Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln. Martina Dr. Schäfer

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Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln - Martina Dr. Schäfer


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wissenschaftliche Arbeit suchten. PAPE (1998) und einige andere Referenten der Tagung: «Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichts-Forschung in den Jahren 1933-1945» in Berlin relativierten dieses Bild und unterstellten auch einigen dem «Ahnenerbe» zugehörigen Ur- und Frühgeschichtlern eine ideologische Verquickung mit den Zielen und Inhalten des nationalsozialistischen Regimes. Ihrer Meinung nach, verfuhr man Ende des Krieges nach der Sündenbockmethode, indem man allein Hans Reinerth die gesamte Schuld am Niedergang der deutschen Ur- und Frühgeschichte anlastete. (SCHÖBEL 1998)

      Werner Buttler wurde am 19. Juni 1907 in Einbeck geboren, sein Vater war dort Mittelschullehrer. Nachdem er mit achtzehn Jahren sein Reifezeugnis (Abitur) erlangt hatte, studierte er zwischen 1926 und 1930 an den vier Universitäten: Göttingen, München, Halle und Marburg die Fächer Archäologie, Geschichte, Geologie und wurde 1930 mit Vorgeschichte als Hauptfach und den Nebenfächern Geologie, Mittlere- und Neuere Geschichte in Marburg unter Gero von Merhart promoviert.

      1928 nahm Werner Buttler an Grabungen in Kempten und auf dem Goldberg teil, 1929 bereiste er mit einem Stipendium der Römisch-germanischen Kommission versehen Belgien und Holland.

      Bild 3: Werner Buttler

      1930 war Werner Buttler der nationalsozialistischen Partei und der SA beigetreten, in Marburg als Mitglied des studentischen SA-Sturms. Er wurde Untersturmführer der SS und in den Persönlichen Stab Himmlers, des Reichsführers der SS, berufen. 1936 habilitiert, erlebte er die zweite Auflage des unten besprochenen «Merkheftes zum Schutz der Bodenaltertümer» nicht mehr und fiel am 12. Mai 1940 als Unteroffizier in Lothringen, noch keine 33 Jahre alt. Er brauchte für sein Studium bis zur Promotion insgesamt acht Semester, von denen er jeweils drei in München und Marburg verbrachte, sein Erstes in Göttingen und Eines in Halle. Dass es ihm in Halle vielleicht nicht so gut gefallen haben könnte, mag an der Person seines Vorgeschichtsprofessors, Hans Hahne gelegen haben, einem Mitbegründer der kossinnanahen «Gesellschaft für deutsche Vorgeschichte». Hans Hahne, ursprünglich Mediziner, studierte ab 1905 bei Gustav Kossinna, habilitierte sich in Hannover und lehrte seit 1912 in Halle Vorgeschichte. Ab 1933 war er Rektor der Universität Halle-Wittenberg, da er bereits vor 1933 Mitglied in der NSDAP gewesen war. Sein Denken war insbesondere durch die Theorien des Entwicklungsbiologen, Ernst Haeckel, und des Begründers der Anthroposophie, Rudolf Steiner, beeinflusst. Wie der ebenfalls von ihm hoch gelobte Dichter Däubner, schienen für Hans Hahne Mythos oder mythologisches Denken Wege der Erkenntnismöglichkeit zu sein. (ZIEHE 1998)

      Dass solche Einstellungen sicherlich nicht zu den Vorstellungen Werner Buttlers über wissenschaftliches Arbeiten gehörten, zeigte oben schon Hans Zeiss` Referenz vom 1.2.1935 und seine Bewertung von Werner Buttlers Lehrproben vom Juni 1936. (UAK Zug 44/112)

      Auch Werner Buttlers Dissertation, die er 1930 in Marburg einreichte, spricht eine andere methodische Sprache, wie das «Mythengeraune» jener Leute, die dem «Reichsbund» um Alfred Rosenberg nahe standen. Wenn Hans Zeiss an Werner Buttlers Lehrproben die Abwesenheit einer ausführlicheren Würdigung geistesgeschichtlicher Bedeutung gewisser Formenreihen (UAK Zug 44/112) kritisierte, so bedeutete das ja letztlich, dass Werner Buttler es eben ablehnte, archäologische Funde und deren Formen inhaltlich, geistesgeschichtlich, zu interpretieren.

      Bereits der erste Satz der Einleitung umreisst in wenigen Zeilen die Ziele seiner Arbeit: ... genauen Abgrenzung der Bandkeramik...Grenze der nordwestlichen Kulturprovinz dieses Kreises festzulegen ... auf stilistisch-typologischer und chronologischer Grundlage behandeln. (BUTTLER 1930, 1)

      Danach definiert er eindeutig die Grenzen des von ihm bearbeiteten Gebietes und formuliert am Ende der Einleitung, die nicht einmal eine Seite lang ist, seine grundsätzliche Fragestellung: Es erscheint zunächst wichtig, den Zusammenhang zwischen der prähistorischen Siedlung und den Naturgegebenheiten der Landschaft herauszuarbeiten, den Versuch einer Feststellung zu machen, welche Gebiete für Besiedelung in Frage kommen und welche nicht... (BUTTLER 1930, 1)

      Die einzelnen Kapitel seiner Arbeit befassen sich dann mit folgenden Punkten:

      1. die natürlichen Grundlagen der Besiedlung im Untersuchungsgebiete

      2. die Verbreitung der Bandkeramik

      3. der Hausbau

      4. die Werkzeugindustrie

      5. die Keramik (BUTTLER 1930, a.div.O.)

