Der Gewalt keine Chance. Martina Dr. Schäfer

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Der Gewalt keine Chance - Martina Dr. Schäfer


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Witze erzählt. Ihm gefällt dabei, dass die Frauen verlegen und nur gezwungen lächeln, die Männer sich schenkelschlagend und augenzwinkernd mit ihm gegen die Frauen solidarisieren. Auf diese Weise hat er also zwei Blutquellen, an denen er saugen kann: die peinlich berührten, verlegenen Frauen und die Männer, die ihn bestärken.

      In einem ländlichen Verein gab es einmal solch einen Kerl, und als ich das erste Mal mit den anderen nach dem Sport ins Wirtshaus ging, erlebte ich mit Grausen, was der da erzählte. Da ich neu war, schwieg ich beim ersten Mal und nahm mir vor, ihm beim nächsten Mal kräftig über den Mund zu fahren. Wie wir weiter unten noch sehen werden, gab es kein «nächstes Mal»: Anscheinend stand es auf meiner Stirne geschrieben: Schneide jedem geilen Vampir das Wort ab! In meiner Gegenwart benahm er sich fortan anständig. Aber ich konnte einige Male aus der Ferne an der Mimik der um ihn herumstehenden Frauen und Männer erkennen, welche Art von Witzen er da wieder von sich gab, mit aufgeblähter Brust und zynisch zusammengekniffenen Augen. Jedes Mal, wenn ich näher kam, hielt er sofort den Mund und grinste mich dümmlich an. Entschlossene Frauen wirken auf solche Leute tatsächlich wie der Knoblauch auf Vampire – auch ohne etwas sagen zu müssen!

      Eine andere Art und Weise, anderen Menschen, insbesondere Frauen, das Blut auszusaugen und ihre seelischen Energien anzuzapfen, ist unendliches Herumgerede und Herumgerechte.

      Sie lehnt etwas ab, und er fragt: «Warum?» Sie lässt sich auf eine Begründung ein, und er beginnt sie zu widerlegen. Sie holt Luft und wehrt seine Belehrungen ab, er erhebt die Stimme und beginnt zu dozieren usw.! Hier wird anerzogene Höflichkeit zum Verhängnis. Gerade Frauen wollen niemandem vor den Kopf stoßen und keinem wehtun. Ich persönlich habe nie so recht verstanden, wieso die klare Aussage «Ich will aber keine erotische Beziehung mit dir!» jemanden verletzen sollte.

      Durch das Gerede und Herumrechten erreicht der Vampir zumindest, dass er schon einmal irgendeine Art von Zuwendung bekommt, wenn auch noch keine sexuelle, so doch eine emotionale. Er kann eine Beziehung aufbauen, die zwar noch ohne Körperkontakt geschieht, aber für ihn gewissermaßen das Einfallstor zu einer körperlichen ist.

      Außerdem sind Vampire letztlich ziemlich dumm und haben kein Unterscheidungsvermögen: Sie glauben, dass eine emotionale Beziehung automatisch auch eine sexuelle ist. Lächelt die Frau ihn während der Beziehungsdebatte beschwichtigend an, kann er gar nicht anders, als das als Aufforderung zur Zärtlichkeit zu nehmen. Ist sie jedoch – aus ihrer Sicht her gesehen – dem Anlass entsprechend angemessen ernst, denkt der Vampir, sie sei traurig und bräuchte ihn, insbesondere seine sexuellen Avancen. Ist sie selber gar so leichtsinnig und meint, ihn trösten zu müssen ob seines Liebeskummers – was sie um Himmels willen unbedingt bleiben lassen muss! –, hat sie schon so gut wie alle seine Zähne im Hals!

      Beim Vampir lebt sich das mangelnde Mitgefühl, das Nichtzuhören- Können/Wollen, das Nichtachten des/der anderen oft auch in unendlichen Redetiraden aus. Sind es Professoren, überschütten sie die zum Essen ausgeführte Frau mit Vorlesungen über Thermik, das Liebesleben der Heuschrecken oder die soziokulturelle Deprivation suburbaner Jugendcliquen. Weniger intellektuelle Typen halten abendfüllende Vorträge über Borussia Mönchengladbach oder die Notwendigkeit und den Aufbau der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft.

      Berühmt durch Woody Allen und seine Filme wurde die stadtneurotische Variante des ewigen Leiders, was bei Frauen – zum Teufel mit unserer pflegeleichten Sozialisation! – ganz besonders gut ankommt. Im Studium erlebte ich die linksalternative Variante, je nachdem eher dialektisch mit einem Hauch Kapitalismuskritik oder eher ökologisch mit einer zu jeglichem Kontakt schon bereiten Birkenstocksandale unter dem Tisch.

      Von daher müssen solche Energiesauger sehr klar und bestimmt zurückgewiesen werden.

      Vampire glauben tatsächlich, dass ihre Gewaltattacken anderen Spaß machen. Sie können sich nicht vorstellen, dass dem nicht so ist. Sie können und wollen sich nicht in andere hineinversetzen. In der Sage sind es ja eigentlich tote Leute, die in alten Schlossgrüften in Särgen hausen. Auch hier trifft die Sage wirklich das richtige Bild: Vampire sind tot, sie haben wenig oder gar keine Gefühle, auf jeden Fall kein Mitgefühl für ihr Gegenüber. Immerhin wollen sie sich selber noch ernähren und aufbauen. Ein Fünkchen Lebendigkeit ist noch da – ganz im Unterschied zu den richtig Toten, den Zombies, auf die ich im nächsten Absatz eingehen werde.

