Fröhlich durch den Weltuntergang. Julianne Becker

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Fröhlich durch den Weltuntergang - Julianne Becker


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Nur Menschen, die oberflächlich urteilen und gleich selbst die nächste Diffamierungsschublade ziehen, gegen die sie eigentlich wettern, kommen auf solche Ideen.

      Wie im privaten Haushalt ist auch in den Medien die Entwicklung nicht stehen geblieben. Statt Mahlzeiten aus eigenem Anbau und mit frischen Zutaten liebevoll für die Familie zubereitet, werden Fertiggerichte in die Mikrowelle geschoben, manchmal isst sogar jeder etwas ganz anderes, nämlich das, worauf er gerade Lust hat. Wo früher ein Journalist noch selbst recherchiert und viele unterschiedliche und auch kontroverse Informationsquellen benutzt hat, gibt es heute nur noch ganz wenige übermächtige Quellen, Nachrichtenagenturen wie die DPA. Und was die melden und behaupten, wird fast genauso in die Mikrowelle geschoben wie ein Fertiggericht. Vielleicht ein wenig nachgewürzt und auf die eigenen Leser oder Zuschauer abgestimmt. Jede Abweichung von DPA brächte dem Journalisten erst einmal einen ganzen Schwall an Protesten ein, extern und intern. Doch wenn man bei DPA bleibt, ist man auf der sicheren Seite. Jeder möchte doch seine Arbeit in Leichtigkeit und Freude tun und dafür Anerkennung und Bezahlung erfahren.

      Außerdem unterliegen die Medien wie alle Unternehmen dem Diktat der Wirtschaftlichkeit. Sie müssen Gewinne erzielen, das ist ihre erste Aufgabe. Die Frage ist nun, geht es bei den Inhalten dann mehr um die Leser und Zuschauer oder eher um die Anzeigenkunden und deren Interessen? Oder mischt sich wie in den Öffentlich-Rechtlichen auch die Politik noch ganz stark ein? Wer bestimmt das Profil eines der Medien? Und sieht der Verantwortliche an der Spitze sich eher als Meinungsmacher und Meinungsgestalter, als Parteianhänger oder als Aufklärer, Lehrer und Wächter über die Grundrechte unserer Verfassung?

      An diesem Profil muss sich auch jeder einzelne Journalist orientieren, und in den mittleren und unteren Etagen leben immer mehr Journalisten immer öfter in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder als freie Mitarbeiter, die jederzeit frei gegangen werden können. Wer dann nicht mit den Wölfen heult, unterhöhlt seine eigene Existenzgrundlage und die seiner Familie. Kann man es ihm verdenken, wenn er DPA brav nachplappert? Jeder Job und überhaupt jede Abhängigkeit verpasst uns auch einen Maulkorb. Man kann alle Beteiligten in allen Rollen verstehen, keine Frage. Tolerieren muss man ihr Verhalten deshalb noch lange nicht. Doch man kann auch anders damit umgehen, als wir es jetzt tun.

      In diesem Buch wende ich mich grundsätzlich an alle Menschen, aber nur an die Menschen selbst, nicht an ihre Funktionen. An sie selbst hinter ihren jeweiligen Rollen. Ich suche ihr Wohlwollen und ihre Bereitschaft, etwas mal völlig anders zu betrachten oder zu machen und genau damit noch besser als bisher für sich selbst und für uns alle zu sorgen. Diesen guten Willen unterstelle ich einem jeden von uns! Wir brauchen auch jeden Menschen, egal, ob er sich als HARTZ VI Empfänger, Politiker oder Bäcker definiert.

      Ich bin mir sicher, es wird uns ein viel besserer Umgang miteinander einfallen! Vielleicht ist die Demokratie, die sich bisher doch immer sehr schnell in weiterer Machtansammlung zu einer Oligarchie und zu der wirtschaftlichen Herrschaft führender Industrieller, Banken und religiöser Institutionen entwickelt hat, nur eine geschichtliche Übergangslösung gewesen zu einer noch wesentlich besseren Form der Selbstverwaltung, die wir nur noch nicht entdeckt haben. Dass wir uns gerade mitten im Weltuntergang befinden, erhöht nur den Druck, sie zu finden.

      Der Weltuntergang als Chance

      Das ist die gute Nachricht: Jeder Weltuntergang trägt den Keim zu etwas ganz Neuem in sich. Und ich bin ganz entschieden der Meinung: Wir alle sollten mitentscheiden, wie das Neue aussieht. Wenn du diese Chance erkannt hast, können wir schon etwas besser gelaunt weiter machen. Offenbar interessieren sich die Menschen nicht ohne diesen Druck für eine positive Zukunft. Das ist das Gute am Weltuntergang.

      Ich selbst bin zum Beispiel für Konsens, d.h. dass so lange miteinander verhandelt wird, bis ein einstimmiges Ergebnis gefunden wurde. Es soll einen Indianerstamm gegeben haben, der den Konsens in Verhandlungen dadurch förderte, dass es für die Delegationen erst wieder etwas zu essen gab, wenn Konsens hergestellt war. Und das wurde dann opulent mit einem Festmahl gefeiert. Wir dürfen nie vergessen zu feiern! Ich bin auch dafür, dass wir so miteinander umgehen, dass alle gewinnen. Das ist auch der Leitgedanke jeder Mediation. Eine WIN-WIN-Lösung findet man aber nur, wenn alle gehört werden und keiner für seine Meinung nieder gebuht und in eine Schublade gesteckt wird. Hätte ich zu einem der Jungs auf dem Schulhof gesagt: „Du schon wieder! Du bist braun angezogen, mit dir rede ich nicht, ohne dass du dich zuerst glaubhaft von all deinen braunen Freunden distanzierst!“, glaubst du, wir hätten Frieden miteinander finden können?

