Fröhlich durch den Weltuntergang. Julianne Becker

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Fröhlich durch den Weltuntergang - Julianne Becker


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weiter und zum Teil auf abenteuerlichen Wegen zu uns. Wir waren ja schon fast froh, dass da am Bosporus wieder eine Diktatur aufkeimte, und der Flüchtlingsstrom gestoppt werden konnte, bevor er uns erreichte. All diese Kriege, Wirren und Dürrekatastrophen in Nahost und Afrika sind eigentlich eine Bankrotterklärung der Entwicklungshilfe, der UN und der internationalen Politik. Was hat der Westen frohlockt über den arabischen Frühling, doch geht es den Menschen nun wirklich besser? Wenn ein Land nach dem anderen rund ums Mittelmeer destabilisiert wird, was ist da anderes zu erwarten als ein riesiger Flüchtlingsstrom? Die wollten schon immer kommen, doch im letzten Jahrhundert war der Weg dicht. Die arabischen Länder am Mittelmeer haben die afrikanischen Flüchtlinge damals nicht durchgelassen.

      Viele Flüchtlinge wollen ausdrücklich nach Deutschland. Ganze Gesellschaften in Not schicken ihre jungen Männer vor, um die Großfamilie nachzuholen. Doch vor allem auch, damit sie selbst nicht für den Krieg rekrutiert werden können. Oder aus dem gleichen Grund, der meine entfernten Vorfahren bewogen hat, nach Amerika auszuwandern: Wirtschaftliche Not und zu viele Kinder. Die Bauernhöfe konnte nur einer erben, die anderen gingen leer aus und hatten auch keine andere Lebensgrundlage. Oder das bewirtschaftete Land wurde immer kleiner. Berufe wurden vorwiegend in der eigenen Familie vererbt, von außerhalb konnte man nur schwer hinein. Oft blieb nur die Arbeit als industrielles Proletariat in den Städten - oder die Auswanderung.

      Die afrikanischen Länder wurden immer wieder durch Katastrophen und Kriege erschüttert, die Sahara dehnt sich weiter aus. Hinzu kommt auch bei ihnen, dass die Familien zu groß sind, um vom Land leben zu können. Und die Menschen in den Städten bekommen traditionell ebenfalls viele Kinder, ohne ihnen ein Leben anders als in prekären Verhältnissen bieten zu können. Auch die suchen ihre Zukunft woanders.

      Es ist ziemlich absurd, dass wir eine Bürokratie damit beauftragen, herauszufinden, ob ein Asylsuchender aus wirtschaftlichen Gründen oder als politisch Verfolgter eintrifft. Wer will das schon sagen? Und wozu diese Unterscheidung? Wir können nicht jedem auf der Erde helfen, die Menge ist schier zu groß! Andere Kulturen sollten es selbst lernen, ihre Probleme zu lösen, sich in ihrem eigenen Land gut zu versorgen und frei und in Wohlstand zu leben. Und wir wollten ihnen dabei vor Ort helfen, auf die Beine zu kommen. Das war ursprünglich mal der Auftrag der Entwicklungshilfe, bevor sie von Krediten und wirtschaftlichen Interessen kontaminiert wurde.

      Wer zu uns passt und mit uns nach unseren Grundrechten leben will und sich dabei selbst versorgt, der ist mir selbst allemal willkommen. Ich habe als Beamtin den Eid auf dieses Grundgesetz gerne geleistet. Dabei ist mir persönlich gleichgültig, ob er Zuhause politisch verfolgt wurde oder hier nur ein besseres Leben sucht. Dass er Verfolgung erfahren hat, könnte ja auch bedeuten, dass er sich auch in meinem Land mehr mit Kampf oder Untertauchen beschäftigen wird, mit der Unterstützung von befreundeten Widerstandskämpfern aus der Ferne und mit den Ansprüchen, die er bei unseren Behörden durchfechten muss, weil er einfach auf 'Kampf oder Flucht' getrimmt ist. Verfolgung macht doch aus einem Flüchtling noch keinen friedlichen Menschen. Und ich bestehe auf Frieden.

      Die eigentliche Frage ist doch, macht das Asylrecht in dieser Form überhaupt noch Sinn, wenn potentiell viele Milliarden Menschen weltweit lieber in einem Land leben wollen, in dem so stabile und relativ freie Verhältnisse herrschen und Milch und Honig fließt - so wie bei uns? Vor allem, wenn das einzige wirkliche und recht unfaire Auswahlkriterium darin besteht, ob sie es lebend bis zu uns schaffen? Und da sprechen manche Landsleute immer noch von einer 'Willkommenskultur'. Das klingt doch eher wie ein perfides, menschenverachtendes Spiel - oder?

      Mit den männlichen Jugendlichen unter den Flüchtlingen aus den akuten Kriegsgebieten verhält es sich ganz anders. Sie sind eigentlich vor allem Kriegsdienstverweigerer. Das macht sie leider auch noch nicht zu Friedensaktivisten oder zu Mitbürgern, die das Grundgesetz automatisch zu ihrer Lebensgrundlage machen werden. Wäre ich dort Mutter, ich würde auch mein ganzes Geld zusammenkratzen, um meine Söhne in Sicherheit zu bringen! Na klar doch! Allerdings, und da kannst du dich drauf verlassen: Auch meine Töchter, unterschiedslos! Und ihre Töchter? Die sind ja scheinbar weniger gefährdet, sie werden ja höchstens vom IS vergewaltigt, verschleppt und verkauft. Oder bei Angriffen getötet. In der Altersgruppe der unbegleiteten Jugendlichen, die ich 2016 in Deutsch unterrichten durfte, gab es unter zwanzig Jungs kein einziges Mädchen.

