Der junge Goedeschal. Ханс Фаллада

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Der junge Goedeschal - Ханс Фаллада


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      Auf dem Vorplatz glühte trüb flackernd die mißvergnügte Flamme des Sparbrenners. Die aufleuchtende Helligkeit des Glühstrumpfes machte die beiden zwinkern. Im großen Spiegel erschienen ihre Gesichter fremd und weiß wie die von heimlichen Verschwörern.

      Aus dem Zimmer des Vaters klang Klavierspiel.

      »Zieh dich immer an, Arne, du brauchst gar nicht erst hereinzukommen, das dauert dann wieder so lange.«

      Als Kai die Tür öffnete, schlug ihm eine warme, von Pfeifenknaster durchduftete Luft entgegen. Im Einatmen empfand er eine Feindschaft gegen diese Lauheit, gegen dieses eingezäunte Daheimsein der Eltern, von dem er ausgeschlossen war, oben in seinem Zimmer, das nicht sein war, in dem er zu Gast wohnte. Hier waren die beiden zusammen, hier sprachen sie von Dingen, an denen teilzuhaben für ihn nicht zulässig war. Hier war Einheit, Nichts-Wünschen, Die-Welt-nicht-Brauchen, Zusammensein; dort oben Sehnen, Fortwollen, Schluchzen, Weinen, Begehren. Weiter vortretend grübelte er tief unten in sich: »Sie haben zu bestimmen, und doch ist uns nichts gemeinsam.«

      Seine Mutter lag auf dem Sofa, stark, mit etwas hilflosen Zügen, und schrieb auf den angezogenen Oberschenkeln mit sorgenvollem Gesicht einen Brief. Der Vater am Flügel unterbrach sein Spiel nicht, sondern warf nur mit einer kleinen Kopfdrehung einen abwartenden Blick auf Kai.

      »Ich bin nicht zum Abendessen da. Arne hat mich eingeladen. Wir wollen Mathematik arbeiten.«

      »Komm nicht zu spät wieder, Junge, daß du morgen aus dem Bett findest. Gute Nacht.«

      »Gute Nacht.« Die Tür klappte, er löschte das Licht und folgte Arne, der lautlos gewartet hatte, auf die Straße.

      Es hatte aufgehört zu schneien. Ein eisiger Wind fegte die Häuserfluchten herab. In seinem Zuge klapperten die Gaslaternen. Der zertretene, kotig zerrinnende Schnee heftete sich schleimig an die Schuhe. Die Freunde hängten sich ineinander ein.

      »Ist es dir nicht manchmal unangenehm, so schwindeln zu müssen?«

      »Das schon. Aber was soll ich tun? Sie wollen es ja nicht anders.«

      »Dabei sind deine alten Herrschaften noch ganz vernünftig. Meine erst! Auf dringenden Antrag geben sie mir jetzt fünfzig Pfennig Taschengeld in der Woche. Was ich damit tu!«

      »Manchmal ekelt das einen alles an. Diese Heimlichkeiten, dieses Lügen. Immer ein schlechtes Gewissen. Aber es muß ja sein. Was haben wir heut Abend vor? Eine Harmlosigkeit. Sie hätten's verboten. Sie verstehen uns nicht.«

      »Sie wollen nur nicht. Ich rechnete meinem alten Herrn vor, was ich brauchte. Er sagte nur: ›Ich hab in deinem Alter durch Stundengeben schon selbst verdienen müssen.‹ Nu ja.«

      Sie schwiegen und gingen raschen Schrittes die halbdunkle Straße hinunter, beinahe getröstet von dem Gefühl des Schritthaltens, des Einsseins im Gehen. Und doch hatte dieser Rhythmus etwas überredend Wehmütiges, in dem Kai tief und tiefer verschwamm. Die breiten Stämme der Platanen mit ihren trüben, grau verwaschenen Flecken stimmten ihn traurig. Ihre namenlos fremde Gebärde, dieses In-Steinen-Verwurzeltsein schien ihm doch ein wenig Verwandtschaft. Auch ihrem Erleben blieben die Dinge des täglichen Seins fremd. Ohne Vorbedingung, durch Zufall hier eingepflanzt gilbten ihre Blätter sommers wohl rasch in der immer wieder zurückgestrahlten Juliglut der Straßen. Wohl wurde ihre Rinde abgescheuert von den Schultern Vorübergehender, aber all dieses Äußerliche konnte den Kern ihres Wesens nicht streifen. Ihre trübe in die Luft gesteckten Zweige waren voll Vorbehalt wie an jenem ersten Tage, da sie aus den Baumschulen hierherkamen. Mochten unter ihren breiten Zweigen die rasselnden Züge der elektrischen Bahnen brausen, mochten sich beim Dunklerwerden Paare von Liebenden in ihren Schatten schmiegen – sie unterwarfen sich nicht diesen Täuschungen. Ihre nackten Zweige sprachen wie am ersten Tage von dem Bestehen eines wahreren Lebens. Sie sehnten sich. In ihrem Splintholz sang steigender Saft im Frühling von den Wiesenschaum überwogten Weiden, über die schwarzbuntes Vieh wandelnd des Mittags in ihren Schatten dringen würde.