      Was auch immer man von Vampiren halten mag: Sie betreiben, in ihrer höchst egozentrischen Weise, wenigstens noch ein Mindestmaß an Kommunikation, gieren gar nach ihr, denn Kommunikation ist der Gartenschlauch, durch den sie die Energie aus ihrem Gegenüber saugen können. Sie haben eine Reihe von Bedürfnissen, die sie auf Kosten anderer Menschen befriedigen wollen. Die anderen Menschen, die Frauen, sind ihre Fleischhaufen, ihre Gazellenopfer oder Blutkonserven, auf die sie hungrig sind. Das heißt, sie spüren etwas: Hunger, Gier und Lust der Befriedigung.

      Manche Täter jedoch spüren auch das nicht mehr: weder die eigene Leere noch die Existenzberechtigung und Würde ihres mitmenschlichen Gegenübers. Zwar laufen sie noch herum, bewegen sich, reden, essen, atmen, doch ihr inneres Feuer ist erloschen, keine Glut atmet unter Asche und Lava.

      Man könnte eine ganze Reihe von Gründen dafür aufzählen, warum manche Leute so gefühlskalt geworden sind, dass sie wie Zombies wirken. Viele Ursachen haben sie zu lebenden Leichnamen gemacht: Möglicherweise haben sie selber als Kinder schwere Gewalt durch Eltern oder andere Erwachsene erlebt, vielleicht sind sie unter Krieg und Terror aufgewachsen oder mussten grauenhafte Dinge in einem Alter mit ansehen, in dem das kein Kind verarbeiten kann.

      Manchmal wissen die Psychologen letztlich nicht, welche Erlebnisse eine solche gestörte, abgetötete Persönlichkeitsstruktur hervorgerufen haben. Sie sprechen dann von endogenen Ursachen, also solchen, die so tief in der Seele verborgen liegen, dass man sie nicht ans Tageslicht holen kann. Psychiater machen auch oft physiologische Ursachen für eine pathologische Persönlichkeitsstruktur verantwortlich: die Hormone, die Nerven, die Gene usw.

      Zombies sind meistens etwas schwerere Kaliber als Vampire. Die Kriminalistik nennt solche Täter auch Psychopathen oder Soziopathen. Die Filmindustrie verdient Millionen mit ihren Stories über möglichst abstruse Zombiepersönlichkeiten wie z. B. in dem Film «Das Schweigen der Lämmer».

      Wie auch immer: So wie keine Frau dazu geboren worden ist, Gewalt zu erleiden, ist auch kein Mann dazu geboren worden, ein Täter zu werden. Die genetischen Anlagen der Menschen sind ausgeglichen genug, dass diese zwischen Krieg und Frieden wählen können. Es sind physische, psychische oder soziale Ursachen, welche die Waage des Verhaltens mehr zur einen oder zur anderen Seite neigen lassen.

      Das Ziel des Zombies ist, irgendwie aus diesem gefühlsstarren Zustand herauszukommen, «die Glaswand zu durchbrechen», wie einer einmal zu mir sagte.

      Manche nehmen Drogen, um wenigstens irgendetwas zu spüren, was den ganzen Zustand auf Dauer nur noch schlimmer macht. Manche Menschen werden erst in der Folge jahrelangen Drogenkonsums zum Zombie, denn die wahre Welt weckt nur selten solch exzessive Gefühle wie die künstlichen Stoffe, spiegelt uns solch rasante, klare Farben und grelle Lichtspiele vor.

      Eine andere Möglichkeit des Zombies ist, mit Hilfe starker und extremer Gefühle anderer Menschen, mitreißender, seelischer Erschütterungen die eigenen Gefühle aufzuwecken. Schreit das Gegenüber voller Qual, windet es sich mit schmerzverzerrtem Gesicht, rührt sich möglicherweise irgendwo tief drinnen im Zombie ein Funke. Sein Opfer ist der Zunder, aus dem er versucht, Funken für seine tote Seele zu schlagen.

      So nimmt man an, dass Exhibitionismus der Beginn eines solchen Verhaltens ist: Anfangs reichen dem Exhibitionisten die erschrockenen Blicke oder das Kreischen seiner Opfer. Später genügt dieser Reiz nicht mehr, und es treibt ihn, die Frauen oder Kinder, denen er sich präsentiert, auch anzufassen, festzuhalten. Der Schritt zur Gewaltanwendung ist dann nicht mehr sehr groß. Um einen solchen Suchtkreis zu durchbrechen, rät die Polizei, jeden Exhibitionisten sofort zu melden oder auch anzuzeigen.

      Was das schreiende Opfer im Zombie weckt, sind befriedigte Machtgelüste und Überlegenheitsgefühle: Du bist ja bloß eine schreiende Kreatur! Aber ich bin der Herr, wenn schon nicht über meine Gefühle, die längst tot sind, dann wenigstens über deine, darüber, dass du dich windest, winselst und dir vor


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