Der Gott des Krieges. Uwe Siebert

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Der Gott des Krieges - Uwe Siebert


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      Larkyen schüttelte nur spöttisch den Kopf und ritt weiter.

      „Wenn du beim Fest bist, gib acht. Es sind auch viele Schlitzaugen dort.“

      Unfreiwillig musste Larkyen an die Berichte seines Adoptivvaters Godan denken, der immer wieder erzählt hatte, wie viel Skepsis die Angehörigen vieler Völker den Majunay gegenüber zeigten. Denn das Majunayvolk, das über eine enorme Begabung für die Kunst des Schmiedens und Kämpfens verfügte, teilte dieses Wissen nicht mit anderen Völkern und pflegte auch seine Traditionen. Seit jeher legten die Steppenbewohner Wert darauf, ihr Blut nicht mit dem anderer Völker zu vermischen.

      Larkyen war einer der wenigen Fremdstämmigen gewesen, denen einst die Vermählung mit einem Weib vom Blut der Majunay gestattet wurde.

      Schon bald erblickte Larkyen ein großes Lager aus Zelten. Der Rauch vieler Kochfeuer stieg auf und wehte den Duft von gebratenem Fleisch und würziger Suppen heran. Gelächter erklang, vermischt mit tosendem Beifall und dem Rufen vieler Stimmen in vielen Sprachen.

      Beim Näherkommen sah er hölzerne Stände und Tische, an denen Händler ihre Waren feil boten. Ihr Angebot reichte von Kräutern über Felle und Teppiche bis hin zu Kleidern und Tieren.

      Viele Menschen der unterschiedlichsten Völker tummelten sich in einer dichten Traube.

      Muskulöse Kedanier, deren Haut so weiß wie der Schnee ihrer Heimat im Norden war, schlitzäugige Majunay, dunkelhäutige Zhymaraner aus dem Süden. Vereinzelt waren auch die Menschen des Westens vertreten, die sich in ihrem Auftreten ähnelten. Ihre Haut war weiß, ihre Haare blond bis braun und ihre Augen waren von der blauen Farbe des Himmels oder dem Grün der Wälder.

      Die einheimischen Kanochier machten den Großteil der Festbesucher aus. Die Männer aus ihrem Volk waren stämmig, mit weißer Haut und starker Körperbehaarung, die Frauen zierlich, mit vollen Gesichtern und geflochtenem Haar. Die Farbe ihres Haares war durchweg schwarz, ihre Augen bernsteinfarben, gleich denen der Majunay.

      Die Kanochier galten als freundlich und zuvorkommend gegenüber Fremden. Wenig war über Kriegshandlungen ihrerseits bekannt.

      Auf einem hohen Holzpodest war ein ausgestopfter Löwe zur Schau gestellt, der soeben zum Sprung ansetzte. Während das Maul des Tieres zu einem Brüllen geöffnet war, starrte es bedrohlich auf eine mit Blutflecken übersäte Strohmatte herab.

      Ein bärtiger Kanochier betrat die Matte und rief: „Hört nun zu, die letzte Runde der Kämpfe um den Titel des Löwen von Kanochien kann beginnen!“

      Die Menschen strömten herbei und versammelten sich in einem weiten Kreis um die Kampfesstätte.

      Auf dem Rücken seines riesigen kedanischen Pferdes konnte Larkyen den bevorstehenden Kampf gut überblicken.

      Der Kanochier hob seine rechte Hand und rief den Zuschauern zu: „Der erfolgreichste Kämpfer des diesjährigen Festes stammt aus dem Nachbarland Majunay: Yenovar, vom Stamm der Oyenki. Ist jemand mutig genug, gegen Yenovar anzutreten?“

      Ein Raunen ging durch die Zuschauer.

      Ein kräftig gebauter Zhymaraner mit kahlem Schädel trat auf die Strohmatte und ließ sich von der Zuschauerschar bejubeln. Trotz des kalten Windes entblößte er seinen Oberkörper, spannte die Muskeln an und rief der Menge Worte in einer fremden Sprache zu.

      Der Kanochier zeigte sich begeistert. „Hier haben wir einen weiteren tapferen Kämpfer: Ahmarzan aus Zhymara nimmt es mit Yenovar auf.“

      Dem Zhymaraner trat nun ein Majunay gegenüber, der vor der hünenhaften Gestalt des Südländers eher klein und schmal wirkte. Er war älter als der Dunkelhäutige, sein kurzes Haar bereits mit grauen Strähnen durchsetzt. Auch der Majunay entledigte sich seiner Oberkörperbekleidung und offenbarte sehnige Muskeln.

