Raban und Röiven Der Feuervogel. Norbert Wibben

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Raban und Röiven Der Feuervogel - Norbert Wibben


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Ilea ein schelmisches Grinsen im Gesicht des schwarzen Vogels gesehen zu haben. »Meine Tochter Ainoa ist so wie du gezwungenermaßen hier im geheimen Wald. Ich dachte, dass ihr euch Gesellschaft leisten könntet. Sie kann dir aus der Welt von uns Fithich berichten und du ihr aus der Welt der Menschen.«

      Das nutzten Ilea und das Rabenmädchen gerne und ausgiebig. Röiven nannte gegenüber Raban auch noch einen weiteren Grund: »Dass Ilea diese Zauberkraft besitzt, kann hilfreich im Kampf gegen die Dubharan sein. Wer weiß das schon?«

      Zum Glück brauchte das Mädchen nicht in den Kampf gegen die dunklen Zauberer einzugreifen. Raban, Röiven und Sorcha war es gelungen, die dunklen Magier durch die Zerstörung der Figur der Hekate daran zu hindern, von einer Zeitreise in die Vergangenheit in die Gegenwart zurückzukehren. Sie waren alle froh, dass sie die Welt auf diese Weise von den bösen Zauberern befreien konnten, ohne sie getötet zu haben.

      Ilea hatte damals viel Zeit mit Ainoa verbracht und Interessantes aus dem Leben der Kolkraben, die sich selbst Fithich nennen, erfahren. Da Ainoa über keine magischen Fähigkeiten verfügt, haben sie sich nur direkt und nie gedanklich miteinander unterhalten. Ilea weiß zwar, dass ein geistiger Gedankenaustausch zwischen Lebewesen möglich ist, die über Zauberkräfte verfügen, auch wenn diese nur gering sind, so wie bei ihr. Leider hat sie es aber versäumt, die geistige Kontaktaufnahme mit Raban oder auch mit Röiven zu versuchen. Trotzdem hofft sie, den Jungen ohne bisherige Übung zu erreichen. Sie liegt mittlerweile seit einer Stunde auf ihrem Bett und versucht intensiv die Verbindung herzustellen.

      »Einmal versuche ich es noch«, nimmt sich Ilea vor, hält die Augen geschlossen und atmet langsam ein und aus. Sie stellt sich Rabans lächelndes Gesicht vor und fühlt sofort ein leichtes Kribbeln im Bauch.

      »RABAN!«, denkt sie konzentriert. »Ich, Ilea, möchte mit dir Kontakt aufnehmen!« Nichts. Keine Antwort. Das Mädchen ballt die Fäuste und springt entschlossen auf. Sie bleibt kurz stehen, da sich ihre Augen erst an das helle Sonnenlicht gewöhnen müssen, dann rennt sie aus dem Zimmer und poltert die Treppe hinunter.

      »Was, um Himmels Willen, ist denn hier los?«, wird sie von Leana, ihrer Mutter, gefragt, als sie zu ihr ins Wohnzimmer stürmt.

      »Ich möchte gedanklich Kontakt mit Raban aufnehmen. Wie ich dir sagte, hat Röiven mir etwas von seiner Magie übertragen, aber das will und will nicht klappen. Weißt du, wie ich das machen muss?«

      Die Frau lässt das Buch, in dem sie gelesen hat, sinken und lächelt ihre Tochter an.

      »Wie das mittels Zauberkraft funktioniert, solltest du dir von Raban erklären lassen. Ich kann dir da leider keinen Rat geben! Meine Großmutter Eila hat mir darüber nichts erzählt.«

      »Das ist aber dumm. Hätte ich doch nur …«

      »Aber ich kann dir einen Tipp geben, wie du doch Kontakt mit dem Jungen aufnehmen kannst. – Nimm das Telefon und ruf ihn an!« Jetzt wird das Lächeln in Leanas Gesicht zu einem breiten Grinsen, das sofort auf ihre Tochter überspringt.

      »Das ist eine Superidee. Vor etwas mehr als 100 Jahren wäre Telefonieren sicher auch für Zauberei gehalten worden. Dann will ich es mal damit versuchen, auch wenn das ohne einen technischen Apparat einfacher wäre.« Ilea setzt sich auf den Stuhl vor den Schreibtisch und hüstelt ein paarmal. Als ihre Mutter nicht reagiert, fragt sie:

      »Ich störe dich doch nicht beim Lesen, wenn ich Raban jetzt anrufe? Oder soll ich das lieber später machen?«

      Leana blickt forschend zu ihrer Tochter hinüber und klappt dann ihr Buch zu, nachdem sie ein Lesezeichen hineingesteckt hat. Sie erhebt sich und lächelt.

