Ein Mann will nach oben. Ханс Фаллада

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Ein Mann will nach oben - Ханс Фаллада


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wir gehen.«

      »Und wie finden wa Vata'n –?«

      Ja, sie waren da, sie standen vor den Bauten, sie standen vor fünf, vor zehn, vor zwanzig, vielleicht vor fünfzig Häusern, die in einem Block vor ihnen lagen. »In manchen Häusern ist schon Elektrisch«, sagte Karl Siebrecht.

      »Aber nich, wo Vata jemauert hat. Weeßte nich, wo Vata jemauert hat?«

      »Nein, Rieke.«

      »Det muß doch sind, wo noch Jerüste sind. Kannste nich sehen, wo Jerüste sind, Karl?«

      »Das muß auf der anderen Seite sein, von den Koksfeuern weg. Hier ist schon alles fertig.«

      »Na, denn komm, Karl! Faß mir an. Hier können wa überall jejen wat anrennen. Is doch jut, det de mit mir jekommen bist, ich bin nich jraulich, aber det hier ...«

      Finster ragten die Bauten über ihnen in den dunklen Nachthimmel hinein. Sie hatte wie selbstverständlich ihre Hand durch seinen Arm gesteckt, und Karl Siebrecht führte das Mädchen nun höchst ungeschickt, denn dies war eine ganz ungewohnte Situation für ihn. Als sie aber gegen eine Karre angerannt und beinahe zu Fall gekommen waren, drückte er ihren Arm fester an sich, und von der Wärme des Mädchens floß ein ungewohntes, wohltuendes Gefühl in ihn. Sie tasteten sich vorwärts, hielten sich an Gerüststangen und riefen in leere Fensterhöhlen, in Türöffnungen, aus denen es säuerlich scharf nach frischem Kalk roch, hinein: »Vata! Herr Busch! Vata!« Ein öder Widerhall antwortete schwach, erstarb ...

      »Still mal! Det war doch so, als hätte er jeantwortet –?!«

      »Vata! Herr Busch! – Vata!«

      Ein öder, rasch hinsterbender Widerhall ...

      »Das war bloß das Echo, Rieke!«

      Sie tasteten sich weiter, der Sturm riß an ihren Kleidern, Gesicht und Hände waren eisig von der peitschenden Nässe. Und wieder Rufen und Lauschen und Tasten ... Dann blieb Rieke stehen. »Det hat doch allens keenen Zweck nich, Karl«, sagte sie. »Wenn der Olle blau is, hat er sich hingehauen. Da können wa uns dämlich rufen, der hört nich.«

      »Wir können aber nicht in den Bauten suchen, Rieke! Wir kommen keine Leiter hoch. Man sieht ja die Hand nicht vor Augen!«

      »Ebend! Und der Mann liegt in de Kälte und Nässe! Wat machen wa bloß?«

      Karl Siebrecht überlegte. »Ich glaube, Rieke«, sagte er dann, »wir haben es falsch angefangen. Wenn dein Vater sein Zeug sucht, wird er es doch zuerst im Bauschuppen suchen. Daß es nicht mehr auf dem Gerüst liegt, wo er mittags gemauert hat, weiß er doch auch.«

      »Meenste, Karl? Da kannste recht haben. Jloobst de, det de den Bauschuppen findest?«

      »Ich glaube. Wir holen uns eine von den roten Laternen – das hätten wir überhaupt gleich tun sollen.«

      Sie tasteten sich zurück. Sie stolperten oft, hielten sich aneinander und tasteten weiter. Sie waren übermüdet, durchfroren, mutlos. Um sie standen dunkel drohend die Bauten des Herrn Kalubrigkeit, ein winziger Bruchteil der Drei-Millionen-Stadt, die Karl Siebrecht zu erobern gedachte. Ach, er dachte jetzt nicht an Eroberung, er wollte nur einen Menschen finden und dann ins Bett gehen, schlafen, schlafen ... Sie holten sich eine rote Laterne, unter vielen Schuppen fanden sie endlich die Baubude. Sie stießen die Tür auf, zwängten sich hinein, krachend schlug der Wind hinter ihnen die Tür wieder zu. In der Baubude war ein bißchen Licht von einer Stalllaterne mit hellem Glas. Sie schien auch sehr warm nach der nassen Kälte draußen, ein runder Eisenofen glühte rot in einer Ecke. Neben dem Eisenofen saß zusammengesunken ein Mann – sie taten einen raschen Schritt: »Vata –!«

      »Herr Busch?«

      Der eisengraue Alte neben dem Ofen hob schläfrig den Kopf. Blinzelnd fragte er: »Wer seid denn ihr? Was habt denn ihr hier zu suchen? Das Betreten der Baustelle ist verboten! Ich bin der Nachtwächter!«

      »War hier mein Vater? Ich meene den Maurer Busch, so eenen mit rotem kurzem Bart. Die Leute sagen ooch Dorsch uff ihn.«

      Der Nachtwächter, Nachtschläfer, machte eine Bewegung mit der Hand. »Dahinten auf den Säcken liegt einer. Wenn das dein Vater ist, dann nimm ihn mit! Das ist hier nachts auf der Baustelle verboten. Er ist aber blau. Junge, leg Presskohlen auf, ein Wetter ist das!« Und sein Kopf sank schon wieder schläfrig vornüber.