      Halb hingegeben, brüderlich streichelten Kais Finger die glatte Schale tröstlichen Seins, das eine Bejahung seiner Sehnsucht war. Aber sie zuckten beschämt zurück. Wieder einmal überfiel ihn die tödliche Angst, seine Gefühle zu verfälschen, unwahr zu machen, dadurch, daß er ihnen nach außen Geltung verschaffte. Die streichelnde Hand – sie war nur ein verlogenes, widerliches Zerrbild dessen, was er wahrhaft gefühlt. Daß er diesem Impuls zu rasch gefolgt war, das hatte sein wahres Gefühl verzerrt. Nein, nicht nach außen durften die Gedanken treiben. In ihm, tief drin mußten sie wachsen wie Blumen. Man durfte das keimende Samenkorn nicht beachten. Wolken mußten darüber hinwandern, Sonne scheinen, eines Tages aufblühend war es vielleicht stark genug, das Äußere zu ertragen.

      »Du, Kai«, sagte Arne.

      »Ja, du?«

      »Was meintest du eigentlich mit Jungfräulichkeit?«

      »Wieso?«

      »Ich erinnere mich, du hattest in der Einleitung zu deinem Aufsatz irgend etwas von ›jungfräulichem Berg‹ oder so geschrieben. Was meintest du damit?«

      »Ach so«, sagte Kai und schwieg einen Augenblick. Ganz recht, das konnte stimmen. Er hatte die Einleitung irgendwo abgeschrieben. Komisch, daß Arne noch daran dachte. »Weißt du, ich habe mir eigentlich nichts Besonderes dabei gedacht.«

      »Na, irgend etwas mußt du doch damit meinen. Jungfräulicher Berg!«

      »Ja, was denn? Jungfräulichkeit, was soll das sein? Reinheit, Unberührtheit oder so.«

      »Das ist doch eine tolle Schweinerei!« sagte Arne.

      Kai fragte verständnislos: »Wieso?«, dann schwiegen sie wieder.

      Ihr Weg hatte sie in helle und belebte Straßenzüge geführt. Trotz des schlechten Wetters waren viele Leute draußen. Ihre Gesichter schienen seltsam aufgedunsen, Leichen gleich, die im Wasser gelegen hatten, und alle mit einem, nur einem einzigen Ausdruck, den sie mit einer verbissenen Störrigkeit festhielten. Aber auch zwischen ihnen meinte Kai brüderlich Verwandte, nahe Freunde zu entdecken, die wie er verzweifelt und rastlos »suchten«. Was? – Das Leben, eben jenes Leben, wie es sich ihre Verzweiflung wärmer, Haut an Haut träumte. Ihre Augen, müde von vielem Umherschauen, gereizt von zahllosen, ungeweinten Tränen, erleuchtete immer von neuem ein anderer Ausblick ihrer alten Hoffnung. Ihre Lippen schienen Gebete zu murmeln zu einem Herrn, der sie nicht erhören würde. Die Bewegungen ihrer stets mageren Hände waren zwecklos und seltsam wie phantastische Blüten, die man im Traum sieht. Aber Kai merkte es wohl: jene Weiber mit den dunklen Schatten unter den Augen, die eine wehmütige Rücknahme der Versprechen waren, die Haut und Lippen gaben, sie hatten keinen Blick für diese Suchenden. Vielleicht sehnten auch sie sich. Es mußte süß sein, so verachtet zu werden wie sie und sich dann sehnen zu dürfen. Wäre er eine von ihnen, er würde die Blicke der Einsamen im Netz seiner Hingebung zu fangen wissen. Ja: dieses Eine: verachtet sein und verworfen, konnte einen vielleicht dazu bringen, ganz heiß zu lieben und geliebt zu werden.

      Kai fuhr auf. Arne hatte gegrüßt, mit einer übertriebenen Grandezza und einem Lächeln, das dieser Übertreibung Recht verleihen sollte. Zu spät natürlich griff Kai an seine bunte Pennälermütze. Im grellen Schein der elektrischen Lampen sah er noch ein weißes, reinliniges Profil mit tief gesenkten Wimpern, einen blassen Mund und über all dem ein wenig Schwermut ausgebreitet, wie es schien.

      »Wer war denn das?«

      »Ilse Lorenz«, flüsterte Arne aufgeregt.

      Kai drehte sich um. Zwischen dem Gewühl sah er für einen Augenblick die eher kleine Figur des Mädchens, die breiten Hüften und den ruhigen, stillen Gang der sich Entfernenden. Ein Lächeln stieg in ihm hoch. Und während Arne auf ihn einsprach, dachte er: Das also ist sie! Wie abgeschlossen! Wie fern! Wie fremd!

      4

      Auf seinem Zimmer angelangt, sagte Arne: »Setz dich, ich zieh mich schnell um. Dort stehen Zigaretten.« Und während er die Jacke abwarf, fragte er: »Wie gefiel dir Fräulein Lorenz?«

      »Gott,


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