Sinnvoll zu betrachten. Geshe Kelsang Gyatso

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Sinnvoll zu betrachten - Geshe Kelsang Gyatso


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      (8) Zu vermeiden, irgendein fühlendes Wesen zu täuschen

      Wenn der anstrebende Erleuchtungsgeist stabil und voller Ermutigung ist, entwickelt der Bodhisattva ganz natürlich den Wunsch, alle Vollkommenheiten zu praktizieren: die reinen Handlungen eines Bodhisattvas. Zu diesem Zeitpunkt werden die Gelübde des ausübenden Erleuchtungsgeistes erneut entweder in der Gegenwart eines Lehrers oder vor der visualisierten Versammlung der Buddhas abgelegt. Zu diesem Zeitpunkt verpflichtet man sich, alle Grundsätze, die in der Praxis der Sechs Vollkommenheiten enthalten sind, zu beachten. Die Sechs Vollkommenheiten werden später in diesem Kommentar erklärt, und die Zeremonie, in der die Bodhisattva-Gelübde abgelegt werden, wird im dritten Kapitel beschrieben.

      Wenn die vollständigen Bodhisattva-Gelübde abgelegt werden, verwandelt sich der anstrebende Geist des Bodhichittas in den ausübenden Geist des Bodhichittas. Wenn alle Grundsätze auf reine Weise eingehalten werden, kommt der Bodhisattva der höchsten Erleuchtung immer näher. Werden die Grundsätze aber mißachtet, gebrochen und aufgegeben, entstehen schwere negative Folgen, die unseren Geist weiter vom Ziel entfernen. Eine vollständige Erklärung der achtzehn Hauptgelübde und der sechsundvierzig Nebengelübde eines Bodhisattvas gibt Arya Asanga in Ebenen eines Bodhisattvas (Skrt. Bodhisattvabhumi) und Je Tsongkhapa in Der Hauptpfad zur Erleuchtung (tib. Byang chub shung lam). Ein Kommentar ist auch im Buch Das Bodhisattva-Gelübde enthalten.

      DER NUTZEN DES ANSTREBENDEN BODHICHITTAS

      Wenn jemand allen erleuchteten Wesen ein Universum voller kostbarer Juwelen darbringt, wird er, so heißt es, durch diese Handlung wahrlich gewaltige Verdienste erwerben. Buddha Shakyamuni aber sagte, daß das Verdienst, das allein durch den anstrebenden Erleuchtungsgeist entstehe, tausendmal größer sei. Diese anstrebende Geisteshaltung überwindet die Nachteile und Hindernisse Samsaras und überstrahlt die Qualitäten derjenigen spirituell Praktizierenden, die nur ihre eigene Befreiung anstreben - die sogenannten Hörer und Alleinigen Eroberer. [17] Aber so groß dieser Nutzen auch ist, aus dem anstrebenden Geist entsteht kein derart unaufhörlicher Strom an Verdienst, wie er aus dem ausübenden Erleuchtungsgeist entsteht.

      DER NUTZEN DES AUSÜBENDEN BODHICHITTAS

      [18-19] Vom Zeitpunkt an, an dem die vollständigen Bodhisattva-Gelübde mit dem furchtlosen Geist abgelegt werden, sich niemals von der Aufgabe abzuwenden, alle fühlenden Wesen von ihrem Leiden zu befreien und sie zur Erleuchtung zu führen, entstehen unvorstellbare und große Verdienste. Die Verdienste einer solchen Geisteshaltung sind viel größer als die Verdienste, die aus dem anstrebenden Erleuchtungsgeist entstehen. Sie entstehen selbst dann, wenn der Bodhisattva schläft, sich unbesorgt gibt oder wenn er scheinbar berauscht ist. Außerdem werden sämtliche Handlungen einer Person, die diesen ausübenden Erleuchtungsgeist besitzt, d.h. alle Handlungen von Körper, Rede und Geist, zur Ursache für die Erlangung der höchsten und vollendeten Erleuchtung.

      WARUM DIESER NUTZEN AUS BODHICHITTA ENTSTEHT

      Es gibt zwei Arten von Begründungen, die den enormen Nutzen des Bodhichittas zeigen: Begründungen aus den Schriften und logische Begründungen. [20] Was die Begründungen aus den Schriften anbelangt, hat Buddha selbst die vielen Vorteile, die aus der Entwicklung des Erleuchtungsgeistes entstehen, im Sutra, das von Subahu erbeten wurde (Skrt. Subahupariprcchasutra) aufgelistet. Weshalb gab er diese Unterweisung? Um diejenigen, die geneigt waren, dem Hinayana-Pfad zu folgen, der nur zur eigenen Befreiung von Leiden führt, davon zu überzeugen, den Mahayana-Pfad zu begehen, der zur vollständigen Erleuchtung zum Wohl aller fühlenden Wesen führt.

      Die logische Begründung zum Nachweis der Vorteile von Bodhichitta entsteht aus der Beobachtung, daß es im allgemeinen viele Formen von tugendhaften oder guten Absichten gibt, die man haben kann. Zum Beispiel hat eine Mutter gute Absichten gegenüber ihrem eigenen Kind, und wir haben vielleicht gute Absichten gegenüber den Armen und Bedürftigen. Aber die guten Absichten eines Bodhisattvas, dessen Großes Mitgefühl alle Lebewesen umfaßt, sind noch viel größer. Der Unterschied zwischen der tugendhaften Absicht eines gewöhnlichen Wesens und der eines Bodhisattvas ist vergleichbar mit dem Unterschied zwischen der Größe eines Fingernagels und der Weite des Himmels.