      Die Kinder waren bereits im Winkel bei den leeren Säcken. Ja, da lag auf ihnen der Maurer Busch und schlief fest, den toten Schlaf des Betrunkenen schlief er. Langsam, röchelnd ging der Atem. Das mit Straßendreck und Kalkstaub beschmutzte Gesicht sah finster verschlossen aus. Eine Blutkruste an der Stirn bewies, daß auch der Maurer Busch in der Dunkelheit seinen Weg nicht gleich gefunden hatte. In der Hand hielt der schlafende Mann einen Maurerhammer. »Er hat sein Werkzeug gesucht«, flüsterte Karl Siebrecht.

      »Kannst ruhig laut reden«, sagte Rieke. »Der wacht so bald nich uff, Karl.« Sie setzte sich neben den Vater auf die Säcke. »Den kriegen wa so nich nach Haus, Karl. Vielleicht zu morgen. Fahr jetzt nach Haus, Karl, jetzt kriegste noch 'ne Elektrische. Ich bleib bei Vata'n.«

      »Dann bleibe ich auch hier, Rieke!«

      »Det hat doch keenen Sinn nich, Karl! Zu wat denn? Is jenug, wenn eener nich schläft! Wat kannste hier noch nützen?«

      »Und was hat es für Zweck, daß du bei Vater sitzt, Rieke? Hilft das was? Ändert das was?«

      »Ick weeß nich! Nee, jloobe ick; bloß, ich bin seine Tochter.«

      »Und ich bin dein Freund, dein richtiger Freund, Rieke!«

      »Ick weeß, Karl. Na, denn setze dir nahe bei mir, eene halbe Stunde, aber nich länger! Denn mußte in de Betten.«

      »Warte, ich werde erst noch Kohlen nachlegen.« Dann kam er zurück. »Das ist auch eine Nummer Nachtwächter«, berichtete er. »Wegen dem können sie den ganzen Bau wegtragen! Er ist nicht mal aufgewacht, als ich Kohlen auflegte!«

      »Wat weeßte, wat der Olle sich am Tage schindet? Laß ihn man schlafen, wir haben det Jute davon. Wenn er wach wäre, schmiß er uns valleicht raus aus de Bude!«

      »Da hast du recht, Rieke!«

      Eine Weile saßen sie schweigend. Um die Bude brauste der Wind, auf das Teerpappendach prasselte der Regen. Der Ofen fauchte. Der Schläfer röchelte schwer, den Maurerhammer hielt er in der Hand. Das Mädchen schauerte zusammen. »Mir friert, Karl! Friert dir nich?«

      »Nein«, log der Junge. »Komm, leg deinen Kopf in meinen Schoß Rieke. Hier sind Säcke genug, ich decke dich warm zu. So ...«

      »Det is jut, Karl. Du bist jut, det biste! So'n bißken verwöhnen is fein. Hat se dir ooch verwöhnt, deine Erika?«

      »Das war alles so anders, Rieke.«

      »Det vasteh ick. Se ist doch 'ne Pastorsche. 'ne Pastorsche is mächtig fein, wat, Karl?«

      »Ach Gott, Rieke, sie ist ja noch so jung ...«

      »Wie alt ist se denn?«

      »Erst vierzehn.«

      »Da is se noch een bißcken älter als ick! Aba se weeß wohl noch nischt –«

      »Nein, sie weiß noch nichts –«

      »Haste ooch noch nischt jewußt, bis du bei uns kamst, Karl?«

      »Doch, ein bißchen, Rieke. Weißt du, Rieke, mein Vater hat nämlich Pleite gemacht ...«

      »Det is komisch mit uns beede, Karl«, sagte Rieke langsam. »Wa passen. Du hast keene Mutta nich, wie ick. Und dein Vata jenau wie meina – darum paasen wa.«

      »Ja, das ist wirklich komisch, daß ich gerade dich in der Bimmelbahn treffen mußte.«

      »Jloobst de, Karl, jloobst de, det't mit Vata'n noch mal anders wird?«

      »Ich weiß nicht, Rieke. Vielleicht, wenn er richtige Arbeit findet?«

      »Na,


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