AYESHA - SIE KEHRT ZURÜCK. Henry Rider Haggard

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AYESHA - SIE KEHRT ZURÜCK - Henry Rider Haggard


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eures gemeinsamen Lebens knüpfen, über die mysteriösen Berge des Unbekannten zu einem unentdeckten Gipfel. Führt sie dich nicht schon seit langem durch das Leben zu jenem Gipfel, der jenseits der Pforten des Todes liegt? Du hast geträumt...«

      »Hör auf! Hör auf!«, schrie er. »Ich weiß, was ich gesehen habe, und ich werde Ayeshas Zeichen folgen! Denke, was du willst, Horace, und tu, was du willst! Ich jedenfalls werde morgen nach Indien aufbrechen; mit dir, wenn du dazu bereit bist, oder ohne dich.«

      »Warum bist du so grob, Leo?«, sagte ich. »Du vergisst, dass ich kein Zeichen gesehen habe, und dass der Alptraum eines Mannes, der sich so nahe am Rand des Wahnsinns befindet, dass er erst vor wenigen Stunden den Selbstmord plante, eine sehr schwache Stütze ist, wenn wir im Schnee Zentralasiens verkommen. Eine sehr unzuverlässige Vision, Leo, mit einem Berggipfel, der wie ein Crux-ansata geformt ist, und so weiter. Bist du der Überzeugung, dass Ayesha in Zentralasien wiedergeboren wurde - als eine Art weiblicher Dalai Lama oder etwas Ähnliches?«

      »Daran habe ich bisher nicht gedacht«, sagte Leo ruhig, »aber warum nicht? Erinnerst du dich an eine bestimmte Szene in den Höhlen von Kôr, als die Lebenden die Toten anblickten, und die Lebenden und die Toten gleich waren? Und erinnerst du dich, dass Ayesha geschworen hat, wiederzukommen - ja, in diese Welt; und wie könnte sie das tun, wenn nicht durch eine Wiedergeburt, oder, was dasselbe ist, durch eine Seelenwanderung?«

      Ich fand keine Antwort auf dieses Argument! Ich kämpfte mit mir um einen Entschluss.

      »Ich habe kein Zeichen erhalten«, sagte ich, »obwohl ich eine Rolle in diesem Spiel hatte, eine bescheidene Rolle, zugegeben, doch immerhin eine Rolle, die ich, wie ich glaube, noch immer spielen muss.«

      »Ja«, sagte er, »du hast kein Zeichen erhalten. Ich wünschte, dass dem so wäre. Oh! Wie sehr wünschte ich, dass du so überzeugt wärst wie ich, Horace!«

      Wir schwiegen eine lange Weile, den Blick auf den heller werdenden Himmel gerichtet.

      Es wurde ein stürmischer Sonnenaufgang. Eine dichte, phantastisch geformte Wolkendecke hing über der See. Eine der Wolken sah aus wie ein riesiger Berg, und wir blickten zu ihr hinauf. Sie veränderte ihre Form, und ihr Gipfel wurde zu einem riesigen Krater. Aus dem Krater drängte sich eine andere Wolke, ein langgezogenes, pfeilerförmiges Gebilde mit einem Knopf oder Klumpen an seiner Spitze. Plötzlich fielen die Strahlen der aufgehenden Sonne auf diesen Berg und den Pfeiler, und sie strahlten blendend weiß wie Schnee. Dann löste sich das Zentrum des Klumpens an der Spitze des Pfeilers, wie von den Strahlen der Sonne geschmolzen, auf, und zurück blieb ein riesiger Wolkenring.

      »Sieh!«, sagte Leo mit leiser, beinahe verängstigt klingender Stimme. »Das ist die Gestalt des Berges, den ich in meiner Vision gesehen habe. Und dort ist der Ring auf seinem Gipfel, durch den der Schein des Vulkanfeuers fällt. Es scheint, als ob das Zeichen uns beiden gilt, Horace.

      Ich blickte noch immer zu den Wolken hinauf, bis sich der dunkle Ring auflöste. Dann wandte ich mich Leo zu.

      »Ich werde mit dir nach Zentralasien gehen«, sagte ich.

      Seit jener Nacht in dem alten Haus in Cumberland waren sechzehn Jahre vergangen, und wir beide, Leo und ich, waren noch immer unterwegs, noch immer auf der Suche nach jenem Berggipfel, der wie das Lebenssymbol geformt ist, und den wir niemals finden konnten.

      Unsere Abenteuer würden mehrere Bände füllen, aber welchen Sinn hätte es, sie aufzuzeichnen? Viele Erlebnisse ähnlicher Art sind in Büchern beschrieben worden; die unseren hatten länger gedauert, das ist alles. Fünf Jahre hatten wir in Tibet verbracht, zumeist als Gäste mehrerer Klöster, wo wir die Gesetze und Traditionen der Lamas studierten. Hier waren wir auch einmal zum Tode verurteilt worden, weil wir eine verbotene Stadt besucht hatten, doch gelang es uns dank der Hilfe eines chinesischen Beamten, zu entkommen.

