Raumfahrt - wohin und wozu. Thomas Ahrendt
Читать онлайн книгу.Man könnte ihn und die anderen Welten mit neuem Leben erfüllen, es würde auf dem Mars die Existenz eines Homo sapiens martiensis ankündigen; die Menschheit würde zu einer biplanetaren Spezies. Vielleicht werden aber schon lange vorher Exoplaneten gefunden, die nicht umgeformt werden brauchen, aber für den Flug dorthin über viele Lichtjahre muss das Problem der großen Entfernung durch neuartige Antriebe und des Strahlenschutzes (etwa durch Aerogele) gelöst werden.
Geoengineering
Bevor andere Planeten umgeformt werden, könnten derartige Techniken (auch unter dem Namen "Climate Engineering") zuerst auf der Erde angewandt werden, etwa um Klimaschäden auf ihr zu beheben und um praktische Erfahrungen zu sammeln; das "Biosphäre II" - Experiment Anfang der 1990er war ein Anfang dafür, denn derartige direkte Eingriffe in die Atmosphäre und Hydrosphäre könnten letzte Mittel des Klimaschutzes, das heißt seiner langfristigen Stabilisierung werden. Selbstverständlich müssen parallel dazu die Ursachen wie Emission von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen, Überbevölkerung, und Abwärme beendet werden.
Doch selbst wenn der menschliche Faktor neutralisiert ist, entfallen die Notwendigkeiten für das Geoengineering nicht, man denke an Vulkanausbrüche, Impakte von Planetoiden, Kometen usw., an Sonnenaktivitäten und langfristig an ihre weitere Entwicklung, sowie an Erdbahn- und Erdachsenschwankungen. Auch die galaktische Umgebung scheint relevant zu sein; etwa Durchgänge durch die galaktische Ebene und damit durch dichtere Regionen von interstellaren Gas- und Staubwolken, die die Sonne abdunkeln können usw.
Weltraumspiegel könnten für das Geoengineering ein wesentlicher Faktor werden: zum Katastrophenschutz, um die Fotosynthese zu steigern und um neue Eiszeiten zu verhindern oder abzumildern. Richtet man zum Beispiel eine Spiegelfacette auf ein Stadtgebiet, das unter Smog, also unter starken Industrie- und Autoabgasen und ähnlichem leidet, ließe sich der Nebel auflösen und die verpestete Luft wegführen, wobei ähnliches auch für den sauren Regen gilt.
Mit LST lässt sich auch in den hydrologischen Kreislauf eingreifen, indem die Temperaturschwankungen, die mal zu Überschwemmungen und dann wieder zur Dürre führen, durch eine zusätzliche Bestrahlung ausgeglichen werden. Das Temperaturgefälle zwischen Meer und Stratosphäre, das Orkane entstehen lässt, ließe sich durch gezielte Bestrahlung verringern, weiterhin könnte man gegenläufige Winde in sie hinein lenken und die Wirkung der Corioliskraft abschwächen.
Wenn sich in ferner Zukunft die Rotationsgeschwindigkeit der Erde infolge der Gezeitenreibung stark verlangsamt haben wird, könnte ein Netz von Weltraumspiegeln Licht und Wärme auf der Nachtseite einstrahlen und die Erde auf der Tagseite vor zu großer Sonneneinstrahlung schützen. Durch 12 Spiegel mit je 200 km Durchmesser in gut 500 km Höhe erhalten die Äquatorgebiete rund um die Uhr zusätzliche Sonnenenergie.
Falls eine neue Eiszeit kommt, kann wieder nur die LST sie vermeiden oder verringern, wobei sie jedoch nur den Auswirkungen statt den Ursachen (wie zum Beispiel Veränderungen der Erdumlaufbahn, Schwankungen der Erdachse, starke Vulkanausbrüche, größere Schwankungen in der Sonnenaktivität, menschenverursachte Klimaveränderungen durch verstärkten Treibhauseffekt und Abwärme und Planetoiden- und Kometenimpakten) entgegenwirken kann. Diese Ursachen auszuschalten bleibt Superzivilisationen von Typ I und mehr vorbehalten; planetare Faktoren wie anthropogene Klimaveränderungen, Vulkanausbrüchen, aber auch Impakte könnten wir vielleicht bald selbst entgegenwirken... Nur ein ausgeklügeltes LST-System im erdnahen Weltraum kann ein Solarenergiedefizit als kompensierende Energiequelle ausgleichen. Mit der LST wird der Eingriff in den irdischen Energiehaushalt möglich; mit dem Eingriff in den Wärmehaushalt lassen sich Wetter und Klima (mit-) steuern.
Geoengineering allein kann die Ursachen des Klimawandels, wie einen erhöhten Kohlendioxid-Ausstoß vielleicht nicht beseitigen. Für ein stabiles Klima muss zweigleisig gefahren werden; dazu gehören die Reduzierung der Treibhausgase, das heißt deren Erzeugung, und weiterhin eine Weltraumenergieversorgung und eine begrenzte Erdbevölkerung.
