Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich


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ausdrucksvolle Gestalt des Jägers mit dem schleichenden Tier an seinen Fersen, das Pferd selbst, auf dem sie saß, das wie ängstlich den klugen Kopf nach dem leisen Rascheln ihres Kleides wandte, das Rauschen der mächtigen Wipfel dazu, durch das weit, weit herüber der gellende Schrei eines Falken tönte – sie preßte fast unwillkürlich ihre rechte Hand auf’s Herz, so laut kam ihr jetzt dessen Klopfen vor, und während sie in ängstlicher Sorge um das Leben des wunderschönen Tieres bangte, das so frei und glücklich dort durch den Wald schritt, mochte sie selbst kaum atmen, um dem Bedrohten nicht die Nähe des Feindes zu verraten.

       Jack Owen war aber in diesem Augenblick nur noch einzig und allein Jäger. An seine Schutzbefohlene kaum denkend, die er jedoch auch sicher auf dem Tier wußte, glitt er, jetzt den Stamm einer Eiche oder eines Sassafrasbaumes benutzend, jetzt einen Busch oder umgestürzten Baumstamm als Schutz gebrauchend, zugleich aber auch nicht ganz direkt auf das Wild zu-, sondern etwas seitab schleichend, damit durch irgendein vielleicht unvorsichtig gemachtes Geräusch die Aufmerksamkeit des scheuen Wildes nicht etwa auf das im Wege haltende Pferd gelenkt würde, rasch und geräuschlos über den Boden hin, bis in vielleicht noch hundert Schritt von seiner Beute. Da knickte ein trockener, unter dem Laub versteckt gelegener Zweig, und ob sich der Mokassin über ihm zusammenzog und Jäger wie Hund instinktartig zusammensanken, wo sie standen, war der schwache Laut doch hinübergedrungen zu dem Hirsch, der gerade selber mit Äsen aufgehört hatte und hinüberhorchte nach dem Schrei des Falken. Die Tiere der Wildnis haben eine Sprache untereinander, die der Mensch nicht versteht – eine Stimme, um zu warnen und zu rufen, zu locken und zu verscheuchen, und sie achten darauf, wenn selbst ein feindliches Geschlecht die Warnung gäbe.

       Einmal aufmerksam geworden, wußte Jack Owen aber auch recht gut, daß sich das scheue Tier nicht wieder beruhigen würde, um weitere Annäherung zu gestatten. So also rasch die Büchse hebend, die er in der Bewegung spannte, suchte das Auge den tödlichen Fleck, der Finger zuckte, scharf schmetterte der Schlag durch den Wald, und wie sich der Hirsch hob und zusammenbrach, und wieder empor und mit wilden Sätzen in das Dickicht hineinschnellte, fuhren die Rüden, die sich nicht länger halten ließen, von dem Platz auf, an dem sie gekauert, und folgten heulend und kläffend der flüchtigen Beute. Jack Owen aber wischte indessen vollkommen ruhig seine Büchse mit dem an den Ladestock geschraubten Krätzer aus, lud sie wieder, und sie dann auf die Schulter werfend, kehrte er zu seinem geduldig haltenden Pferd zurück, um seine Mütze aufzuheben und das Tier mit sich nach der Stelle zu führen, wo sie das Wild verendet finden sollten.

       «Er ist davongelaufen», sagte Amalie v. Seebald, halb zufrieden damit, halb in getäuschter Erwartung, als der Schütze herankam und sein Pferd ihm – ohne jedoch seine Stelle zu verlassen – freudig entgegenwieherte.

       «Ja, Miß», lachte der Jäger, «aber nicht weit; ich bin gut abgekommen, und die Kugel sitzt, vielleicht nur ein wenig tief, auf dem rechten Fleck. Die Hunde haben ihn schon.»

       «Die Hunde? Wo? – Sie bellen ja noch.»

       «Ja », lachte der Hinterwäldler, «aber nicht mehr gegen den Hirsch, sondern gegen Deik an, der Besitz von ihm genommen und keinen der anderen mehr heranläßt; der alte Bursche weiß schon, was sich schickt. Kommen Sie jetzt mit mir, wir gehen sogar nicht einmal um, sondern schneiden dort hinüber durch die vollkommen trockene Gründornebene eher noch ein paar hundert Schritt ab bis zu Olnitzkis Fenz, die auf der anderen Seite daran stößt. Ich will nur den Hirsch aufbrechen und in die Slew hängen, damit ihn die Schmeißfliegen nicht gleich bedecken, nachher hol’ ich ihn ab.»

