Verwehungen. Jutta Aysia

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Verwehungen - Jutta Aysia


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Vorschulzeit

      Ein Tag wie jeder andere in einer Stadt. Der Lärm von Betrieben, dass Quietschen der Straßenbahnen, das Hupen von Autos ,das emsige Treiben der Menschen prägen das Leben an diesem Ort. Da bin ich nun. Nach Worten meiner Mutter schneite es, es war kalt und kurz vor Weihnachten. Und da ich meine Zeit nicht abwarten konnte, wurde ich nicht im Krankenhaus, sondern zu Haus geboren.

      Die Zeit des Babydaseins verlief ohne Erinnerungen, sie fangen bei mir mit der Kindergartenzeit.

      „ Nun komm und lass dich nicht so ziehen, du wirst sehen da sind noch viele andere Kinder“, meint Mutter und zieht mich an meinem Arm. Ich aber will nicht in einen Kindergarten, nein, ich will bei meiner Oma bleiben. Da hilft kein Weinen und Jammern, irgendwie kriegt meine Mutter mich in den Kindergarten. Welch düsteres und dunkles Haus, erwartet mich, oh weia. Wir steigen eine große Treppe hoch, oben steht eine dicke mächtige Frau. „ Guten Tag Frau Letse, na wo ist denn ihre Tochter?“, höre ich die Erzieherin fragen. Meine Mutter dreht sich um und will sagen, „ Na hier.“ Sie greift ins Leere, ich sitze bereits unter einem Tisch, mache mich ganz klein und hoffe sehr, niemals mehr vorkommen zu müssen. Diese schreckliche alte Frau soll meine Erzieherin sein, sie sieht böse aus! „ Judith, nun komm schon vor, willst du nicht Guten Tag sagen?“ Meine Mutter bemüht sich umsonst, ich will nicht Guten Tag sagen. Jetzt versucht die Kindergartenerzieherin ihr Glück. Mit dem nettesten Lächeln und einer lieblichen Stimme versucht sie mich unter dem Tisch hervor zu locken. Ohne Erfolg! Plötzlich sehe ich eine Hand unter den Tisch kommen, ich rücke noch weiter unter den Tisch, die Hand kommt mir nach, aus lauter Verzweiflung beiß ich in diese Hand. „Aua, verdammte Göre“, schreit die bis eben noch freundliche Kindergartenerzieherin. Für diesen Tag ist die Aufnahme meiner kleinen Person in diesen Kindergarten abgeschlossen. Auf dem Heimweg spricht die Mutter mit mir kein einziges Wort. Mir machte das wenig aus, ich schaue auf die großen Bäume am Straßenrand, welche hier vor bestimmt hundert Jahren gepflanzt worden waren. Mich zieht es zu meiner Oma, denn da gibt es immer schöne Kekse und geschlagenes Ei mit Kakao. Und da ist mein Onkel Klaus, der mit mir stets Ulk macht. In einen Kindergarten, nein, niemals, ich nicht!

      Wieder einmalsoll meine Mutter ein Baby bekommen und will es unbedingt in Wendel (einem Dorf bei Schönebeck) zur Welt bringen.

      Für diese Zeit darf ich bei der Oma Letse schlafen. Die Großeltern wohnen gleich im Nachbarhof und nur eine alte Mauer trennt beide Grundstücke von einander. Der normale Weg dahin ist nicht weit, am schnellsten geht es über die Mauer, schon stehe ich im Hof der Großeltern. Das sieht mein Vater gar nicht gern und so manches Mal bekomme ich für den Satz in den Garten von ihm einen Satz hinter die Ohren. Diese Erziehungsmaßnahme hilft wenig, auf jeden Fall wähle ich stets den kürzeren Weg. Die Urgroßeltern leben zusammen mit Oma und Opa auf diesem riesigen Grundstück. Das alte Haus verlockt täglich zu neuen Streichen. Zum Beispiel der Aprikosenbaum, welcher sich unter Uropas Fenster befindet. An ihm lässt es sich herrlich hoch klettern und beim Uropa ins Fenster schauen. Werde ich dabei erwischt, gibt es vom Opa welche auf den Po. Aber wie das so bei Kindern ist, hält die Strafe nicht lange vor und wieder klettere ich in den Baum. Das ich mich verletzen könnte, kommt mir nicht in den Sinn und somit verstehe ich die Sorgen meiner Großeltern nicht. Da gibt es noch weit aus interessanteres auf dem Hof, welches von mir selbstverständlich untersucht werden muss. Der Keller, oder die Remise oder die Werkstatt. Letzteres habe ich nicht zu betreten. Früher arbeitete der Schmied hier. Es riecht heut noch nach altem Öl und überall steht oder hängt sonderbares Werkzeug. Der Holzklotz mit seinen Vertiefungen hat es mir besonders angetan. Warum nur sind da die Löcher im Holz? Stirnrunzelnd stehe ich davor und überlege, was ich daran ändern könnte. Mir fällt die Sandkiste ein. Vorsichtig schaue ich um die Ecke, ob niemand auf dem Hof ist. Renne wie der Blitz zum Sandkasten, fülle mein Eimerchen mit Sand, nehm die kleine Schaufel und renne zurück. Und nun tue ich das, was ich hätte lieber bleiben lassen sollen. Fein säuberlich fülle ich alle Vertiefungen und finde meine Arbeit auch noch gut. Ja und nach vollendeter Arbeit klopfe ich meine Hände ab, nickte zufrieden mit dem Kopf, was ich immer bei den Großen sah, wenn sie etwas getan hatten und vergesse den Holzklotz. Aber nicht lange. Eines Tages ruft mich mein Opa nach mir. Ganz ahnungslos, gehe ich zu ihm hin. Der steht vor dem Holzklotz und zeigt mit dem Finger auf die wirklich schön gefüllten Löcher. „ Warst du das?“ mehr nicht, vorsichtig schaue ich in sein Gesicht und frage mich, soll ich ja sagen? „ Nö, war ich nicht.“ „ Gut“, sagte der Opa, „ Dann fragen wir mal den Klaus, denn mehr Kinder gibt es hier nicht, oder Judith?“ Den Unterschied zwischen Lügen und Wahrheit kannte ich schon, doch zu spät! Und wieder einmal muss mein Hintern herhalten, weil ich gelogen habe. „So“, meint Opa, „ Für die Lüge und nun schau zu, wie du den Sand aus die Löcher bekommst.“ Wenn es da nicht den Onkel Klaus gegeben hätte. „ Nun geh mal Kleene, Uropa und ich macht das schon.“ Am nächsten Tag sieht der Klotz aus wie immer. Keinen Krümel Sand kann ich entdecken. Ich gehe zum Uropa und lasse mir erklären, warum dieser Holzklotz so viele Löcher besitzt und diese nicht mit Sand gefüllt werden dürfen. „Früher, dass heißt so vor 20 Jahren wurden in der Schmiede die Hufeisen den Pferde bearbeitet. Weil aber Hammer und Zange sehr heiß wurden, stand eben dieser Holzklotz da, um die Arbeitsutensilien abkühlen lassen zu können.“ Aha, das leuchtet mir ein und ich will ganz bestimmt keinen Sand mehr in diese Löcher füllen. Obwohl, ein Pferd habe ich noch nie auf dem Hof zu Gesicht bekommen.

