Raumfahrt - wohin und wozu. Thomas Ahrendt

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Raumfahrt - wohin und wozu - Thomas Ahrendt


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ISRU bietet weiterhin Synergien zu irdischen Technologien der industriellen Rohstoffproduktion und -verarbeitung und zu nachhaltiger Versorgung, also der effizienten Nutzung begrenzter Ressourcen, dem Abfallmanagement, dem hochgradigen Recycling usw. Damit wird die Raumfahrt auch für Umwelttechnologien interessant und relevant.

       Zunächst werden die Forscher nach Wasser und Leben suchen, das Klima beobachten und seine Geologie untersuchen, später dann Gebäude errichten, Landwirtschaft und Bergbau betreiben, Waren herstellen usw. Vom Marssystem aus wird auch der Planetoidengürtel erschlossen und besiedelt werden.

       Für die interplanetare Raumfahrt könnten Swing-Stationen wichtig werden (nein, keine Swinger-Stationen): Raumflugkörper lassen sich auf "Pendelbahnen" schießen, auf denen sie fast ohne Treibstoff periodisch an 2 Himmelskörpern vorbeikommen, derartige Bahnen gibt es zwischen Erde und Mond, Erde und Mars, Erde und Venus usw. Jedoch kommen sie nicht bei jedem Umlauf an beiden Welten vorbei. Ein bemannter Marsflug könnte wie folgt geschehen: man fliegt zu einer gewissen Zeit in einer kleinen Raumkabine (einem Shuttle) von der Erde weg - vielleicht startet man auch von einem Himmelsaufzug - und bald darauf findet nach einem automatischem Rendezvous-und Andockmanöver das Umsteigen in die interorbitale Pendel- beziehungsweise Swing-Station statt.

       In dieser riesigen und luxuriösen Station - oder Basis oder noch später einmal Weltraumstadt oder ähnliches - lässt sich die Marsnähe bequem erreichen; wahrscheinlich herrscht auf ihr teilweise Marsschwerkraft. In Marsnähe wird man von einer kleinen Zubringerrakete abgeholt oder hinaufgebracht. Damit Weltraummüll die Raumfahrt nicht gefährdet, wird dieser entweder nach außen entfernt, kontrolliert auf die Erde oder auf andere Planeten mit Atmosphäre zum Absturz gebracht, auf Weltraumschrottplätzen gesammelt oder im All wiederaufbereitet; präventiv wird die Anzahl der ins All gebrachten Objekte zum Beispiel durch Mehrzweckgeräte verringert werden. Vielleicht lassen sich auch ENAs als "Reisehotels" verwenden, die zwischen der Erd- und der Marsbahn pendeln.

       Der Verkehr zwischen Erde und Mars wird zunehmend Routine; um diesen interplanetaren Verkehr noch zu optimieren, lassen sich mehrere Raumschiffe so in elliptischen Umlaufbahnen positionieren, dass sie beide Planeten immer wieder in geringen Abständen passieren. Dann wäre es bei geringen Kosten möglich, einen permanenten Strom von Fracht und Passagieren allein durch die Schwerkraft zwischen den Welten zu befördern; konkret sollen sich "Cycler" den Schleudereffekt durch Fly-by-Manöver, also gravitationsunterstützte Manöver, zunutze machen. Dann wäre ein Cycler für die Reisen zum Mars bestimmt und das andere für die Rückreisen zur Erde; kleinere Raumschiffe würden im Zubringerverkehr andocken.

       Um die Fragen einer langfristigen Marsbesiedlung beantworten zu können, bedarf es jedoch weit mehr als vereinzelte Missionen; das Marsprogramm müsste weit über Apollo hinausführen und dessen Fehler nicht wiederholen. Es sollte das Ziel sein, dort zu bleiben, eine von der Erde unabhängige zweite Menschheit aufzubauen, also zu einer interplanetaren Zivilisation zu werden.

       Damit aber der rote Planet zu einer zweiten Erde werden kann, könnte es notwendig sein, ihn umzuformen; Terraforming würde also nur den Urzustand, den frühen Mars wiederherstellen. Seine Besiedlung kann durch zwei sehr langfristige Methoden erfolgen; die erste ähnelt der Mondbesiedlung und ist eher technischer Art; eine Biosphäre ist hier in eine Technosphäre integriert. Die andere Lösung beinhaltet das Terraforming und würde ihn gewissermaßen wieder in einen frühen Zustand versetzen. Beide Möglichkeiten brauchen die gleichen Voraussetzungen: Energie und Wasser.

       Steht genügend Energie zur Verfügung wird auch das Wasserproblem keines mehr sein, denn unter der Oberfläche gibt es riesige Mengen Wassereis; diese nutzbar zu machen ist mit die wichtigste Aufgabe. Aus Wasser und Kohlendioxid lassen sich Treibstoffe wie Wasserstoff, Sauerstoff, Methan und Atemluft usw. gewinnen. Die Besiedlung des Mars folgt etwa nach dem gleichen Schema wie die Mondbesiedlung: Zunächst werden größere Containerwohnanlagen zusammengebaut, Metalle und feste Baustoffe aus dem Planeten gewonnen, große Mengen Wasserstoff, Atemluft und Treibstoff hergestellt, Nutzpflanzen angebaut und Kleintiere gezüchtet, die unter Umständen transgen sind, um auch für Organtransplantationen geeignet zu sein. Die Lebensmittel werden vielleicht Functional Food sein und außerdem zum Beispiel Antioxidantien gegen karzinogene freie Radikale enthalten.

