Die vergessene Welt. Arthur Conan Doyle

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Die vergessene Welt - Arthur Conan Doyle


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genügt mir auf die Dauer nicht. Ich möchte meinen Arm um Sie legen und Ihren Kopf an meine Brust drücken, und, ach Gladys, ich möchte – – –«

      Sie sprang vom Stuhle auf, da ihr klar wurde, dass ich die Absicht hatte, meine weiteren Wünsche in die Tat umzusetzen.

      »Sie haben alles zerstört, Ned,« sagte sie, »es ist alles so schön und natürlich, bis eine gewisse Grenze überschritten wird. Es ist so schade. Warum können Sie sich nicht besser beherrschen?«

      »Das ist keine Erfindung von mir,« verteidigte ich mich, »das ist Natur, das ist Liebe.«

      »Es mag wohl anders sein, wenn beide lieben. Ich habe noch niemals geliebt.«

      »Aber Sie müssen – – – Sie mit Ihrer Schönheit, mit Ihrer Seele! O Gladys, Sie sind ja geschaffen für die Liebe. Sie müssen lieben!«

      »Man muss warten, bis die Liebe kommt.«

      »Aber warum können Sie mich nicht lieben, Gladys? Ist es mein Äußeres oder was sonst?«

      Ihr Gesicht hellte sich auf. Sie streckte eine Hand aus – ihre ganze Haltung war so gütig und so herablassend – und bog meinen Kopf zurück. Dann sah sie mir mit einem gedankenvollen Lächeln in das aufwärts gerichtete Gesicht.

      »Nein, das ist es nicht,« sagte sie schließlich, »Sie sind nicht gerade ein hässlicher Mann, und darum kann ich wohl sagen, dass es das nicht ist. Es liegt tiefer.«

      »Mein Charakter?«

      Sie nickte ernst.

      »Was kann ich tun, um ihn zu verbessern? Setzen Sie sich doch und sagen Sie mir etwas darüber. Nein, bitte, ich möchte, dass Sie sich setzen.«

      Sie sah mich mit einem erstaunten Misstrauen an, das mir viel besser gefiel als ihr Vertrauen bei unbewegtem Herzen.

      Wie primitiv und dumm das alles aussieht, wenn man es schwarz auf weiß niederschreibt! Aber schließlich ist es vielleicht eine Empfindung, die nur mir selbst verständlich ist. Genug, sie setzte sich.

      »Nun sagen Sie mir, woran es mir fehlt.«

      »Ich liebe jemand anders«, sagte sie.

      Jetzt war die Reihe an mir, vom Stuhle aufzuspringen.

      »Es ist niemand im besonderen,« fuhr sie, über meinen Gesichtsausdruck lachend, fort, »es ist nur ein Ideal. Ich bin einem solchen Mann, wie er mir vorschwebt, niemals begegnet.«

      »Erzählen Sie mir etwas über ihn. Wie sieht er aus?«

      »Oh, er könnte Ihnen sehr ähnlich sein.«

      »Wie entzückend von Ihnen, das zu sagen! Gut, und was tut er, was ich nicht täte? Sagen Sie es mir gerade heraus! Abstinenzler, Vegetarier, Luftschiffer, Theosoph, Übermensch – ich werde alles versuchen, Gladys, wenn Sie mir nur eine Vorstellung davon geben wollen, was Ihnen gefallen könnte.«

      Sie lachte über die Elastizität meines Wesens.

      »Gut, zunächst einmal glaube ich, mein Ideal würde nicht so reden«, sagte sie. »Er würde ein kühner, energischer Mann sein, der nicht so leicht bereit wäre, der Laune eines törichten Mädchens zu entsprechen. Auf jeden Fall aber müsste er ein Mann der Tat sein, der dem Tode ohne Furcht ins Auge blickt – ein Mann von großen Taten und außerordentlichen Erlebnissen. Es ist niemals der Mann, den ich lieben würde, sondern immer der Ruhm, mit dem er sich bedeckt. Denn davon würde ein Abglanz auf mich fallen. Denken Sie an Richard Burton! Als ich die Biographie seiner Frau über ihn las, konnte ich ihre Liebe verstehen. Und Lady Stanley! Haben Sie das wundervolle letzte Kapitel über ihren Mann jemals gelesen? Das ist die Art von Männern, die eine Frau von ganzer Seele anbetet, die dabei doch und nicht zum wenigsten durch ihre Liebe die größere sein kann, die von aller Welt geehrt wird als die Urheberin edler Taten.«

      Sie sah so schön aus in ihrem Enthusiasmus, dass ich fast das Ziel unserer Unterhaltung aus dem Auge verlor. Ich riss mich zusammen, um in meiner Beweisführung fortzufahren.