      Nachdem wir Tibet verlassen hatten, waren wir nach Osten, Westen und Norden gezogen, tausende und tausende Meilen, hatten uns bei vielen Stämmen auf chinesischem Territorium und in anderen Ländern auf gehalten, viele Sprachen erlernt und große Strapazen überstanden. Und wenn wir irgendwo die Legende eines Ortes hörten, der, sagen wir, neunhundert Meilen entfernt lag, so verbrachten wir die nächsten zwei Jahre damit, ihn zu erreichen; und wenn wir dort ankamen, fanden wir nichts.

      Und so vergingen die Jahre. Doch nicht ein einziges Mal kam uns der Gedanke, aufzugeben und zurückzukehren, da wir uns vor unserem Aufbruch aus England geschworen hatten, dass wir unser Ziel erreichen oder sterben würden. Tatsächlich hätten wir einige Dutzend Mal sterben müssen, doch immer wieder wurden wir gerettet, auf eine wundersame Weise gerettet.

      Jetzt waren wir in einem Land, in das, soweit ich es beurteilen kann, noch nie ein Europäer seinen Fuß gesetzt hatte. In einem Teil dieses riesigen Landes, das Turkestan genannt wird, befindet sich ein großer See, der Balhkash-See, dessen Gestade wir aufsuchten. Zweihundert Meilen westlich davon erhebt sich eine gewaltige Bergkette, die auf den Karten als Arkarty Tau bezeichnet wird, und auf der wir etwa ein Jahr zubrachten. Etwa fünfhundert Meilen östlich davon liegt ein weiteres Bergmassiv, das Cherga genannt wird, und dorthin zogen wir, nachdem wir das Arkarty Tau-Gebirge durchforscht hatten.

      Und hier begann endlich unser wirkliches Abenteuer. Auf einem Ausläufer der zerklüfteten Charga-Berge - man wird ihn auf keiner Landkarte finden - wären wir beinahe verhungert. Der Wintereinbruch stand unmittelbar bevor, und wir fanden kein Wild. Der letzte Mensch, den wir getroffen hatten - mehrere hundert Meilen südlich von hier -, hatte uns berichtet, dass sich in dieser Bergkette ein Kloster befände, in dem Lamas von überragender Heiligkeit lebten. Er hatte uns erzählt, dass sie in diesem wilden Land lebten, das noch von keiner Macht beansprucht worden war, und in dem es nicht einmal Nomaden gebe, um Verdienst zu erwerben. Wir glaubten zwar nicht an die Existenz dieses Klosters, doch suchten wir trotzdem nach ihm, getrieben von dem blinden Fatalismus, der uns während der jahrelangen Suche aufrechterhalten hatte. Wir standen kurz vor dem Verhungern und konnten auch kein Stück Holz finden, um ein Feuer zu machen. Schweigend schritten wir durch die mondhelle Nacht und trieben das Yak an, das unsere Lasten trug. Wir hatten keine Dienstboten mehr; der letzte war im Jahr davor gestorben.

      Es war ein kräftiges Tier, dieses Yak, doch inzwischen war es genauso am Ende wie seine Herren. Nicht dass wir es überladen hätten; die Last bestand nur noch aus etwa hundertfünfzig Gewehrpatronen, dem Rest des Postens, den wir zwei Jahre zuvor in einer Karawane hatten erstehen können, für einen kleinen Beutel mit Gold- und Silbermünzen, etwas Tee und einem Bündel Felldecken und Schafspelzen. Wir zogen über ein weites verschneites Plateau, die Berge zu unserer Rechten, als das Yak plötzlich seufzte und stehenblieb. Wir blieben notgedrungen ebenfalls stehen, wickelten uns in die Felldecken und hockten uns in den Schnee, um auf den Sonnenaufgang zu warten.

      »Wir werden das Yak töten und sein Fleisch roh essen müssen«, sagte ich und klopfte dem armen Tier, das geduldig neben uns lag, auf das Hinterviertel.

      »Vielleicht finden wir Wild, wenn es hell geworden ist«, sagte Leo.

      »Vielleicht auch nicht, und dann werden wir verhungern.«

      »Gut«, antwortete er, »dann werden wir eben sterben. Der Tod ist der letzte Ausweg aus dem Versagen, und wir sterben zumindest in dem Bewusstsein, unser Bestes getan zu haben.«

      »Sicher haben wir unser Bestes getan, Leo, wenn man sechzehn Jahre Trampen über Berge und durch endlosen Schnee in Verfolgung eines nächtlichen Traums so nennen kann.«

      »Du weißt, was ich glaube«, antwortete er scharf, und dann herrschte eine Weile Schweigen zwischen uns. Ich wusste, dass er allen Argumenten unzugänglich war, und auch ich wollte mir nicht eingestehen, dass alle Mühen und Leiden umsonst gewesen sein sollten.

      Als es dämmerte, blickten wir einander prüfend an; jeder wollte sehen, wieviel Kraft noch in dem anderen verblieben war. In den Augen zivilisierter Menschen mussten wir wie wilde Tiere wirken. Leo war jetzt über vierzig Jahre alt, und was seine Jugend versprochen hatte, hatte er im Mannesalter gehalten. Ich habe noch nie einen prächtigeren Mann gesehen. Er war groß und schlank, und die vielen Jahre in Wüste und


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