Der gebrochene Schwur. Мэри Элизабет Брэддон

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Der gebrochene Schwur - Мэри Элизабет Брэддон


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Dame seufzte tief, und indem sie ihren langen Shawl fester um sich zog, bereitete sie sich vor, des Knaben Verlangen zu erfüllen. Sie war groß und schlank, beinahe zart von Ansehen, dabei blendend schön, hatte große, blaue Augen, die jedoch lieblicher an Farbe als bedeutend im Ausdruck waren, eine kleine, gerade Nase, einen Mund, der nicht das Gepräge von Energie trug, und lange, fliegende Locken vorn lichtesten Blond. Sie wäre eine schöne Puppe gewesen, war aber kein anziehendes Weib. Sie knüpfte ihren reichen Trauershawl an den Enden auf ihrem Rücken zusammen, und dieselben ihrem Sohne in die Hände gebend, begann sie den Bergrücken auf- und abzuschreiten, während der Knabe mit schwacher Stimme ihr zurief.

      Dies hieß er Pferdchen spielen.

      Sie ging nicht rasch, doch immer schnell genug ihrem Sohne zu Liebe, bis es ihr an Athem fehlte und sie plötzlich inne hielt, ihre beiden kleinen Hände über das klopfende Herz pressend, während der Knabe noch immer an den Fransen ihres Tuches riß.

      Da — mit den letzten Strahlen des röthlichen Sonnenscheines auf seinen blassen, olivenfarbenen Zügen, mit dem sterbenden Lichte in den Tiefen seiner braunen Augen, mit seinem langen Schatten, der sich gigantisch und schreckhaft hinter ihm an der Hügelwand ausdehnte, auf dem Fußpfad ihr gerade gegenüber, stand ein Mann, den sie seit acht Jahren nicht gesehen.

      »Hauptmann Walsingham!« rief sie mit einem erschrockenen Ausdrucke in ihrer Stimme, der jedoch weder einem Angstruf noch einem Schrei glich.

      »Lady Lisle!«

      Er lüftete seinen Hut, der Wind fuhr in die Locken seines schwarzen Haares und entfernte sie von seiner Stirne. Er war sehr hübsch, aber seine dunkle Schönheit hatte einen fremdartigen Charakter.

      Stark markirte, aber vollkommen schön geformte Züge, dunkle Gesichtsfarbe und Augen, die, obschon braun, schwarz wie die Nacht unter ihren langen Wimpern hervorblickten, groß, mit breiter Brust und stattlichem Bau, stand er vor ihr.

      Er hielt einen Stock in der Hand, auf dessen goldenen Knauf er sich lehnte, als er Lady Lisle gegenüberstand.

      Es lag keine Ueberraschung in seinen Mienen bei dieser Begegnung, nur etwas Erregung. Nach einer Pause sagte er:

      »Ich las seinen Tod aus einer Zeitung.

      Sie blickte ihn mit starren, verwunderten Augen an, und murmelte:

      » Ich glaubte Sie in Indien.«

      »Ja, dort war ich, aber ich erfuhr seinen Tod in einem Clubhause in Calcutta, wo ich mit einigen billardspielenden Gefährten mich aufhielt. Einer derselben schob mir ein englisches Tageblatt in die Hand. Ich las dergleichen selten; doch als mein Blick darauf fiel, sah ich Sir Reginald Lisle Bart, von Lislewood-Park, Sussex, alt neunundzwanzig Jahre, unter den anderen Todesfällen. Die »Dalhaurie« segelte des andern Tages, und ich mit ihr.«

      »Also noch immer —«

      »Liebe ich Sie, so sehr wie sonst.«

      Er nahm ihre kleine behandschuhte Hand in die seine, und drückte sie sanft an seine Lippen.

      Der Knabe riß gewaltsam an den Fransen, und schrie laut:

      »Wer ist er, Mama, und warum küßt er Deine Hand? Warum liebt er Dich? Er ist ja nicht mein lieber Papa.«

      Hauptmann Walsingham legte seine Hand auf des Knaben Haupt, und sein blasses, kränkliches Gesichtchen gegen die matte Helle wendend, sah er ernst in dasselbe, indem er sagte:

      »Du bist Deiner Mutter ähnlich, sowohl im Aeußern wie im Charakter, Sir Rupert Lisle, und wir Beide müssen Freunde werden. Ich will mit Dir Pferde spielen.«

      »Dann will ich Dich recht lieb haben,« antwortete der Knabe.

      »Sie waren überrascht mich zu sehen, Lady Lisle? Doch was ist natürlicher? Nachdem ich den Tod Sir Reginald’s vernommen, machte ich mich reisefertig. Tags darauf eilte ich nach England. In Dover angelangt, erfuhr ich, daß Sie noch immer in Lislewood lebten. Ich kam sogleich herüber, ohne London zu berühren, ging in’s Haus, man sagte mir, Sie seien mit dem Ponywagen ausgefahren, und kam hierher, Sie zu finden.«

      »Warum hierher?« frug sie.