      Keiner der Flüchtlinge kommt, weil er unsere Kultur und unsere Demokratie so toll findet und deshalb mit uns leben will. Oder weil er unsere Grundrechte respektiert. Wahrscheinlich hatte er bisher weder Zeit noch Interesse, sich überhaupt damit zu befassen. Und warum sollte es ihn überhaupt interessieren? Die Jungs sagten mir immer wieder, ihr Ziel sei: Sie wollen die Familie zusammenbringen. Und dann ginge es schon irgendwie weiter. Ich schlug vor, dass sie doch erst einmal selbst einen Beruf erlernen und ausüben sollten, dann könnten sie ihre Familie doch auch selbst versorgen, wenn sie käme. Diese Idee schien ihnen verwunderlich, doch der Beruf interessierte sie dann doch. Mittlerweile sind sie alle auf einem guten integrativen Weg, soweit ich gehört habe. Und darüber freue ich mich aufrichtig.

      Die Zusammenballung und längere Unterbringung von erwachsenen Flüchtlingen und Asylanten birgt viel zusätzlichen Zündstoff. Untereinander verfeindete Gruppen treffen in unseren Aufnahmeheimen aufeinander und setzen dort natürlich auch ihr bisheriges Konfliktverhalten fort. Was denn sonst? Und mal ehrlich, stell dir vor, du nimmst aus unserer eigenen Kultur eine repräsentative Auswahl von jungen Männern (Sonderschule bis Abitur) direkt nach der Schule und steckst sie ans Ende der Welt, wo es ihre Eltern und ihre Mädchen und die soziale Kontrolle ihrer Familie nicht gibt, aber auch überhaupt nichts zu tun. Sie sind zwar materiell versorgt, treten aber auf der Stelle, warten auf Genehmigungen, Anerkennungen und Zulassungen und dass es weiter geht in ihrem Leben. Nur ein paar einheimische Mädchen gibt es, die aber sind unehrenhaft. Das sieht man schon daran, wie sie sich kleiden und wie offen und freizügig sie sich fremden Männern gegenüber geben. So ist das, wenn eine Kultur plötzlich in eine ganz andere eingepflanzt wird.

      Und als Flüchtling erinnerst du dich, dass die Schlepper dir erzählt haben, dass die Deutschen aussterben, die deutschen Männer könnten keine Kinder mehr zeugen, sie hätten nie mehr als zwei Kinder, oft nur eins oder gar keine. Die deutsche Regierung wolle deshalb, dass sie wegen des Rückgangs der Geburtenrate kommen und viele Kinder zeugen. Da hilft man doch gerne! Das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern so im Internet gefunden. Und verlass dich drauf, die haben alle ein Handy und Internet! Nun, was glaubst du denn, auf welche Gedanken man als junger Mann im Rudel kommt? Müßiggang ist aller Laster Anfang, sagt ein Sprichwort. Gerade der junge Mensch muss sich beweisen können, muss sehen, dass es in seinem Leben weitergeht. Der Tatendrang ist groß. Wir setzen da auf ganz falsche Anreize! Und von den fünftausend Flüchtlingen, die einfach ganz in unserem Land untergetaucht sind, ist überhaupt nicht die Rede. Wovon leben die? Wer versteckt sie? Was tun sie?

      So lange die Verhältnisse bei uns stabil bleiben, wird das gehen. Aber stell dir bitte den Zündstoff einer Situation vor, wenn die Versorgung für alle ausfällt, Deutsche wie Flüchtlinge, sagen wir, für drei Tage bis drei Wochen. Ich mache mir dabei weniger Sorgen um die Flüchtlinge, denn die haben die letzten Monate und Jahre das Überleben trainiert, sie haben sich vernetzt und werden ihren Weg finden. Eher um den Frieden im Land und um die behüteten, arglosen Deutschen, die es nicht mehr gewöhnt sind, plötzliche, ungewöhnliche Situationen zu meistern und im Chaos zu überleben.

      Übrigens stand mit der ersten Flüchtlingswelle eine App zur Verfügung, die einen beliebigen deutschen Text ins Arabische übersetzt, und nur für die Übersetzung vom Deutschen ins Arabische gedacht war, und nicht umgekehrt. Das entdeckte ich zufällig, als ich den Deutschunterricht für meine syrischen Jugendlichen vorbereitete. Es verblüffte mich schon sehr. Ein Schelm, wer Böses denkt. Du hältst einfach dein Handy so vor ein Schild, als würdest du den Text fotografieren und das Handy zeigt dir dann die arabische Übersetzung der deutschen Worte im Bild. Ich glaube, es wäre Zeit, dass diese App auch das für alle Sprachen kann: Ich will auch mein Handy auf irgendeine Schriftsprache halten können und die Übersetzung lesen!

      Mich wunderte, dass diese App nur für den arabischen Sprachraum und mit Hinblick auf die deutsche Sprache programmiert wurde. Wer entwickelt so eine App genau zeitlich passend? Und wenn schon, dann will ich einen Simultan-Übersetzer als Ohrstöpsel, so dass ich auch wieder die vielen fremden Sprachen


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