      Ehe er die Strohmatte wieder verließ, deutete der Kanochier auf den Majunay und rief: „Yenovar!“

      Der bevorstehende Kampf erinnerte Larkyen nur zu gut an alte Fehden zwischen den beiden Völkern. Und ein jeder der Kämpfer ließ sein Gegenüber all die empfundene Verachtung füreinander spüren.

      Larkyen unterbrach seinen Ritt, um sich den Kampf anzusehen.

      Der Zhymaraner stampfte brüllend auf den Majunay zu, um ihn mit seinen großen Händen zu erfassen. Der Majunay jedoch war flink und konnte der Attacke ausweichen. Dann ging er selbst zum Angriff über.

      In den Manövern des Majunays erkannte Larkyen die Schläge und Griffe wieder, die er bei seiner Ausbildung zum Krieger selbst hatte erlernen müssen. Ihm drängte sich der Verdacht auf, dass jener Kämpfer einst Soldat gewesen war. Zu präzise und gekonnt verlief jegliche Bewegung.

      Tatsächlich dauerte es nicht lange, und der Majunay beförderte den Zhymaraner mit einem gezielten Tritt gegen die Schläfe in tiefe Bewusstlosigkeit.

      Aus den Reihen der Zuschauer erntete er sowohl Jubel als auch Schreie der Verärgerung. Ein unzufriedener Zhymaraner stürmte aus der Menge hervor, um den Majunay zu attackieren. Eine Kombination aus Schlägen und Tritten hagelte auf den neuen Kämpfer ein, und ehe er sich versah, fand er sich neben seinem Volksgenossen am Boden der Strohmatte wieder.

      Die Zuschauer lachten. Nur die Zhymaraner unter ihnen nahmen den Sieg des Majunay verärgert zur Kenntnis.

      Der Kanochier betrat erneut die Matte.

      „Gibt es weitere tapfere Männer, die es mit diesem Majunay aufnehmen wollen? Wer will der dreißigste Gegner für diesen Kämpfer sein?“

      Als kein weiterer Mann die Matte betrat, rief der Kanochier: „Dann haben wir hier und heute einen Sieger: Yenovar vom Stamm der Oyenki, aus dem Volk der Majunay. Der neue Löwe von Kanochien!“

      Die Zuschauer applaudierten und johlten.

      Larkyen wollte gerade weiter reiten, als ihm auffiel, dass mehrere Majunay unter den Zuschauern ihn anstarrten. Zwei von ihnen unterhielten sich und gestikulierten. Trotz des Stimmengewirrs entging es Larkyens übermenschlichen Sinnen nicht, dass das Gespräch von ihm handelte. Sie nannten ihn den Gott der Rache.

      Ein Majunay im Knabenalter, dessen Gesicht jugendliche Unerfahrenheit widerspiegelte, trat auf Larkyen zu. Seine bernsteinfarbenen Augen wirkten ernst.

      Er drängte er sich an das kedanische Riesenpferd und streichelte mit seinen Fingern über den muskulösen Hals des Tieres.

      „Ein prächtiges Pferd“, sagte der Knabe. Als der Hengst laut schnaubte, zog der Knabe erschrocken die Hand zurück.

      „Sei lieber vorsichtig“, sagte Larkyen, „Mein Tier ist schnell erzürnt und es gibt keine kräftigere Rasse unter den Pferden.“

      „Der Hengst stammt aus Kedanien, nicht wahr?“ fragte der Knabe. „Ich habe ein solches Tier noch nie aus der Nähe gesehen.“

      „Sei froh“, gab Larkyen zurück, „denn für gewöhnlich sitzen Kedanier darauf, und für einen Jungen wie dich können die Nordmänner den Tod bedeuten.“

      Der junge Majunay begann Larkyen zu mustern.

      „Verzeih, Herr!“ Der Junge mied es, ihm direkt in die Augen zu blicken. „Aber du bist Larkyen, der Beschützer Majunays, nicht wahr? Ich bin Arnyan.“

      Ein älterer Majunay zog den Knaben zurück und sagte: „Herr! Der Junge wollte dich nicht belästigen. Wir haben dich erkannt und wissen, wer du bist. Der Junge hat zu viele Geschichten über dich gehört. Sei dir gewiss, dass uns die Begegnung mit dir eine hohe Ehre ist.“

      Lange verbeugte sich der alte Mann, und der Knabe tat es ihm gleich.

      „Bitte erhebt euch“, bat Larkyen.

      „Pah“, schnaubte plötzlich eine tiefe Männerstimme. Ein hochgewachsener Kedanier mit langem blondem Haar schob den alten Mann beiseite. Der Nordmann war noch jung, doch die Narben in seinem bartlosen Gesicht zeugten von vielen Kämpfen. Auf seiner Stirn prangte eine rote Rune in Form eines Blitzes. Er ballte die rechte Hand zur Faust


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