Die Magier von Stonehenge Teil II.. Denise Devillard
Читать онлайн книгу.mit den Fingern seiner Rechten, in der darauf die Schreibfeder erschien, dann hielt er ihm Papier und Feder hin. „Unterschreibe, wenn dir das Leben deiner Tochter etwas wert ist!“ Der alte Mann nahm das Pergament und die Feder entgegen, atmete tief durch, dann setzte er seine Unterschrift darunter. Er ahnte wohl schon, was folgen sollte.
Matthew beugte sich im gleichen Moment über ihn und begann zu lesen. Er fühlte einen schmerzhaften Stich in seinem Herzen, als er den Namen las, der in dem Vertrag ganz oben angeführt war. >> Sir Raven de Clare 8. Earl of Pembroke << Es war ein Vertrag zwischen ihm und Paymon, der zum Inhalt hatte, dass seine Tochter von Paymon nicht weiter behelligt wurde, wenn er sein ganzes Eigentum an Paymon übergab. Und das war Cardiff Castle, samt allen Ländereien!
Geschockt taumelte Matthew zurück und brachte sofort Abstand zwischen sich und die anderen. Damit hatte er ganz bestimmt nicht gerechnet! Der alte Mann war offenbar sein richtiger Großvater gewesen! Nun hatte er den Beweis schwarz auf weiß, dass der, der sich jahrelang als sein Großvater ausgegeben hatte, ein Betrüger war! Ein ganz offensichtlich von Paymon erwählter Gefolgsmann, der dazu ausersehen war, ihn nach England zu locken, um ihn in den Kreis der Fünf zu integrieren und damit ihre absolute Macht zu vervollständigen. Alles war eine einzige Lüge gewesen! Tief getroffen von der Schmach, die man ihm angetan hatte, lief er, so schnell seine Füße ihn tragen konnten, davon. Sobald er genug Abstand zu ihnen eingenommen hatte, hob er seine Hand, drehte am Ring und murmelte leise: „Tempus est iustus a fenestra tempus enim fumus et specula! Aperi annulum, lets 'circum undique! Ad mihi in re praesenti! Turn ad tempus!“
„Du bist nach fünf Tagen schon zurück?“, fragte Elisabeth, als er im Wirbelwind der Zeiten zu Hause eintraf. Sie bemerkte, dass er völlig verstört wirkte und fragte: „Was ist passiert Matthew?“
Er legte den Stab zur Seite, nahm den Mantel ab und setzte sich auf die Couch. Elisabeth spürte sofort, dass etwas Schwerwiegendes geschehen sein musste. Denn so hatte sie ihn noch nie gesehen. Seine Augen wirkten, als hätte er gerade den Teufel persönlich gesehen. „Bist du auf Paymon getroffen?“, hakte sie nach. Matthew nickte stumm. „Was ist denn jetzt passiert, sag schon Matt!“ Er wandte ihr sein Gesicht zu und antwortete: „Alles war eine Lüge!“ „Was hat das zu bedeuten?“ Sie wusste nicht, wovon er eigentlich sprach. „Mein sogenannter Großvater!“ Sein Mund verzog sich zu einem geringschätzigen spöttischen Ausdruck. „Alles war von Anfang an eine Lüge!“, wiederholte er. Jetzt verstand sie endlich, worauf er anspielte. „Dann ist er es also nicht gewesen?“ „Nein, er war es nie!“ Ihre Stirn legte sich in Falten, als sie fragte: „Ja, aber wer war es dann?“ Matthew zuckte mit den Schultern und sagte: „Ich nehme an, er war nur ein Gefolgsmann Paymons, wer sonst würde so etwas tun?“ Sie nickte. „Das wird wohl so sein. Ich kann mir sonst auch nicht vorstellen, wer sonst Interesse daran hätte, dich so sehr zu täuschen.“
„Ich hatte ja früher schon diesen Verdacht. Aber ich wollte es einfach nicht glauben. Ein Teil von mir hat wohl immer noch gehofft. Ich habe mir wohl zu sehr eine Familie gewünscht.“ Er senkte den Kopf und wirkte schwer enttäuscht. Elisabeth legte ihre Hand auf seine Schulter. „Sei nicht traurig Matt, du hast doch immer noch mich. Und vergiss nicht, wir sind bald zu dritt.“ Sie lächelte ihn an und bemühte sich ihn aufzumuntern. „Ich weiß, aber verstehst du nicht? Ich bin von Anfang an hierhergelockt, getäuscht und betrogen worden! Ich war von Anfang an nur Mittel zum Zweck! Hätte man mich einfach in Ruhe gelassen, wäre ich heute noch auf meiner Farm und wäre glücklich, weil ich mit all dem nichts zu tun hätte. Dann müsste ich jetzt nicht gegen einen Dämon um unser Leben kämpfen!“ Verärgert, deprimiert und gänzlich ernüchtert, schlug er mit der Faust auf den Tisch vor ihm. Im Moment war gerade alles etwas zu viel für ihn. Er musste das alles erst verdauen, bevor er weitermachen konnte. Es traf ihn schwer, dass man ihn so dermaßen ausgenutzt hatte. Der Mann, der sich als sein Großvater ausgegeben hatte, hatte mit ihm jahrelang nur gespielt und seinen Wunsch nach einer Familie benutzt, um ihn sich gefügig zu machen. Nichts davon war wahr! Er war blind gewesen. Er hatte es einfach nicht glauben wollen! Doch das war jetzt endgültig vorbei, da er nun endlich die ganze Wahrheit kannte!