       Da er nur 0,44mal so viel Sonnenlicht wie die Erde bekommt, reicht die Sonnenenergie nicht aus, auch wenn man große äquatoriale Kollektorfelder aufbaut. Außerdem gibt es auf dem Planeten z.T. globale periodische Staubstürme, die teilweise Monate dauern, den Himmel verdunkeln und die Solarzellen verstauben. Ein Ausweg könnte orbitale LST sein. Erste Expeditionen werden daher ihre Energie aus kleinen Kernkraftwerken beziehen. Später wird es größere Aggregate geben, die von der Erde geholt werden oder selbst auf dem Mars gebaut werden.

       Überhaupt wird es bei der Marskolonisation viele Computer und Roboter und dadurch VR und Telepräsenz geben; diese Zivilisation wird Technik und Wissenschaft gegenüber viel konstruktiver und pragmatischer eingestellt sein, weil sie einfach darauf angewiesen sein werden. In einem derartigen Milieu könnte es viel früher trans- und posthumane Lebensformen, zum Beispiel Cyborgs, echte KL usw. geben.

       Was die Menschheit davon hat, auf dem Mars zu landen, ihn zu erforschen und vielleicht zu kolonisieren?

       Außer neuen Erkenntnisse und Erfahrungen haben die daran beteiligten Nationen über Jahre wissenschaftlich, wirtschaftlich und politisch zusammengearbeitet und sich nicht im Krieg befunden; es könnte der Beginn einer Kardaschow-Zivilisation vom Typ I sein, der Beginn einer planetaren Kultur...

       Marsmissionen werden aus Kosten- und anderen Gründen nur international bewältigt werden können und das ist auch gut so, denn es erscheint unpassend, dass ein dermaßen bedeutender Schritt nur von einer einzigen Nation, nur von einem winzigen Teil der Menschheit getan wird. Bemannte Marsmissionen sind technologische Herausforderungen, und auch wissenschaftliche Forschung - ergänzend und als Erweiterung von Robotermissionen, aber vor allem sind sie die Kulturaufgabe der Menschheit.

      Geoengineering &Terraforming

      Im 2. Star Trek-Kinofilm entwickeln Wissenschaftler der Föderation eine bahnbrechende Methode zur Besiedlung von Monden und Planeten. Es ist das Projekt "Genesis"; ein Prozess, in deren Verlauf die Struktur von Materie zu sub-elementaren Partikelwellen aufgelöst wird, die durch Manipulation der nuklearen Kräfte in jede beliebige Materie und Anordnung neu geordnet werden kann. Die Genesis-Apparatur wird im Film mit einem Torpedo auf einen erdartigen Planeten transportiert, der frei von Lebensformen oder präbiotischen Substanzen sein muss. Nachdem der Torpedo auf dem ausgesuchten Planeten aufschlägt, beginnt die Genesis-Welle die Materie zu einer Masse aus subelementaren Partikeln aufzulösen, wobei der Planet so hell glüht wie ein Stern. Danach fügen sich die Partikel zu neuen Strukturen zusammen, wobei deren Zusammensetzung und Anordnung von der "Komplexität der Quantum-Resonanzen der ursprünglichen Genesiswelle und von der verfügbaren Masse" abhängt. Bei genügend Masse ließe sich sogar ein ganzes Sonnensystem kompilieren/replizieren. Im Film ist zu sehen, wie sich ein mondartiger Körper in einen neuen Planeten mit Kontinenten, Wasser, Luft und einer funktionierenden Biosphäre verwandelt, auf dem geeignete Lebensbedingungen für auf Kohlenstoff basierende Lebensformen herrschen. "Genesis" wird von den Föderationswissenschaftlern entwickelt, um die Probleme von Überbevölkerung und Nahrungsknappheit zu lösen. Weiterhin, um die technischen Schwierigkeiten, die beim konventionellen Terraforming entstehen, und die ethischen Probleme von Eingriffen in (rudimentäre) Exobiosphären zu umgehen. Soweit die Fiktion.

       Allgemeines über Terraforming

       Terraforming ist ein Prozess, andere Planeten und Monde mittels zwar zukünftiger, aber theoretisch schon bekannter Techniken in bewohnbare, erdähnliche Welten umzuformen, das heißt, sie sollen derart umgestaltet werden, dass menschliches Leben auf ihnen nur mit geringem oder besser noch ohne zusätzlichen Aufwand möglich wird. Mit dieser Hypertechnologie ließe sich die solare Ökosphäre ausweiten und die Anzahl lebentragender Welten erhöhen, was auch gewisse Auswirkungen auf SETI-Vorstellungen haben könnte...

       (Para-)Terraforming könnte helfen, das Problem der Überbevölkerung zu entschärfen und unsere Überlebenschancen als Art (oder Gattung?) zu erhöhen. Terraforming mag Assoziationen kolonialistischer Arroganz und Pervertierung von Planeten usw. wecken; jedoch


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