      »Können Sie dies nicht errathen? Weil wir auf dem Gipfel dieses Hügels uns getrennt, vor acht Jahren im September, und weil ich dachte, Sie möchten wohl zuweilen diesen Ort aufsuchten.«

      »Sie werden in’s Schloß kommen und da verweilen?«

      »Nein. Ich will im »goldenen Löwen« in Lislewood absteigen und jeden Tag in’s Schloß hinüber reiten. Wenn ich in Ihrem Hause logierte, würden die Leute darüber reden.«

      »Ach ja, Sie haben recht.«

      Sie hatte so selten selbstständig gedacht, und war ihr ganzes Leben so gewohnt, nach der Meinung Anderer zu handeln, daß die naheliegendsten Ideen ihr nie freiwillig in den Sinn zu kommen schienen.

      »Ich sah Ihren Ponywagen dort unten auf der Straße, und erkannte die Livrée der Lisle. Wollen Sie mich mit zurücknehmen?«

      »Ja, wenn Sie mitkommen wollen. Wir speisen um Sieben, es ist zwar schon vorüber, wie ich glaube, aber ich lasse das Essen immer warten, man ist schon daran gewöhnt. Komm, Rupert.«

      Sie nahm des Knaben Hand in die ihre, und sie stiegen den Hügel hinab.

      Hauptmann Walsingham ihr zur Seite.

      »Sie sagen nicht, daß Sie sich freuen mich zu sehen,« sagte er nach einer Pause, indem er mit der Spitze seines Stockes auf das bräunliche Haidekraut schlug.

      »Sie erschreckten mich so sehr. Sie hätten schreiben sollen, um mich von Ihrem Kommen zu unterrichten. Ich bin nicht stark.«

      »Nein,« sagte er, mit einem eigenthümlichem, beinahe spöttischem Lächeln, »nicht stark, niemals stark. Weder stark zu widerstehen, zu bekämpfen, noch zu dulden. Verzeiht, Lady Liste, doch Gott weiß, ob der Mangel dieser Eigenschaft in Ihrer Seele oder in Ihrer Constitution zu suchen ist. Zuweilen frage ich mich auch, ob Sie überhaupt eine Seele besitzen.«

      »Sie sind grausam wie immer, Arthur,« sagte sie, indem ihre großen Augen sich mit Thränen füllten.

      »Schicken Sie Ihren Sohn zum Wagen, und gehen Sie fünf Minuten mit mir allein.«

      Sie gehorchte ihm sogleich, und der kleine Knabe lief den Hügel hinab zu dem Phaëton und kletterte auf seinen Sitz an der Seite des Kutschers.

      »Claribel Lisle,« sagte der Offizier leidenschaftlich, »wissen Sie, daß ich vor Jahren im fernen Indien auf die Kniee fiel und Gott bat, diese heutige Begegnung mir zu gewähren? Es war eine gottlose Bitte, nicht wahr, denn sie umfaßte den Tod eines Mannes, der mich nie beleidigt hatte; doch sie ward erfüllt. Vielleicht mir zum Fluche erfüllt. Es war ein leidenschaftliches, wahnsinniges, verblendetes, ruheloses, verzweifeltes, heidnisches Gebet. »Laß’ mich sie wiederfinden als Bettlerin auf der Straße, wiederfinden von Krankheit niedergeworfen in einem Hospital, wiederfinden, verlassen und verachtet von jedem Geschöpf auf dieser weiten Erde, nur laß’ mich sie wiederfinden wie und wo immer es sein mag, und beim Lichte des Himmels, sie soll mein Weib werden!« Dies geschah vor Jahren; während dieser langen Zeit habe ich täglich dies Gebet erfleht. Es ist erhört und ich bin hier.«

      »Sie Reginald meinte es gut mit mir,« sagte sie, als Antwort auf seine Rede. »Ich suchte meine Pflicht gegen ihn zu erfüllen.«

      »O ja, Claribel, ich kann mir dies denken. Sie thaten auch Ihre Pflicht gegen Ihre Tante und Ihre Vormünder, als Sie vor acht Jahren mir das Herz brachen und mich verließen, um Sir Reginald Lisle zu heiraten.«

      »Sie quälten mich so schrecklich, sagten so entsetzliche Dinge —«

      »Ja, sie sagten ich sei in Ihr Vermögen verliebt, nicht wahr? Sie sagten, daß der mittellose Offizier nur um die verwaiste Tochter des reichen Kaufmannes werbe um der Tausende willen, die der Vater ihr hinterlassen. Das sagten sie, und Sie — Sie, die mich und meine Liebe kannten, Sie, Claribel, glaubten ihnen.«

      »Ich wagte nicht meinem eigenen Urtheil zu trauen.«


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