       Einen leisen Pfiff ausstoßend, den das Pony gut genug verstand, drehte er sich, von diesem jetzt dicht gefolgt, wieder auf dem Absatz herum, und die dichtesten Plätze vermeidend, führte er die Fremde ganz unbekümmert mitten in das Herz der Waldung hinein. Näher und näher aber kam dabei das Bellen der Hunde, und als sie diese endlich erreichten, war es, wie Jack Owen vorhergesagt. Deik hatte seinen Platz dicht neben dem schon verendeten Hirsch genommen und sich, seiner Autorität bewußt, ruhig dabei zusammengekauert, um die Ankunft seines Herrn zu erwarten, während die anderen Rüden ihn kläffend und knurrend, immer aber in achtungsvoller Ferne, umsprangen und die Zeit nicht schienen erwarten zu können, wo ihnen ein Teil des Wildbrets preisgegeben würde. Das geschah bald; Jack hatte im Nu den Hirsch herumgeworfen, aufgebrochen und zerwirkt, und dann den vorderen Teil, die beiden Blätter mit Hals und Kopf, an dem das Geweih noch saß, vom übrigen Körper trennend und in einzelnen, mächtigen Stücken den verschiedenen Rüden zuwerfend, zog er ein Stück Bast von einem dicht dabeistehenden Papaobaum ab und durch die Hessen43 der Hinterläufe des Erlegten, schleifte das Wildbret dann zum kaum zehn Schritt davon entfernten Wasser, dem das tödlich getroffene Tier noch zugeeilt war, und hing es hinein, wusch sich dann selbst die Hände in der Flut, warf die Büchse wieder über die Schulter und schritt, dem Pony ein neues Zeichen gebend, rasch mitten durch den Wald hin, einer bestimmten Richtung zu.

       Diese brachte die Wanderer aber nach kaum viertelstündigem, rüstigen Marsch an die Ecke eines eingefenzten, mit Mais bepflanzten, aber sonst noch ziemlich wild aussehenden Feldes, in dem die meisten Bäume nur geringelt und abgestorben, oder mitten hinein in das Feld gebrochen standen und lagen, und um das hin ein schmaler Feldweg führte.

       «Da sind wir am Ziel», sagte der Jäger, als er den Arm gegen das Maisfeld ausstreckte und zugleich um die Ecke desselben bog, von der aus sie einen freieren Blick auf die kleine Ansiedlung selber erlangen konnten. «Das hier ist Olnitzkis Feld, und er hat drüben auf der anderen Seite im letzten Jahr noch drei andere Acker Land urbar gemacht.»

       «Und wie weit haben wir noch bis zum Haus?» frug Amalie, der das Herz anfing in fast fieberhafter Aufregung zu klopfen, indem sie fast unwillkürlich den Zügel des Ponys anhielt, um sich erst zu sammeln.

       «Zum Haus? – Dort liegt es», sagte der Jäger, und sein Blick haftete wie in Mitleid auf der bleichen, zitternden Gestalt, die in Angst und Schreck die Hände faltete, als das suchende Auge nur eine kleine, niedere Hütte traf, aus der dünner Rauch in die blaue Morgenluft emporkräuselte.

       «Das?» hauchte sie mit kaum hörbarer, trostloser Stimme. « D a s Olnitzkis Haus! – Das der Aufenthalt meiner armen Schwester!»

       «’s ist eben nur eine Waldwohnung», sagte der Jäger, verlegen lächelnd, «mein eigen Haus ist eben nicht viel besser, und Olnitzki will, glaub’ ich, auch ein anderes bauen. Unser Klima hier verlangt es aber kaum anders, und zum bloßen Staat wäre die Mühe hier ebenfalls weggeworfen. Doch wollen wir nicht herangehen?»

       «Nein – bitte, lassen Sie mich vom Pferd», bat Amalie, «es ist nur eine kleine Strecke – ich will von hier zu Fuß gehen – ich – ich möchte gern… »

       «Ich kann mir denken, daß Sie die Schwester nach so langer Abwesenheit allein zu begrüßen wünschen», sagte der Jäger freundlich, indem er seine Büchse an die Fenz lehnte und sie mit scharfem Griff aus dem Sattel hob, «ist’s Ihnen recht, so gehe ich indes zurück und hole mein Wildbret. Ich weiß nicht, ob Olnitzki gerade frisches Fleisch im Hause hat, und da er jetzt Besuch bekommt, wird ihm ein Teil davon vielleicht willkommen sein. Wild gibt’s hier noch genug im Wald, aber es trifft sich nicht immer, daß man gerade zum Schuß kommt, wenn man etwas notwendig braucht, und besser ist besser. Sie können übrigens nicht mehr fehlen; der Pfad hier führt Sie, an der Fenz entlang, bis vor die Tür. Das meiste Ihrer Sachen wird auch bald eintreffen, und das übrige bringe ich Ihnen morgen früh.»

       Er war bei den letzten Worten in den Damensattel gesprungen, und ohne einen Dank der Fremden abzuwarten, drückte er dem Tier die Hacken in die Seiten und sprengte, von den Rüden gefolgt, rasch zurück in den Wald, der sich im nächsten Augenblick schon wieder hinter ihm schloß.

       Fräulein v. Seebald blieb allein zurück und brauchte noch Minuten, ehe sie sich so weit sammeln konnte, der Schwester gefaßt entgegenzutreten. Aber was zögerte sie auch hier, was fürchtete sie? Hatte denn der Jäger nicht vollkommen Recht, und durfte sie mitten im Wald etwas anderes erwarten, als die Wohnung eines Jägers? Auch Rosemores wohnten in einem ebenso unscheinbaren, vielleicht etwas höheren Blockhaus, und wie freundlich, wie wohnlich sah es bei denen aus. Es war unrecht von ihr, sich solch’ kindischem Kleinmut in einem Augenblick hinzugeben, wo sie ihr weitgestecktes Ziel


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