      Der riesige und unübertroffene Nutzen des Bodhichittas wird durch die folgende Geschichte aus einem früheren Leben Buddha Shakyamunis verdeutlicht. Es heißt, daß er in jenem bestimmten Leben sehr viel negatives Karma erschuf, weil er heftigen Streit mit seiner Mutter hatte und über ihren Kopf hinwegstieg, als sie auf dem Boden lag und versuchte, ihn am Fortgehen zu hindern. Infolge dieser schweren nichttugendhaften Handlung wurde er in einem Höllenbereich wiedergeboren. In diesem karmisch entstandenen Bereich mußte er ständige und unerträgliche Qualen erleiden, weil sein Kopf durchbohrt wurde. Es umgaben ihn andere Wesen, die alle die gleichen Qualen erdulden mußten. Der Anblick dieser leidenden Wesen berührte das Herz des Jungen. In seinem Geist war die karmische Prägung einer früheren guten Absicht eingepflanzt. Als diese durch den Anblick der Qualen der anderen Wesen in ihm geweckt wurde, betete er: «Wie wunderbar wäre es, wenn alle diese fühlenden Wesen von den schrecklichen Schmerzen befreit wären, die ihrem Kopf zugefügt werden. Möge all dies Leiden in mir reifen!» Die Kraft dieser tugendhaften Absicht war so stark, daß sein gesamtes negatives Karma, das er durch das Verletzen seiner Mutter angesammelt hatte, vollständig gereinigt wurde. Danach wurde er sofort in einem himmlischen Deva-Bereich wiedergeboren.

      [21] Shantideva verwendet dieses Beispiel großer Verdienste, die aus dem bloßen Wunsch entstehen, andere von ihren Kopfschmerzen zu befreien, als Vergleichsstandard. Wenn das Verdienst aus einer begrenzten Absicht wie dieser schon so groß ist, [22] wie unermeßlich müssen da die Verdienste aus der reinen Absicht eines Bodhisattvas sein? Die aus der Bodhichitta-Motivation entstandene Absicht eines Bodhisattvas ist es, alle fühlenden Wesen von allem Leiden zu befreien und sie zum höchsten Zustand der Erleuchtung zu führen. Ein Bodhisattva arbeitet nicht nur für das vorübergehende Glück der fühlenden Wesen, sondern auch dafür, sie zum endgültigen Glück der Buddhaschaft zu führen.

      [23] Haben unsere Eltern uns gegenüber die gleichen guten Absichten wie ein Bodhisattva? Oder haben die großen Götter wie Indra und Brahma oder die alten Weisen eine solch wohlwollende Absicht? Nein. Es ist wahr, daß unsere gütigen Eltern unser vorübergehendes Leiden beseitigen und uns viel Glück geben möchten, aber es kommt ihnen nicht in den Sinn, uns den erhabenen freudvollen Zustand der vollen Erleuchtung - die vollständige Beendigung unserer gesamten Leiden - zu wünschen.

      Obwohl wir von Selbst-Wertschätzung erfüllt sind, streben gewöhnliche Wesen wie wir im allgemeinen nur das vorübergehende Glück dieses jetzigen Lebens an. Wir haben nicht die Absicht, den höchsten Zustand der Erleuchtung oder Glück in zukünftigen Leben zu erlangen. Wir haben auch nicht die Absicht, uns von den Leiden einer Wiedergeburt in der Hölle oder von Samsara insgesamt zu befreien. [24] Wenn die gute Absicht, von allen Leiden befreit zu sein und Erleuchtung zu erlangen, nie für uns selbst entsteht, nicht einmal in unseren Träumen, wie soll sie dann je für andere entstehen können? Wenn wir selbst nicht den Wunsch haben, von Samsara frei zu sein, wie soll dann der Wunsch entstehen, daß andere von Samsara frei sein mögen?

      Wenn wir gründlich über die Leiden meditieren, denen wir ständig ausgesetzt sind, können wir den Wunsch entwickeln, von all den unbefriedigenden Zuständen befreit zu werden, aus denen Samsara besteht. Dieser Wunsch nach Befreiung wird Entsagung genannt. Wenn wir über die Leiden der Wesen nachdenken, die in der gleichen Lage sind wie wir - und erkennen, daß alle fühlenden Wesen überall in Samsara leiden - wird der Wunsch entstehen, daß auch sie befreit werden. Das ist die Entwicklung des wahren Mitgefühls und führt zur Entwicklung des Bodhichitta-Wunsches.

      [25] Bodhichitta ist die Quelle des Glücks für alle fühlenden Wesen. Er ist das Allheilmittel, das alle Leiden behebt. [26] Wie können wir die unendlichen, unvorstellbaren Verdienste dieses kostbaren, juwelengleichen Geistes ermessen? Gibt es ein Wunder, das man mit der Entstehung des kostbaren Bodhichittas in unserem Geist vergleichen kann?

      Einem anderen Wesen zu helfen, ist mit Sicherheit eine großartige Praxis, aber


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