      Typologische und chronologische Fragen handelt er insbesondere im fünften Kapitel ab. Es folgt das Verzeichnis der abgebildeten Funde und Aufbewahrungsorte und ein Anhang, der dem veröffentlichten Exemplar nicht zugefügt ist mit Verzeichnis der Funde, Tabellen und einem Verzeichnis der Museen. Es gibt keine Literaturliste im Anhang, die verwendete Literatur taucht in den Fussnoten auf. Ohne das Fundverzeichnis umfasst die Dissertation Werner Buttlers 53 Seiten.

      Nicht ein «germanisches Reich» oder «die Herkunft der Indogermanen» sind Werner Buttlers erkenntnisleitende Fragen sondern schlicht: Wenn dieser Zusammenhang zwischen Waldfreiheit und urgeschichtlicher Besiedelung besteht, so erhellt daraus, dass jede Arbeit, die sich mit der Besiedelung einer Gegend oder der Verbreitung einer Kultur beschäftigt, auf jene Grundlagen zurückgehen muss. Sie hat sich also zunächst mit der Naturbeschaffenheit des betreffenden Gebietes zu befassen, besonders mit der Frage, welche Landschaften waldbedeckt waren, also für Siedlungen nicht in Betracht kamen, und welche waldfrei waren. (BUTTLER 1930, 2)

      Damit steht Werner Buttler in der Tradition einer «Siedlungsarchäologie», die mit Namen wie Carl Schuchhardt und Ernst Wahle verbunden waren, welche eine deutliche Gegenposition zu Gustav Kossinnas Vorstellungen von «Siedlungsarchäologie» vertraten.

      Für Kossinna und seine Schüler war der Begriff «Siedlungsarchäologie» also etwa gleichbedeutend mit Stammeskunde oder mit der Erforschung des Ursprungs von Völkern...Heute begreift man unter Siedlungsarchäologie eine Forschungsrichtung, die sich bemüht, auf der Grundlage archäologisch erfassbaren und deutbaren Quellenmaterials Siedlungsprobleme und diese zunächst ohne Berücksichtigung stammeskundlicher oder ethnischer Aspekte zu studieren. (JANKUHN 1977, 4f.)

      Auch 1924 war diese Art wissenschaftlicher Fragestellung durchaus schon vorhanden und allgemein zugänglich, beispielsweise im «Reallexikon der Vorgeschichte»: A n t h r o p o g e o g r a p h i e ... Die Erörterung der in der Kultur liegenden Voraussetzungen, d.h. der Wirtschaft, des Siedlungswesens, der Stellung der Menschen zu Urwald und offenem Land, der Frage der Auswahl bestimmter Böden für den Anbau u.a., welche das Verhältnis des Menschen zur Natur bestimmt, vereinfacht wesentlich die Darstellung der natürlichen Grundlagen der Besiedelung, ist also zweckmässig vorauszusenden. (EBERT 1924, 190, Bd.1)

      S i e d l u n g s a r c h ä o l o g i e ... Es war also klar, dass bei der Erforschung der vorgesch. Siedlungen die natürlichen Grundlagen, Bodengestaltung und Grundwasserverhältnisse, eine Hauptrolle spielten, dass also die geologischen Vorbedingungen einer Landschaft massgebend sein mussten für die Verteilung der Wohnplätze. (EBERT 1924, 108, Bd.12)

      WAHLE wird ebenfalls in diesem Zusammenhang zitiert, der fordert, die geologischen Verhältnisse und die klimatischen Bedingungen mit in die siedlungsarchäologischen Fragestellungen hereinzunehmen.

      Schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten hatten die beiden Forschungsrichtungen mit ihren Hauptvertretern Gustav Kossinna und Carl Schuchhardt, der allgemein als «Erfinder des Pfostenloches» bezeichnet wurde, miteinander konkurrenziert, was zur Gründung verschiedener Institute und Publikationsorganen führte. Umso erstaunlicher also muss, angesichts seiner 1923 im Reallexikon zitierten wissenschaftlichen Auffassungen, beispielsweise Ernst Wahles Verriss von Werner Buttlers Habilitationsschrift zehn Jahre später erscheinen, sowie seine Postulierung einer wohl doch eher mystischen «Lebenskraft» in der Arbeit von 1939.

      Ernst Wahle muss in diesen Jahren eine sehr grundsätzliche Änderung seiner Arbeitsschwerpunkte vorgenommen haben.

      Man muss wohl diesen auffälligen Positionswechsel mit den äusseren politischen Verhältnissen in Verbindung zu bringen. Eine diesbezügliche wissenschaftsbiografische Arbeit zu Ernst Wahle


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