Hektik, ohne Schwierigkeiten. Viele Papiere kannst du in Zukunft bereits blanko erstellen. Ein paar wichtige Zahlen eingesetzt – und die Sache läuft wie geschmiert.“
Lukrative Geschäfte
Erste Station, Frankfurt am Main. Mietauto. Vorsprechen bei einem wichtigen Kunden. Anbieten einiger „eben importierter Stücke“. Expertisen vorlegen. Kassieren. Lächeln.
Max lauscht fasziniert den Fachgesprächen zwischen Jürgen und den jeweiligen Kunden. Ein völlig neues Metier, das sich vor ihm auftut. Wissend wiegt er seinen blonden Schopf, tut äußerst versiert, versteht nur Bahnhof. Doch das überspielt er mit seriösem Blick.
„Am häufigsten findet man bei Diamanten den Brillantschliff, weil dieser das Feuer besonders schön zum Strahlen bringt“ lauscht er fasziniert Jürgens Verkaufsgespräch. „Aber darf ich sie darauf aufmerksam machen, verehrter Herr, dass sich gerade in letzter Zeit auch andere traditionelle und neue Schliffformen großer Beliebtheit erfreuen.“ Aus mehreren Samtsäckchen streut Jürgen verschieden geschliffene Steine auf ein Tablett. In den Augen des Juweliers glimmt ein seltsames Funkeln auf. „Navetteschliff, Tropfenschliff, Smaragdschliff, Ovalschliff, Baguetteschliff, Herzschliff.“ Welche Form der Kunde wählt ist Geschmackssache. Hauptsache er kauft möglichst viele seiner so günstig erworbenen Steinchen. Dass sie von exzellenter Qualität und Schönheit sind, hat er sich mit fachkundigem Blick gestern schon überzeugt. Außerdem ist Wilenson tatsächlich ein Fachmann. Man weiß schließlich, welchen Kunden man übers Ohr hauen kann, und welchen nicht.
„Auf Diamanten versteht er sich besser, als auf seine Paragraphen. Der Kerl hat ganz einfach den falschen Beruf gewählt“, hat Jürgen gestern lachend gemeint, „aber schließlich ist jeder Mensch selbst daran schuld ob er verhungert, oder in Saus und Braus lebt.“
Das Gleiche spielt sich in München ab. Der Weg vom und zum Flughafen nimmt weit mehr Zeit in Anspruch, als die eigentlichen Verkäufe.
„Du hast keine Ahnung, wovon wir reden, stimmts?“ Jürgen betrachtet Maxs ahnungslose Mine mit einer gewissen Geringschätzigkeit. Schließlich lässt er sich gönnerhaft herab, ihm wenigstens Ansatzweise das nötige Rüstzeug für ihre künftige Zusammenarbeit zu übermitteln.
„Brillanten, also geschliffenen Diamanten bestehen aus gewöhnlichem, kristallisiertem Kohlenstoff, wie die Mine eines Bleistifts“, fügt er mitleidig erklärend hinzu, „und haben einem Schmelzpunkt von fast viertausend Grad Celsius.“
„Mann oh Mann, hätte ich nicht gedacht. Ist eigentlich ein tolles Teil, so ein Steinchen. Hab mir noch nie Gedanken darüber gemacht. Wie auch. In den letzten Jahren war ich froh, wenn ich genug Kohle für meinen Ofen hatte, was sollte ich da schon mit kristallisiertem Kohlenstoff.“ Ein missbilligender Blick Jürgens trifft ihn, während er der Stewardesse zunickt, ihm noch einen Whisky zu bringen.
Um den Kumpel nicht allzu sehr zu vergrämen, mimt Max geheucheltes Interesse an Jürgens Ausführungen. „Schieß los, sollte ich noch mehr über diese verführerischen Glitzersteinchen wissen?“
„Könnte nicht schaden, falls du die Absicht hast auch einmal ordentlich Geld zu verdienen.“ Max spielt kurzfristig den Beleidigten.
„Erst der Schliff bringt die Schönheit eines Diamanten zum Ausdruck. Starke Lichtbrechung und funkelnder Glanz sind das leuchtende Ergebnis. Die Schönheit eines Diamanten hängt von seinem Spiel mit dem Licht ab. Selbstverständlich sind Können und Erfahrung des Schleifers ausschlaggebend, dieses im Diamanten verborgene Feuer und seine Brillanz zu entfachen. Ein Wissen, das von Generation zu Generation weiter gegeben wird.“
„Klingt ja alles furchtbar zeitaufwendig.“
„Aber es lohnt sich. Lass erst einmal das Geld in deinen Taschen klingeln, dann wirst du ebenso wie ich einen Mords Spaß an der Sache haben. Also horch zu: Während dieses aufwändigen, zeitintensiven Prozesses verliert der Diamant rund vierundfünfzig Prozent seines Gewichtes.“
„Ein glattes Verlustgeschäft“, kläfft Max und heimst sich einen saftigen Rippenstoß von Jürgen ein. „Stell dich nicht so kindisch an Max. Seriosität ist angesagt, keine blöden Scherze. Also Präzision und Anlage der Facetten bestimmen die Brillanz. Der Schleifer muss den Stein so bearbeiten, dass das Licht durch die Oberfläche dringt, sich im Inneren bricht und wieder durch die Tafelfacette austritt. Nur so wird ein Höchstmaß an Licht reflektiert, der Diamant zum Funkeln gebracht. Als Brillant darf nur ein Diamant bezeichnet werden, der siebenundfünfzig Facetten hat.“
Jürgen ist in seinem Element. Er erzählt und erzählt. Max fühlt sich eingelullt in ein Meer von Funken. Er träumt von Reisen, schönen Frauen, die er mit Schmuck behängen wollte, die ihm dafür