      Was die meisten Medien heute tun, wäre vergleichbar damit, dass ich beide Kontrahenten auf die Bühne des Schultheaters rufe und den einen in die Ecke stelle und ihm ein Schild umhänge, zum Beispiel mit dem Buchstaben A wie 'Aufrührer', und mich dann dem anderen zuwende und ihn vor versammelter Mannschaft, also vor allen Schülern und Lehrern mit Lob und Zustimmung überschütte. Oder noch perfider: Nur der Zweite darf die Bühne überhaupt betreten. Weil der Erste zu gefährlich ist, um sich ehrlich vor allen zu erklären. Weil seine Ideen anstecken könnten.

      In einer Mediation bekäme keiner der beiden eine öffentliche Bühne, bevor die Mediation nicht erfolgreich verhandelt und Frieden wiederhergestellt wurde. Die zuschauenden Schüler würden in ihre Klassen geschickt und die Emotionen eher runter als hochgekocht. Deeskalation eben. Die Strategie einer Mediation, in der alle gewinnen, wirkt Wunder, sie genügt aber noch nicht allein, sie ist nur ein erster guter Schritt. Wenn wir alles so ändern wollen, dass es uns allen gefällt, sogar dem ärmsten Hund und dem skrupellosesten Herrscher, müssen wir die Dinge noch tiefer verstehen: Dann müssen wir bewusstes Erschaffen erlernen! Auch wenn du das vielleicht noch nicht für möglich hältst, am Ende dieses Buches wirst du wissen, wie es geht. An dieser Stelle geht es mir darum, aufzuzeigen, was alles nicht funktioniert oder schon lange nicht mehr. Und wenn du ehrlich bist: Das mit dem Weltfrieden hat bisher auch noch nie wirklich funktioniert.

      Die Zeitungen werden von Menschen wie du und ich geschrieben und auch sie würden bestimmt gerne echter und ehrlicher sein können. Wir als Käufer, Werbetreibende und Leser müssen dafür sorgen, dass sie das dürfen! Momentan erhalten sie ihre Nachrichten ja, wie gesagt, vorgekaut von einigen wenigen Nachrichtenagenturen oder vorformuliert von den Vereinen und Parteien, selbst im Lokalteil einer Zeitung. Sie alle wollen und müssen zu allererst ihre eigene Lebensgrundlage sichern und erhalten und sich dafür innerhalb bestimmter Freiräume bewegen. Unsichtbar und unvermeidlich passen wir uns alle diesem Druck doch ständig neu an, du doch leider auch!

      Unsere Medien erzeugen einen Tunnelblick. Sie grenzen unsere Sicht der Dinge auf ganz wenige Themen ein. Die Menschen haben dann das Gefühl, es gehe um eine rechte Partei oder um Antisemitismus. Damit wird jede Kritik im Keim erstickt. Die jüngeren Deutschen werden das noch für bare Münze halten, doch die Älteren haben das doch schon öfter erlebt: Als der grüne Gedanke hochkam zum Beispiel. Eine neue, breit aufgestellte Partei wie damals die Grünen und heute die AfD entsteht wie gesagt immer dann, wenn die herrschenden Parteien nicht mehr den Volkswillen repräsentieren. Wenn sie sich einfach nicht um die Themen scheren wollen, die den Menschen am Herzen liegen. In solchen Zeiten werden die vernünftigen, altbekannten und konservativen Parteien auch nur gewählt, weil sie das Ganze noch einigermaßen stabil halten, und nicht, weil sie so toll sind. Es werden keine Sichtweisen ausgetauscht, die sich ergänzen und aufklären, nur verbale und strategische Kämpfe geführt. Diskussionen sind ebenfalls Kämpfe, sie werden nur mit den intellektuellen Mitteln der bösen Intelligenz, der Argumente, der Redezeit, der Diskriminierung und der verbalen Angriffe ausgetragen. Es bleiben in meinen Augen jedoch kriegerische Auseinandersetzungen. Wir sehen Kriege nicht nur in den Nachrichten, auch die Talkshows sind voll davon. "Immer nur druff", würde der Urberliner sagen.

      Es ist ja auch viel langweiliger, dem politischen Frühschoppen zuzuhören, wie es ihn sonntags früher gab. Die Kriege der Meinungsmacher im Fernsehen hören erst auf, wenn keiner mehr an dem Setting der Diskussionen interessiert ist. Stell dir vor, da wird polemisiert und diffamiert und keiner schaltet mehr ein. Ginge es uns um Information, Konsens und Frieden, dürfte eigentlich keiner in der Runde angegriffen werden. Dann wüsste jeder vorher schon, was er gefragt werden wird und alle hätten die gleiche Redezeit. Und die Moderatoren blieben neutral, statt ihren Job in der Meinungsmache zu begreifen. Und Schubladen


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