Venusterraforming
Eine Besiedlung von Venus oder Merkur stellt wegen deren größerer Sonnennähe höhere technische Ansprüche. Doch eventuell gibt es in einigen Merkurkratern kometares Eis, oder auch Helium-3? Außerdem hat Merkur einen riesigen Eisenkern - Rohstoffe und Energie (Sonne und eben Helium-3) in Hülle und Fülle! Merkur wäre durch seine Sonnennähe ein geeigneter Kandidat für die Herstellung von Antimaterie und auch ideal für ein Sonnenobservatorium, das vor Flares, Protuberanzen usw. warnt. Vielleicht werden unsere Nachfahren Merkur und Venus mithilfe hochentwickelter Robotertechnik und Telepräsenz erforschen.
Das Hauptproblem bei der Besiedlung der Venus ist ihr riesiger Treibhauseffekt; könnte man ihn ausschalten, würde ihr Klima erträglich werden. Die Wärme des Gesteinsmantels ist ein weiteres Problem; auch falls die Atmosphäre nach einigen Jahrhunderten Temperaturen hat, die für Menschen erträglich ist, sind die Gesteine noch immer gut 400º C heiß und deren Auskühlen könnte weitere Jahrhunderte beanspruchen. Venussiedler müssten sich wohl einen künstlichen Boden erschaffen...
Mikroorganismen
Um den zweiten Planeten erdähnlich zu machen, müssten etwa 1000 Raketenladungen blaugrüner Algen und andere künstlich erzeugte oder transgene Mikroorganismen in die oberen Wolkenschichten ihrer Atmosphäre gebracht werden, die den Sauerstoff vom Kohlendioxid abspalten und Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser in organische Moleküle umwandeln bevor sie auf die Oberfläche fallen und verbrennen. Würde man die Mikroorganismen stattdessen in Weltraumhabitaten oder Ballonstädten züchten, entfielen die zahlreichen Raketenstarts.
Wenn transgene, hybride Algen und andere extremophile Mikroorganismen zahlreich und großflächig verteilt werden würden, könnte eine sauerstoffreiche Venusatmosphäre schon nach einigen Jahrhunderten und nicht erst in vielen hundert Kilojahren entstehen. Je weniger Kohlendioxid vorhanden ist, desto geringer ist der Treibhauseffekt und die Mikroorganismen können dann auf die Venusoberfläche gelangen, so dass der Wasserdampf wieder in die Atmosphäre aufsteigen kann. Der Kohlenstoff aus dem Kohlendioxid wird durch die hohen Temperaturen in Graphit umgesetzt. Sinken die Temperaturen unter den Siedepunkt von Wasser, wird ihre Oberfläche bewohnbar. Allerdings lässt sie sich wegen der Schwefelsäurewolken und dem hohen Druck nicht mit bestimmten Photosynthese-Organismen impfen, weshalb sich eine mehrere 100 m hohe Graphitschicht und eine Atmosphäre aus fast reinem molekularem Sauerstoff mit 65 bar Druck hätte bilden können. Doch bevor sich so viel Sauerstoff bilden kann, verbrennt der Graphit zu Kohlendioxid und kehrt diesen Prozess wieder um.
Impakte
Mit Impakten von Kometen oder Fragmenten des Saturnmonds Enceladus ließen sich 100 Liter Wasser pro m² auf die Venus bringen. Jedoch würde jede Kollision einen Teil ihrer Atmosphäre wegsprengen; um jedoch fast die ganze Lufthülle zu entfernen, wären mehr große Planetoiden und Kometen erforderlich, als es gibt - jedenfalls im planetaren Bereich des Sonnensystems. Ansonsten müsste man sich Kometen aus der Oortschen Wolke holen. Aber selbst wenn man genügend "Geschosse" hätte, würde man dadurch einen Großteil ihrer Oberfläche zerstören; es wäre schöner, eine Methode zu finden, die die jeweiligen Umweltbedingungen respektiert.
Vielleicht ist die Mikroorganismen-Methode nur ein Baustein im Venus-Terraforming; vielleicht müsste man erst einen dunklen Planetoiden zu Staub zermahlen und in der Hochatmosphäre ausstreuen oder Venusstaub in die Atmosphäre befördern. Das entspräche dem physikalischen Äquivalent einer nuklearen Eiszeit. Wird das Sonnenlicht ausreichend abgeschwächt, sinken zwar die Oberflächentemperaturen, aber der hohe Luftdruck bleibt. Außerdem sinkt der Staub nach wenigen Jahren auf die Oberfläche und müsste daher regelmäßig ersetzt werden, was aber für die Errichtung dauerhafter Kolonien unpraktisch werden könnte.
Solarschilde
Anstelle von Impakten könnte man mit Solarschilden in den Sonne-Venus-Wärmehaushalt eingreifen, indem man einen riesigen Sonnenschirm in ihre Umlaufbahn bringt und dadurch ihre Oberfläche abkühlt - von gegenwärtig etwa 470º C und 90 bar auf 374º C; bei dieser Temperatur würde Wasser unter dem hohen Druck flüssig werden und ausregnen und einen großen Abkühleffekt erzeugen. Damit entfiele der Treibhauseffekt des Wasserdampfs, der etwa 20mal effektiver als Kohlendioxid ist. Flüssiges Wasser reflektiert außerdem