      »Mir fällt gerade ein, dass ich noch etwas Salat für unser Abendessen aus dem Garten holen muss. Ich wollte einen gemischten Salat mit Stückchen von unserem guten Ziegenkäse bereiten. Ist es dir Recht, wenn ich dich jetzt allein lasse? Du kannst mir nach dem Telefonat ja etwas helfen, einverstanden?« Ihr verstehendes Lächeln ist von dem Mädchen am Schreibtisch nicht zu sehen, trotzdem antwortet diese erleichtert:

      »Danke, Mom! Ich möchte zu gerne allein sein, wenn ich mit Raban telefoniere. Aber ich kann das auch später machen. Vertreiben will ich dich wirklich nicht.«

      »Das verstehe ich«, erwidert die Mutter, kurz zur Tochter zurückblickend. »Aber es wird jetzt Zeit, dass ich mit den Vorbereitungen für das Essen beginne. Wenn du mit dem Telefonat fertig bist, schaue doch kurz bei den Ziegen nach, ob bei ihnen alles in Ordnung ist. Die Zeitungsberichte der letzten Tage verheißen nichts Gutes.«

      »Das mach ich … die Berichte sind auch ein Grund, warum ich mit Raban sprechen möchte.«

      Ilea wartet, bis sich ihre Mutter entfernt hat und sucht im Telefonverzeichnis nach der Nummer des Anschlusses von Rabans Eltern. Sie lächelt, als sie die Nummer in die Wähltastatur tippt. Sie atmet tief ein, während das Klingelzeichen ertönt. Es erklingt bereits zum sechsten Mal, während sie denkt:

      »Sollte ich heute kein Glück mit der Verbindungsaufnahme haben? Jetzt geh schon einer an den Apparat!«

      In diesem Moment vernimmt sie ein leichtes Rauschen und hört dann ein lautes Atmen.

      »Hallo? Es ging leider nicht schneller. Hier ist Raban. Wer möchte mit uns sprechen?«

      »Raban, bitte erschrick nicht. Ich bin’s, Ilea«, wiederholt das Mädchen die Worte, mit denen sie die geistige Kontaktaufnahme versucht hatte.

      »Äh… Oh… W…was?« Jetzt ist kurz ein Hüsteln zu hören, danach klingt die Stimme des Jungen noch etwas belegt, was sich dann aber schnell gibt.

      »Hallo, Ilea! Ich … ich freue mich, von dir zu hören … Warum soll ich nicht erschrecken? Bei euch ist doch hoffentlich nichts passiert? Braucht ihr Hilfe, also, soll ich schnell zu euch kommen?«

      »Nein, bei uns ist alles in Ordnung. – Es ist doch heute der erste Ferientag. Ich hoffte, gemeinsam mit dir einen Tag zu verbringen und wollte das mit dir besprechen.«

      »Hey, daran hatte ich auch schon gedacht, war mir aber nicht sicher, ob du zustimmen würdest.«

      »Klar stimme ich zu. Ich wollte dich aber auch aus einem anderen Grund sprechen. Ich hatte das gedanklich versucht, was aber nicht klappte. Du musst mir bei unserem Treffen beibringen, wie das funktioniert. – Also, der andere Grund sind die Zeitungsberichte der letzten Tage über seltsame Vorfälle. Du hast sie sicher auch gelesen: Das Verschwinden mehrerer Schafe und Rinder von verschiedenen Weiden, das Auffinden ihrer Kadaver an anderen Orten, meist innerhalb uralter Steinkreise. Manchmal lagen sie auch in Pentagrammen, die aus den Körpern toter Dohlen gebildet wurden. Mom und ich machen uns Sorgen um unsere Ziegen. Meinst du, dass dunkle Zauberer dahinterstecken könnten?«

      »Ja, also. Ähem, ich wollte »Nein« sagen. Ja, ich habe die Berichte auch gelesen und Nein, die Dubharan können nicht dahinterstecken. Die sind in der Vergangenheit gefangen, seitdem Sorcha und ich die Figur der Hekate zerstört haben.«

      »Trotzdem fürchten wir, dass etwas ähnlich Dunkles die Ursache sein könnte.«

      »Ja, das könnte natürlich sein. Ich weiß nur nicht was. – Wenn du möchtest, besuche ich euch morgen. Bist du einverstanden, wenn ich um neun Uhr in eurem Wohnzimmer erscheine?«

      »Danke. Das ist sehr gut. Ich freue mich. Aber jetzt muss ich nach unseren Ziegen schauen, ob dort alles in Ordnung ist. Bis morgen und schlaf gut!«

      »Du auch. Ich freue mich.« Die Verbindung ist unterbrochen. Ileas Gesicht strahlt. In Gedanken versunken steht sie noch einige Zeit vor dem Schreibtisch. Dann ruft sie sich in die Gegenwart zurück und verlässt das Haus, um zur Weide der Ziegen zu wandern.

      Raban steht grübelnd im Flur und blickt dabei unbewusst auf den Telefonhörer. Sein Herz klopft noch etwas in Vorfreude auf das morgige Treffen.


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