      »Wir können nicht alle Stanleys und Burtons sein«, sagte ich. »Übrigens trifft der Glücksfall nicht jeden – mir jedenfalls hat immer die richtige Gelegenheit gefehlt. Sollte der Zufall mir günstig sein, so würde ich ihn nutzen.«

      »Aber Gelegenheit zu Heldentaten gibt es doch überall. Es ist das Zeichen dieser Art von Männern, die ich meine, dass sie ihres eigenen Glückes Schmied sind. Solch ein Mann lässt sich nicht zurückhalten. Ich habe ihn niemals getroffen, und doch ist mir, als kenne ich ihn ganz genau. Es gibt so viele heroische Taten rings um uns herum, die nur darauf warten, getan zu werden. Es ist die Aufgabe der Männer, sie zu tun, und die Aufgabe der Frauen, ihre Liebe als Geschenk für solche Männer aufzuheben. Sehen Sie diesen jungen Franzosen, der in der vorigen Woche mit einem Ballon aufstieg. Es wehte eine steife Brise, aber da die Ballonfahrt einmal angezeigt war, bestand er darauf, aufzusteigen. Der Wind trieb ihn 1500 Meilen weit in 24 Stunden, und er kam mitten in Russland zu Boden. Das ist die Art von Mann, die ich meine. Denken Sie an die Frau, die er liebte, und wie die anderen Frauen sie beneidet haben müssen! Das ist es, was ich liebe – beneidet werden meines Mannes wegen.«

      »Ich würde es getan haben, um Ihnen zu gefallen.«

      »Aber Sie sollen es nicht tun, nur um mir zu gefallen, Sie sollen es tun, weil Sie nicht anders können, weil es Ihre Natur ist, – weil alles in Ihnen schreit nach einer heroischen Tat. Warum konnten Sie nicht, als Sie neulich von der Kohlenstaub-Explosion in Wigan berichteten, in den Schacht hinuntersteigen, um trotz der giftigen Gase den Bergleuten zu helfen?«

      »Ich tat es.«

      »Aber Sie haben niemals davon gesprochen.«

      »Das war nichts, was der Rede wert gewesen wäre.«

      »Das wusste ich nicht.«

      Ihre Augen ruhten mit stärkerem Interesse auf mir. »Das war brav von Ihnen.«

      »Ich musste das doch tun. Wenn man einen guten Bericht schreiben will, muss man doch da sein, wo etwas passiert.«

      »Was für eine prosaische Begründung. Damit nehmen Sie Ihrer Handlungsweise alles Romantische. Aber immerhin, was auch Ihr Grund gewesen sein mag, ich freue mich, dass Sie in den Schacht hinuntergestiegen sind.«

      Sie reichte mir ihre Hand, aber mit solcher Anmut und Würde, dass ich mich nur darüber beugen und sie küssen konnte.

      »Ich möchte sagen, ich bin ja nur ein törichtes Weib mit den Phantasien eines jungen Mädchens im Kopfe; und doch ist meine Empfindung so. Sie ist so völlig ein Ausdruck meines inneren Wesens, dass ich nicht anders handeln kann. Wenn ich jemanden heirate, so muss er ein berühmter Mann sein.«

      »Na, und warum denn nicht?« rief ich aus. »Gerade ein Weib wie Sie macht den Mann stark. Geben Sie mir eine Gelegenheit, und Sie werden sehen, dass ich sie ausnutze. Übrigens, wie Sie sagen, soll der richtige Mann sich die Gelegenheit selber schaffen und nicht warten, bis sie ihm gegeben wird. Sehen Sie Clive – nur ein kleiner Schreiber, und doch eroberte er Indien. Beim heiligen Sankt Georg! Ich werde schon noch etwas unternehmen in der Welt!«

      Sie lachte über mein plötzliches irisches Feuer.

      »Warum nicht«, sagte sie. »Sie haben alles, was ein Mann haben kann – Jugend, Gesundheit, Kraft, Bildung, Energie. Ich war so traurig, dass Sie gesprochen haben, und jetzt bin ich froh – so froh, wenn unser Gespräch solche Gedanken in Ihnen erweckt hat.«

      »Und wenn ich es tue – – –?«

      Ihre Hand legte sich wie warmer Samt auf meine Lippen.

      »Kein Wort mehr, mein Herr! Sie sollten schon vor einer halben Stunde in der Abendredaktion sein. Ich konnte es nur nicht übers Herz bringen, Sie daran zu erinnern. Wenn Sie eines Tages vielleicht sich Ihren Platz in der Welt erobert haben werden, dann wollen wir von neuem darüber reden.«

      Und so entdeckte ich mich selbst an diesem nebligen Novemberabend, als ich hinter der Trambahn, die nach Camberwall fährt, herlief, mit glühendem Herzen in der Brust und fest entschlossen,


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