Vielleicht musste er es auch mit eigenen Augen sehen, um sich dessen wirklich bewusst zu werden. Seine zukünftigen Entscheidungen und Handlungen waren davon abhängig. Die Endgültigkeit dieser Erkenntnis änderte auch ihn selbst.
Die unausweichliche Frage, die sich ihm jetzt dennoch aufdrängte, war, wer dann tatsächlich, am Tod seiner Mutter die Schuld trug. Man hatte ihm jahrelang erzählt, sie sei durch einen Autounfall gestorben. Doch nachdem er jetzt wusste, was Paymon getan hatte, glaubte er nicht mehr daran. Es drängte ihn, der Sache auf den Grund zu gehen. Er musste einfach wissen, ob Paymon auch am Tod seiner Mutter Schuld war. In schweren Gedanken verloren, saß er stundenlang im Wohnzimmer. Er war sich natürlich bewusst, dass er in die Geschichte selbst nicht eingreifen durfte. Man konnte zwar alles miterleben, aber ein Eingreifen, würde den Verlauf der Geschichte verändern und das war ihm nicht erlaubt. Das hatte Myrddin auch in seinem Buch ausdrücklich klar gemacht. Nur zu gern hätte er dies geändert. Dann wäre seine Mutter vielleicht heute noch am Leben.
Elisabeth überließ ihn weitgehend sich selbst. Sie spürte, wie es in ihm arbeitete. Bevor sie zu Bett ging, gab sie ihm noch einen Kuss auf die Wange und sagte leise: „Mach nicht zu lange Schatz, du brauchst deinen Schlaf.“ Matthew nickte nur. Zu sehr war er mit seinen Gedanken beschäftigt. Es war nicht leicht für ihn. Wenn er zu diesem einen Tag in die Vergangenheit zurückreiste, wäre das für ihn sicherlich mit sehr viel Schmerz verbunden. Mitzuerleben wie seine eigene Mutter angefahren wurde, …das musste er sich gut überlegen. Damals hatte er nicht so viel davon mitbekommen, er war schließlich erst fünf Jahre alt gewesen. Und man hatte ihn weitgehend davon ferngehalten. Aber er wusste genau, um welche Zeit der Unfall stattgefunden hatte, aus den Unterlagen des Protokolls, aus ihrem Nachlass. Das war nicht das Problem. Das Problem war seine eigene Angst, davor, es mit eigenen Augen zu sehen. Weil er nicht wusste, wie er darauf reagieren würde. Wollte er sich das wirklich selber antun? Dem gegenüber stand, dass es nur diesen Weg gab, wollte er herausfinden, ob Paymon seine Finger im Spiel gehabt hatte. Er hatte seinem Großvater zugesichert, dass er sie in Ruhe lassen würde, wenn er ihm alles überschrieb, was er besaß. Aber das Wort eines Dämons ist wohl kaum etwas wert. Wer sagt denn, dass er sich an diese Vereinbarung gehalten hatte? Niemand hätte ihn daran hindern können, sein Wort zu brechen. Daher war der Verdacht sehr naheliegend. Doch herausfinden konnte er dies nur, wenn er selbst vor Ort war. Nachdem er eine Zeit mit sich selbst gerungen hatte, ob er sich das antun wollte, entschied er sich doch, es zu tun. Ihm war jedoch bewusst, dass er dazu zuerst wieder Kraft tanken musste, also ging er zuerst in die Küche, um etwas zu essen, und anschließend gleich ins Bett.
Am nächsten Morgen erwachte er durch den Schrei des Adlers, der am Himmel seine Bahnen zog. Als er durchs Fenster zum Himmel sah, war es ihm, als hätte er gerade deshalb in diesem Augenblick die endgültige Entscheidung getroffen. Es gab keinen anderen Weg für ihn. Er musste endlich wissen, was mit seiner richtigen Familie geschehen war. Die eigenen Wurzeln der Familie, und alle damit zusammenhängenden Ereignisse, definierten das Selbst eines Menschen. Das war auch bei ihm nicht anders. Denn das ist schließlich das, was einen Menschen ausmacht. Seine Herkunft, seinen Charakter, seine Begabungen und Talente. Zudem wusste er über seine Familie so gut wie nichts. Wer waren sie gewesen? Welchen Charakter hatten sie gehabt und welche Ziele hatten sie verfolgt? Er versuchte, sich an seinen Traum damals zu erinnern,
in dem er seine Mutter gesehen hatte. Was hatte sie damals gesagt? >> Es tut mir sehr leid, dass ich dich schon in jungen Jahren zurücklassen musste. Ich hätte dir so vieles noch sagen müssen, aber dazu kam es leider nicht mehr. Sie haben dafür gesorgt. Nun ist es an dir, dich zu entscheiden. Du bist nun in dem Alter, in dem du reif genug dafür bist. Ich wünschte, ich könnte dich lehren, was du wissen musst. Suche deinen Weg mein Sohn, es ist allein deine Entscheidung. Aber ich hoffe inständig, dass du den richtigen Weg erwählst. Alles wird zu dir kommen, wenn du so weit bist. Achte auf die Zeichen!“ <<
Er überlegte. Welche Zeichen sie wohl gemeint hatte? Und was genau bedeutete das: >> Sie haben dafür gesorgt? << War das der Hinweis auf ihre Ermordung gewesen? Damals hatte er diesem Satz keine nähere Bedeutung beigemessen. Wie auch, er hatte ja noch keine