      Die Wünsche eines kleinen Kindes werden selten erfüllt und somit gehe auch ich in den Kindergarten. Anfangs begleitet mich die Oma zum Kindergarten. Schließlich wohnen wir an der Hauptstraße mit sehr viel Verkehr, vor allem zum Feierabend der Großbetriebe.

      Das in den Kindergarten gehen ist nicht leicht, nein nicht für mich, für die Erzieher. Fällt mir doch ständig dummes Zeug ein. Mittagsschlaf, so eine blöde Erfindung. Da ich nie schlafen kann, schaukele ich auf meiner Liege hin und her und summe mir leise ein Liedchen. Schon steht die Erzieherin vor mir und flüstert mir zu, ich solle doch endlich Ruhe geben. Das sagt sie einmal, zweimal und peng stehe ich draußen. So lerne ich den Dachboden des Hauses kennen. Da gibt es riesige Spinnennetze mit dicken Spinnen, eh wie eklig. Wenn man die Netze berührt, bewegen sich die Spinnen und hat sich gerade eine Fliege verfangen, stehen sie auf dem Speiseplan der Spinne. Die Bretter an der Wand hatten ihre Farbe fast verloren und ich hole aus langer Weile den Rest runter. Die Krümel sammele ich fein säuberlich auf und lasse diese aus dem Fenster fallen. Dabei stelle ich mich auf die Zehenspitzen, um den Fall der Farbkrümel zu beobachten. Doch auch das finde ich bald langweilig.

      Ich wachse heran und meine Dummheiten auch.

      Das letzte Jahr im Kindergarten neigt sich dem Ende, bald würde ich in die Schule kommen. Darauf freue ich mich. Und weil ich schon so vernünftig bin, meinte Oma, dürfe ich endlich allein vom Kindergarten nach Haus kommen. Hätte sie doch diesen Satz nie ausgesprochen. Auf dem Weg zum Kindergarten befindet sich ein wunderbarer Spielplatz, so mit Krabbelpilz und Klettergerüst und Schaukel. Eines Tages, auf dem Heimweg meine ich nun, hier bleibst du Judith und tobst mal richtig. Die Sonne scheint und ich finde es herrlich hier. Ja und da sind noch andere Kinder. Ob die auch nicht heim wollen? Wir spielen und spielen, die Zeit kenne ich noch nicht. Plötzlich stehe ich allein auf dem Spielplatz. Der Magen knurrt, ich trolle mich Heim. Meine Oma sehe ich schon von weiten. Au weia, das kann nichts Gutes bedeuten. „ Hallo Oma, da bin ich wieder. Das war soooo schön im Kindergarten!“ Weiter komme ich nicht mit meinem Geschwätz. Peng habe ich eine Ohrfeige. „ Komm du mir mal rein“, mehr sagt die sonst so liebe Oma nicht, zieht mich an meinem Ohr ins Tor hinein. „ Los geh zum Opa“, schubst mich unsanft zu ihm hin. Der Opa schaut noch finster drein. Der legt mich kurzer Hand über sein Knie und verwackelte meinen Po. Als er fertig damit ist und ich laut heule, sagte er zu mir, „ Du weißt hoffentlich warum. Nun ab ins Bett, Abendbrot fällt heute aus.“ Heulend und die Augen reibend gehe ich zur Oma und bitte sie noch auf die Toilette gehen zu dürfen. Natürlich darf ich. Nun wohnt in diesem Haus aber noch die Uroma, welche mein Geschrei hörte, sie steht bereits hinter ihrer Küchentür und horcht auf meine Schritte. Ich muss an ihrer Tür vorbei, will ich auf die Toilette gehen. Ein Spalt weit die die Tür offen, natürlich für mich! „ Mein armes Mädel, hat es sehr weh getan?“ Sie drückt mich ganz fest und fragt mich, ob ich ein geschlagenes Ei möchte. Ich nicke schnell und heftig mit dem Kopf. Rutsche auf den Fußhocker nahm die Tasse mit dem herrlichen Inhalt


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